Christoph Flittner ist Fahrlehrer, sorgt auf Tiktok als „Herr Fahrschule“ für Furore. EXPRESS.de wollte wissen, warum heutzutage so viele durch die Prüfung rasseln.
Fahrlehrer erklärtDarum fallen so viele durch die Fahrprüfung
Aktualisiert
Voll ausgebremst bei der Fahrprüfung: Fast die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler scheitert heute bei der Theorieprüfung, gut jeder Dritte manövriert sich in der Praxis ins Aus – trotz unzähliger Fahrstunden im Vergleich zu früher. Ja, sind denn heutzutage alle dumm wie Leitplanken? EXPRESS.de fragte Fahrschullehrer Christoph Flittner (41). Er ist als „Herr Fahrschule“ mittlerweile Tiktok-Star, neuerdings auch Buchautor: Wie geht's besser – und billiger?
Wer Autofahren will, sollte vor allem eins: Früh Gas geben beim Sparen. Denn 3500 Euro, oft aber auch noch einen Tausender mehr, muss man heute schon einplanen, bis man offiziell hinters Steuer darf. Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sinnt auf Abhilfe, schlägt die Theorie per App vor, weniger Sonderfahrten, mehr Ausbildung am Simulator und einen verschlankten Fragebogen.
Warum brauchten wir früher in der Regel nicht 15 bis 25 Fahrstunden?
„Herr Fahrschule“ Christoph Flittner tritt bei manchen Ideen aufgrund seiner langjährigen Praxiserfahrung auf die Bremse: „Leute, die es gewohnt sind, zu Hause zu lernen und die entsprechende Disziplin haben, kommen vielleicht mit einer App klar. Aber der Weg ist schlecht für alle, die sich zu Hause leicht ablenken lassen, deshalb eine Verbindlichkeit brauchen – dass da ein Lehrer ist, wo man erscheinen soll und auch die Möglichkeit hat, direkte Rückfragen zu stellen. Die sitzen dann später bei mir im Auto, haben große Defizite in der Theorie, die muss ich dann im Auto wieder aufarbeiten. Das sorgt vielleicht sogar für mehr Fahrstunden – und führt somit auch zu einem noch teureren Führerschein.“
Aber früher brauchten wir doch auch nicht 15 bis 25 Übungsstunden und zwölf Pflichtstunden! Stimmt, gibt der Fahrlehrer und Buchautor zu, aber es habe sich nun mal viel geändert. Er nennt Beispiele: Der Verkehr sei mehr geworden, die Aggressivität im Straßenverkehr habe zugenommen, dazu kämen all die neuen Herausforderungen wie Lastenräder, E-Scooter, Fahrradautobahnen und das Auto selbst. „Seit ein paar Jahren ist es sogar Pflicht, dass in der Führerscheinprüfung alle Assistenzsysteme, die das Auto hat, abgeprüft werden können. Heißt, ich muss all diese Systeme vorher zeigen und darauf schulen, sodass sie damit umgehen können, um irgendwann keine alte Möhre mehr, sondern ein neueres Auto mit all diesen technischen Raffinessen fahren zu können.“

Copyright: Flittner/privat
Christoph Flittner (41) betreibt drei Fahrschulen in Erding, ist seit fünf Jahren als Fahrschul-Influencer aktiv.
Die meisten würden übrigens nicht etwa beim Einparken, wie viele denken, durchfallen, sondern bei der Verkehrsbeobachtung. „Schulterblick, Spiegelschauen, das wird alles immer trainiert und wiederholt. Aber in der Prüfung haben viele heutzutage einen Blackout.“ Warum? Da sei bei den einen der Fluchtgedanke: Hauptsache schnell durch. Andere wiederum hätten die ständige Warnung ihrer übervorsichtigen Eltern im Ohr: „Fahr' ja langsam!“ Aber wer langsam fahre, mache meist leider auch alles andere zu langsam im Kopf, beobachtet er.
Christoph Flittner ist allerdings ganz beim Verkehrsminister, wenn es darum geht, den Theoriebogen mit seinen 1200 Fragen abzuspecken. „Das ist halt auch so ein Monster, das gewachsen ist. Man hat irgendwann gesagt, hier, Umwelt ist jetzt wichtiger. Also hat man Umweltfragen mit eingebaut, mehr als vorher schon drin waren. Stichwort auch Elektroautos.“ Noch ein Beispiel: „Cannabis ist legalisiert, muss ich im Straßenverkehr heute mit umgehen, okay. Aber dafür anderes weglassen, was früher wichtig war.“
Er würde aber nicht nur Fragen reduzieren, auch die Formulierungen überarbeiten. „Das Deutsch, das da angewendet wird, ist selbst für die, die der Muttersprache mächtig sind, schon schwierig. Wer von denen kennt denn noch das Wort Gefälle?“ Zeitgemäßeres Lernen (Stichwort „Gamification“) statt Kreuzchen im Fragebogen hält er stattdessen für besonders sinnvoll, um die Jugend für die Theorie zu begeistern. „Nach zehn Fragen kommt eine Medaille oder ein Bonuspunkt, wie man das aus Apps wie Duolingo kennt. Oder ich habe eine Battle-App, ähnlich wie vor Jahren das Quiz-Duell. Das war Wissensvermittlung, die Spaß machte.“
Apropos Spaß: Herr Fahrschule, macht Ihnen der Job unter all diesen Bedingungen immer noch Freude? „Ja, absolut. Wenn ich irgendwann mal alt bin, kann ich sagen, dass ich 10.000 Leuten beigebracht habe, wie man Auto fährt. Und wenn ich meine Arbeit gut mache, dann bauen die vielleicht weniger Unfälle.“ Außerdem gibt es ja auch rund ums Fahren allerhand Interessantes, über das er mit Leidenschaft auf seinem Tiktok-Kanal berichtet.

