Ekelalarm in Messie-Wohnung„Windeln stapelten sich bis unter die Decke“

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Müll soweit das Auge reicht. In Messie-Wohnungen sieht man oft vor lauter Müll die Möbel nicht. Das Symbolfoto wurde in der Messie-Akademie in Gauting (Bayern) gemacht und zeigt ein nachgebautes Messie-Zimmer zu Schulungszwecken.

Köln – Janine Schweitzer (40) kann so leicht nichts erschüttern. Die Messie-Entrümplerin hat erlebt, dass ihr Dutzende von Ratten entgegensprangen, als sie den Küchenschrank öffnete.

Dass Berge von „Eistee“-Flaschen sich als Pinkelbrausen entpuppten oder ein Typ Tausende von Pornos hortete. Aber als eine Oma sie bat, doch bitte die Wohnung ihrer Tochter zu entrümpeln, stockte ihr der Atem: „Hier muss ein kleines Mädchen leben. Wie kann man ein Kind bloß in so einem Drecksloch aufwachsen lassen?“.

Messie-Entrümplerin Janine Schweitzer bahnt sich den Weg durch den Müll

Die Meldungen häufen sich: „Kind aus Messie-Wohnung befreit“. Wir denken an Klamottenberge und verdreckte Waschbecken. Aber welche Dramen sich wirklich hinter solchen Meldungen verbergen, ahnt kaum einer.

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Janine Schweizer ist Messie-Entrümplerin und Tatort-Reinigerin.

Janine Schweitzer schon, denn die Dramen gehören zu ihrem Alltag. Sie schildert uns einen unfassbaren Fall: „Eine Mutter hatte mich zur Hilfe gerufen. Vor zwölf Monaten hätte die Wohnung ihrer Tochter noch völlig normal ausgesehen. Doch beim letzten Besuch war alles anders. »Das Kind braucht Hilfe. Kommen Sie schnell«.“

Müll bis unter die Decke

Es ist ein Alptraum! Massenweise Müllsäcke stapeln sich in den Zimmern bis unter die Decke, Essensreste, Pizzakartons, Plastikflaschen, dreckige Klamotten, verschimmelte Babybrei-Gläschen, mindestens 15 Flaschen Weichspüler auf der Waschmaschine – vermutlich, um in der Kleidung den Geruch von Windeln und Fäulnis zu überdecken.

Alles überzogen mit Millionen toter Insekten. Der obere Korb der Spülmaschine ist herausgerissen, der Herd dreckverkrustet, ebenfalls vollgepackt mit Abfällen. „Es war bei den Müllbergen kaum noch auszumachen, wo sich im Wohnzimmer das Sofa befand. Der Müll lag meterhoch verstreut“, erinnert sich Janine Schweitzer. Selbst im Schlafzimmer war das Bett ein einziger Müllberg, sogar über die Türklinke hatte Laura (24, Name geändert) eine volle Windel gestülpt.

Rothaariges Pausbäckchen wächst in Messie-Wohnung auf

Als Schweitzer den Blick über das Chaos schweifen lässt, bleibt er an einem Foto hängen: Ein kleines, pausbäckiges Mädchen mit langen, roten Locken lächelt ihr schüchtern entgegen. Es trägt ein hübsches Halstuch mit Eulen.

„Niemand hätte bei dem Anblick vermutet, dass das Mädchen im Müll aufwächst“, sagt die Entrümplerin nachdenklich. „Das war mein erster Fall, bei dem ein Kind im Spiel war. Heute würde ich sofort das Jugendamt einschalten.“

Denn man muss kein Psychologe sein, um zu erkennen, dass die alleinerziehende, arbeitslose Mutter mit der Situation völlig überfordert ist. „Sie machte auf mich einen sehr kindlichen Eindruck, wirkte labil, was ihre Mutter mir auch bestätigte.“ Die junge Frau bricht immer wieder in Tränen aus.

