Mit StickstoffUS-Bundesstaat plant neue Todesstrafe – sie wird nicht einmal Tieren zugemutet

Blick in ein Gefängnis in Lucasville (Ohio), in dem ein Vorhang zwischen Hinrichtungsraum und Zeugenraum gezogen wird (Archivfoto 2005): Alabama plant eine neue Hinrichtungsmethode.

Blick in ein Gefängnis in Lucasville (Ohio), in dem ein Vorhang zwischen Hinrichtungsraum und Zeugenraum gezogen wird (Archivfoto 2005): Alabama plant eine neue Hinrichtungsmethode.

Im US-Bundesstaat Alabama sind in der Vergangenheit mehrmals Fehler beim Versuch von Hinrichtungen aufgetreten. Nun will der Staat erstmals eine andere Art der Todesstrafe durchführen – mit Stickstoff.

von Martin Gätke (mg)

Er sollte der erste sein, der auf die neue Art und Weise hingerichtet wird: Kenneth Eugene Smith wurde 1988 wegen eines Auftragsmordes an der Frau eines Predigers zum Tode verurteilt. Im vergangenen November sollte er dann seiner Strafe zugeführt werden, „klassisch“ über eine tödliche Injektion. 

Doch der Hinrichtungsversuch scheiterte, die Strafvollzugsbehörde musste alles abbrechen, weil die Verantwortlichen die erforderlichen zwei intravenösen Leitungen nicht richtig anschließen konnten. Nun soll er auf andere Weise hingerichtet werden – eine, die zuvor noch nie durchgeführt worden war. Ersticken durch Stickstoff. Doch der Häftling will nicht zum „Versuchskaninchen“ werden. 

USA: Debatte um neue Hinrichtungsmethode

Alabama will der erste Bundesstaat werden, der einen Gefangenen oder eine Gefangene auf diese Art hinrichtet: mit Stickstoff, der sogenannten „Stickstoffhypoxie“. Nachdem es nun schon mehrfach zu Problemen mit der Vollstreckung der Todesstrafe gekommen war, soll nun diese Methode erstmals getestet werden.

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Seit Monaten wird bereits über die Methode diskutiert: Im Kern geht es dabei darum, der Luft, welche die Verurteilten atmen, den nötigen Sauerstoff zu entziehen, sodass diese nur noch reinen Stickstoff atmen. Das soll mit dem Anbringen einer Maske über dem Gesicht des Häftlings geschehen, kompliziertes Legen von intravenösen Leitungen würde entfallen. 

Aus europäischer Sicht, wo die Todesstrafe undenkbar erscheint, scheint die Debatte in den USA mehr als makaber: Die Stickstoff-Methode soll, so argumentieren seine Befürworterinnen und Befürworter, für die Gefangenen „schmerzlos“, „viel humaner“ und „kaum merkbar“ sein. Sie verweisen dabei auf Unfälle mit Sauerstoffentzug in großer Höher oder in geschlossenen Räumen, bei denen sich die Opfer der misslichen Lage oft nicht bewusst gewesen seien.

Die Inhalation von Stickstoff mutet man hierzulande indes nicht einmal Tieren zu: Sie gilt laut Tierärztlicher Vereinigung für Tierschutz (TVT) als unzulässige sowie veraltete Tötungsmethoden für alle Tierarten: Denn Stickstoff habe keine betäubende Wirkung, sodass die Tiere bei vollem Bewusstsein ersticken.

USA: Ersticken mit Stickstoff? „Grausame und ungewöhnliche“ Methoden verboten

Wie „schmerzlos“ das Ersticken mit Stickstoff von Menschen ist, kann keiner sagen. Neben Alabama planen auch die Bundesstaaten Oklahoma und Mississippi, diese Methode durchzuführen. Kritikerinnen und Kritiker halten dagegen, Gefangene würden zu Versuchstieren degradiert, die Anwendung sei auch juristisch heikel. Denn in den USA „grausame und ungewöhnliche“ Hinrichtungsmethoden durch die Verfassung verboten. 2019 hat gar ein Gericht in Missouri einem Freiwilligen bescheinigt, der „Stickstoffhypoxie“ für sich selbst einklagte, dass dies nicht möglich sei, weil sie nie angewandt wurde. 

Ende August dann hat der Generalstaatsanwalt von Alabama, Steve Marshall, den Obersten Gerichtshof von Alabama gebeten, einen Hinrichtungstermin für Kenneth Smith festzulegen. Er sollte der Erste werden, der mit Stickstoff hingerichtet wird. Doch seine Anwälte lehnten die „experimentelle“ Hinrichtungsmethode ab.

„Fachleute können nur darüber spekulieren, wie ein Staat eine Hinrichtung unter Stickstoffhypoxie durchführen kann“, erklärt Deborah Denno, Expertin für Todesstrafe an der Fordham Law School, gegenüber AP

Das aktuelle Protokoll zur Hinrichtung sei „vage, schlampig, gefährlich“, auch weil viele Fragen unbeantwortet blieben. Ob die „Stickstoffhypoxie“ jemals in den USA zum Einsatz kommt, bleibt also weiter offen.