Vier Thesen zum Dry JanuaryWarum Alkoholiker Kölnisch Wasser trinken

kölnisch wasser

Eine Frau gießt sich am Dienstag in Köln ein paar Tropfen der Duftwassermarke 4711 Echt Kölnisch Wasser in die Hand.

von Markus Krücken (krue)

Köln/Heidelberg – „Dry January“ - Machen Sie das auch?

Als guten Vorsatz nehmen sich viele Menschen aktuell den Trend vor, als „Neustart“ in 2019 mal einen Monat lang nichts zu trinken.

Alk-Konsum ist in unserer Gesellschaft akzeptiert, allgegenwärtig. Doch die Dosis macht das Gift - und im Januar stellt sich nicht nur für die zwei Millionen Abhängige (!), sondern die scheinbar „normalen Konsumenten“ im Land die Frage, wo die persönliche Hemmschwelle liegt. Und ob es auch komplett ohne geht...

Er ist der Mann zum Trend - Prof. Dr. Helmut Seitz hat sein Leben dem Kampf gegen den Teufel verschrieben. Dem Teufel Alkohol. Gestatten: Professor Anti-Alk!

Als Internist und Gastroenterologe forscht Prof. Dr. Helmut Seitz seit vierzig Jahren auf dem Gebiet alkoholbedingter Lebererkrankungen.

Alkohol verstärkt über 200 Krankheiten

Der Heidelberger ist eine Koryphäe, u. a. 2013 mit dem Manfred-Lautenschläger-Preis für Europäische Alkoholforschung ausgezeichnet.

„Die Menschen wissen zu wenig über die verheerenden Folgen des Alkohols, das Problem wird durch die Werbung bagatellisiert und verharmlost“, beginnt er das Gespräch, „Alkohol verursacht und verstärkt über 200 Krankheiten. Wir haben 30.000 Alkoholtote im Jahr, 2000 Drogentote stehen dagegen. Das zeigt: Alkohol wird unterschätzt.“

prof karl seitz

Prof. Seitz mit seinem Buch im Büro.

Die Probleme sind hausgemacht, findet der Fachmann. Im Gegensatz zu Skandinavien sei Alkohol hierzulande rund um die Uhr und überall verfügbar. Im Einkauf zu billig. Zu wenig besteuert. Die Altersgrenze mit 16 (Skandinavien: 21) zu niedrig, der tolerierte Promillewert im Verkehr mit 0,5 zu hoch.

Prof. Seitz: „Ich bin kein Asket“

Aber Seitz will weder einen Engel in Weiß, Oberlehrer oder Moralapostel spielen.

„Ich selbst trinke gern Alkohol, von Zeit zu Zeit ein Glas Wein oder Bier. Aber mehr als maximal zwei Gläser vertrage ich nicht, da krieg ich Kopfschmerzen. ich vertrage nicht viel und habe keine Lust. Ich bin kein Asket und will nicht missionieren“, erklärt er uns.

Und weiter:

Eine Lebensaufgabe. Einmal verließ Seitz wütend einen Vortrag im „Haus des Weins“ in Mainz, als durchs Mikrofon kam, dass 120 Gramm Alk pro Tag nicht schädlich seien. Denn er hat die Folgen im klinischen Alltag selbst erlebt.

Alkoholiker trank Kölnisch Wasser

Da war etwa der Alkoholiker, der trotz nahender OP so viel trank, dass der Körper bei seiner Herztransplantation infolge des geschwächten Immunsystems das neue Herz abstieß (!).

Die Jugendliche, die nach einer alkoholischen Hepatitis fast tot war, gerettet wurde und seither nie mehr einen Tropfen trank.

kölnisch wasser

Eine Frau gießt sich am Dienstag in Köln ein paar Tropfen der Duftwassermarke 4711 Echt Kölnisch Wasser in die Hand.

„Und der Alkoholiker“, erinnert sich Seitz, „der nach der Entgiftung den ersten Tag zuhause war. Die Frau hatte im Haus allen Alk ausgeräumt. Er wurde aber sofort rückfällig und hat Kölnisch Wasser getrunken, weil er keinen Alkohol fand. Da sieht man, wie weit die Sucht geht.“

Neues Buch, vier Trends

In seinem aktuellen Buch „Die berauschte Gesellschaft“ hat der langjährige Präsident der Europäischen Alkoholforschungsgesellschaft aufgrund diverser Studien vier Trends erarbeitet. Sie klingen unglaublich – wie der „Teufel Alkohol“ selbst.

  • 1. Der Alk-Konsum der 17- bis 21-Jährigen ist hochgegangen. Das ist beunruhigend.
  • 2. Auch der bei Älteren über 65 wird größer. Die Welt ist kalt geworden, die Leute verlieren den Partner, sind alleine, depressiv, suchen das Glück im Alkohol. Im Alter wird der Alkohol auch schlechter verstoffwechselt.
  • 3. Das dritte Problem ist Alk in der Schwangerschaft. Das geht überhaupt nicht. Trotzdem gibt es Untersuchungen, dass 50 der Prozent der Frauen immer noch trinken, 8 Prozent sogar mehr. 4000 Kinder kommen mit schweren Alkoholschäden (fötales Alkoholsyndrom) zur Welt, also Kinder , deren Aussehen anders ist (Minderwuchs, Kleiner Kopf, Veränderungen von Augen, Lippen etc.) Insgesamt sind es aber 10 000 Kinder, die geschädigt sind (4000 mit FAS und 6000 mit Alkoholeffekten, die sich später im Leben zeigen durch geistiger Retardierung, Hyperaktivität, Konzentrationsmangel etc.).
  • 4. Das vierte, oft unterschätzte Thema, ist der Brustkrebs. „Kaum einer weiß, dass Alk Brustkrebs begünstigt. Junge Mädchen ab 14 haben später ein größeres Risiko.."