Mitgefühl mit Messies

Nein, Schweitzer empfindet keinen Abscheu, sondern Mitgefühl für sie. „So viel Spielzeug. Muffinförmchen, Backmischungen. Sie hat sicherlich versucht, eine gute Mutter zu sein. Dann ist es gekippt. “

Da ist diese lähmende Ohnmacht, die viele Messies kennen. Da steht der erste Müllsack in der Küche, dann kommt der zweite hinzu. Ihn rauszutragen wäre eigentlich leicht, aber... Wenn da dieses ABER nicht wäre, das die Beine lähmt. Und irgendwann ist dann alles egal, dann wandert der Müll eben direkt auf den Boden und nicht mal mehr in die Tüte.

Messies brauchen Hilfe

Laura schluchzt, als sie hört, was die Entrümpelung kosten soll. Schweitzer: „Dafür musste ich schon 2000 Euro veranschlagen.“ Hat die junge Frau natürlich nicht. Schließlich erklärt die Oma sich bereit, die Summe zu zahlen, opfert dafür ihr Weihnachts- und Urlaubsgeld. Was tut man nicht alles für die Kinder?

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Über ihre krassen Erlebnisse hat Janine Schweitzer das Buch „Eine Frau räumt auf“ (Riva, 16 €) geschrieben.

Dabei habe Laura sie angebrüllt und weggeschubst, als sie ihr vorsichtig zu erklären versuchte, dass sie Hilfe brauche, sagt Lauras Mutter traurig zur Messie-Entrümplerin. Sie habe schließlich die Flucht ergriffen, sei aber hart geblieben.

Kleines Messie-Kind krank durch Müll und Fäkalien

Es geht schließlich nicht nur um eine Frau, die ihr Leben nicht im Griff hat, sondern um ein kleines Mädchen, das Fieber hat, Pusteln an Händen und den Füßen. Der Volksmund nennt es Maul- und Klauenseuche (fachlich korrekt ist Hand-Fuß-Mund-Krankheit), hervorgerufen durch mangelnde Hygiene.

Kein Wunder: Das Waschbecken ist schwarz, neben der Toilette mit dem Bärchen-Kindersitz liegen Folgemilch- und Getreidepackungen. Hat Laura die Tochter auf dem Klo gefüttert, weil anderswo kein Platz mehr war?

Janine Schweitzer sagt: „Manchmal will man es gar nicht so genau wissen.“ Ob es stimmt, was die Oma sagt? Dass ihre Tochter einen neuen Mann kennengelernt habe und es darauf anlege, wieder schwanger zu werden. Laura verhüte jedenfalls nicht mehr...

„Mein Job ist ein Dienst an der Menschlichkeit“

Kein Job ist wie der andere. Janine Schweitzer reinigt auch Tatorte, entrümpelt aber meist bei Messies.

Warum tun Sie sich das an? Janine Schweitzer: Es ist ein befriedigendes Gefühl, Betroffenen den Weg für ein neues Leben zu ebnen. Ich sehe das als Dienst an der Menschlichkeit.

Erkennt man Messies auf den ersten Blick? Keineswegs. Manche sind nach außen hin absolut gepflegt, im Job Perfektionisten. Ich habe z. B. mal die Wohnung eines gut verdienenden Akademikers entrümpelt. Der Mann roch gut, trug Designerkleidung. Aber seine Wohnung war komplett zugemüllt. Er pinkelte sogar in Eisteeflaschen.

Ihr schlimmstes Erlebnis? Eine alte Dame, die verstorben war, hatte ihr Geschäft offensichtlich in Eimern verrichtet und alles in Mülltüten gepackt. Die ganze Wohnung war voller Abfalltüten mit Fäkalien. Wenn man die anhob, platzten sie sofort. Ich war damals auch noch schwanger.

Desinfektion ist Ihr Thema. Tipp in Corona-Zeiten? Kein Flächendesinfektionsmittel für Hände verwenden. Dann schält sich die Haut.