„Dann kam die Gier“Wie der „schönste Ort der Welt“ seine Seele verkaufte

Die weiß getünchten Windmühlen, die auf einem Hügel mit Blick auf Mykonos-Stadt aufgereiht sind, sind das Wahrzeichen der Insel.
 (Bild: Filmiki / unafilm)

Die weiß getünchten Windmühlen, die auf einem Hügel mit Blick auf Mykonos-Stadt aufgereiht sind, sind das Wahrzeichen der Insel. 

Eine Eloge auf Mykonos. Wurde wohl höchste Zeit im Zeichen der touristischen Überflutung. Der „schönste Ort der Welt“ verlangt heute Eintrittsgeld für Kreuzfahrttouristen. Eine ARTE-Dokumentation badet tief in der Nostalgie.

„Es ist der schönste Ort der Welt“, schrieb der Fotograf Robert Mac Cabe, der 1955 mit einem Frachter aus New York nach Mykonos kam. Andere erinnern sich an „zwei bis drei Boote pro Woche“, die auf der Insel strandeten. Strom gab's bis 22 Uhr. Die Armut regierte, barfüßige Fischer waren unterwegs, Sandalen wurden aus alten Autoreifen gemacht.

Fischer, die zu Gastronomen und Nachtclubbesitzern wurden, aber auch „Philosophen“ und Künstler erinnern sich an das, was folgte - ein geradezu paradiesisches Leben, in dem sich Einheimische, Jetset und Hippies unbeschwert verbündeten. Die Insulaner waren tolerant, gastfreundlich, und Geld war ihnen egal. „Es wurde niemand diskriminiert“, heißt es im Film.

Die zweifellos verklärende Rückschau wird mit dem Mykonos von heute verbunden. Das ist das keineswegs heimliche Ziel des deutsch-griechischen Fernweh-Films „Mykonos - Super Paradise“ von Steve Krikris. Das griechische Fernsehen, WDR und ARTE, aber auch Griechenlands Kulturministerium wirkten mit.

Der erste Charterflug: „Wir klatschten alle und sagten: Jetzt ist es vorbei“

So entstand ein Film voller Sonnenuntergänge und Strandszenerien. Dazu weiße Windmühlen und sündteure Jetset-Bars. Die Idylle von einst mischt sich mit den Statements von Einheimischen, von Gastronomen und Barbesitzern der nachfolgenden Generationen.

Größte Wehmut kommt auf, wenn sich eine vom modernen Tourismus verdrängte Zugereiste an den „ersten Charterflug“ mit den vielen Touristen erinnert: „Wir klatschten alle und sagten: 'Jetzt ist es vorbei.'“ Man liegt heute, im Zeichen des Kreuzfahrt-Overtourisms, nicht mehr textilfrei am Strand und fühlt sich wie im Paradies wie die Hippies, die im Sommer aus Goa und Bali kamen.

Man kauft heutzutage einen Liegestuhl „für 60 Euro“, weiß ein anderer und erklärt so wehmütig wie trotzig: „Mykonos ist immer noch ein Paradies, ein Paradies für junge Leute, die Geld haben. Für mich ist es ein verlorenes Paradies.“ Dieses verlorene Paradies wieder aufleben zu lassen, ist dem Film mit seinen Super 8-Aufnahmen aus dem Archiv und den aufdringlichen griechischen Schlagern von damals durchaus gelungen.

„Mykonos liegt jetzt auf dem Altar des Geldes“

Die Kritik an den veränderten Gepflogenheiten kommt im Film spät, aber mit Wucht: „Mykonos liegt jetzt auf dem Altar des Geldes“, hört man einen Zeitzeugen klagen. Waren es die Stars vom Kaliber Paul Newman, Keith Richards, Brigitte Bardot, die den Verlust der Unschuld einläuteten? „Man weiß ja, wie das mit Prominenten ist. Wenn einer kommt, bringt der einen anderen mit, der dann wieder einen und so weiter.“

Das Viertel Alefkandra, auch „Klein-Venedig“ genannt, in Mykonos-Stadt ist immer noch ein Hotspot der Touristen. (Bild: Filmiki / unafilm)

Das Viertel Alefkandra, auch „Klein-Venedig“ genannt, in Mykonos-Stadt ist immer noch ein Hotspot der Touristen. (Bild: Filmiki / unafilm)

Oder die VIPs im legendären Nachtleben der 70er, vergleichbar mit London oder Paris, wie es im Film heißt? „Die Leute wurden, tja ... aus dem Geschäft gedrängt“, erinnert sich eine, die alles erlebt hat. „Die Gier kam ins Spiel. Geld, Geld, Geld, Geld.“ Aber sie glaubt auch: „Der Zauber von Mykonos ist immer noch da.“ Er liege heute nur verborgen unter einer mitunter ohrenbetäubenden Frequenz.

„Mykonos - Super Paradise“ läuft am Donnerstag, 31. Juli, 20.15 Uhr bei ARTE und ist schon vorab auf Abruf in der ARTE-Mediathek zu finden. (tsch)