7000 Kilometer Weg erspartKennen Sie die wichtigste Abkürzung der Welt?

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Eine Satellitenaufnahme zeigt den Suezkanal von oben.

Port Said – Eine der wohl bekanntesten Wasserstraßen der Welt: Der Suezkanal. Die Verbindung zwischen Rotem Meer und Mittelmeer, eine geniale Abkürzung durch die Wüste, die Schiffen 7000 Kilometer Seeweg spart – auf dem Weg zwischen Nordatlantik und dem Indischem Ozean.

Für den Welthandel hatte die Eröffnung des Kanals vor 150 Jahren eine immense Bedeutung.

Der Suezkanal als Prestigeobjekt

Haushohe Containerschiffe hatte Ferdinand de Lesseps (1805-1894) wohl kaum im Sinn, als er in Ägypten eine gewaltige Wasserstraße bauen ließ. 150 Jahre später ist der Suezkanal eine der wichtigsten Arterien im Welthandel – und Prestigeobjekt für Ägyptens Präsident Al-Sisi. „Achtung, an die gesamte Crew: Wir haben eine Kollision!“

Dramatischer Zusammenstoß auf dem Suezkanal

Arabische Funksprüche und Anweisungen auf Englisch sind zu hören, als das Containerschiff im Suezkanal wie in Zeitlupe mit einem Schüttgutfrachter kollidiert.

Das Video im Internet zeigt, wie dramatisch eine Fahrt durch die ägyptische Wasserstraße verlaufen kann. „Einige Kapitäne verlieren an Bord komplett die Nerven“, sagt Mohamed Roshdy (68) über die meist elf bis 16 Stunden lange Durchfahrt.

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Der Suezkanal wurde am 17. November 1869 eröffnet.

Suezkanal: Kapitäne kriegen hier schon mal Herzprobleme 

Seit fast 40 Jahren arbeitet der Ägypter als Lotse am Suezkanal, wo Tankern und großen Containerschiffen ohne seine Anweisungen ein Millionenschaden oder Schlimmeres drohen kann.

Herzprobleme seien häufig, sagt Roshdy, der Stressfaktor unter Kapitänen sei hoch. Mitarbeiter der Reederei Hapag-Lloyd oder des Energiekonzerns Shell kommen inzwischen für Schulungen zu ihm.

Wüstenwinde mit 40 bis 50 Knoten

Auch für erfahrene Seeleute ist es kein Leichtes, einen 400 Meter langen Stahlriesen bei Strömung und Seitenwind durch eine schmale Schifffahrtsrinne zu steuern. Der Wüstenwind kann hier mit stürmischen 40 oder 50 Knoten pro Stunde über den Kanal fegen und ein haushohes Schiff in einen „Ballon“ verwandeln, wie Roshdy sagt.

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Die eingeklappte El-Ferdan-Brücke am Suezkanal macht Platz für ein riesiges Containerschiff samt Lotsenboot.

„Ein Schiff ist nicht wie ein Auto. Wenn du die Steuerung verlierst, weißt du nicht, wo es hintreiben wird.“ Doch um den Suezkanal führen in der Schifffahrt nicht viele Wege herum – jedenfalls nicht für einen aus Saudi-Arabien oder dem Irak kommenden Öltanker, der unter engem Zeitplan die Niederlande, Italien oder die USA ansteuert.

Suezkanal verkürzt den Seeweg von Europa nach Indien

Den Seeweg von Europa nach Indien verkürzt der Kanal um etwa 7000 Kilometer, der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung (Südafrika) könnte ein Schiff bei 16 Knoten (etwa 30 Kilometern pro Stunde) fast drei weitere Wochen kosten. Im eng getakteten Welthandel ist das eine Ewigkeit.

Die enorme Zeitersparnis entzückt Händler, Schiffsleute und Politiker schon vor 150 Jahren, als der Bau am 17. November 1869 mit großem Pomp eröffnet wird. 5000 prominente Gäste aus aller Welt reisen an, um das damals größte Projekt des maritimen Weltverkehrs zu bestaunen.

Sie feiern bei Feuerwerk und einem Festball, denn Erbauer Ferdinand de Lesseps, ein französischer Diplomat, war in dem kargen Land eine technische Meisterleistung gelungen.

Der Bau des Suezkanals forderte viele Opfer

Dass Zehntausende ägyptische Zwangsarbeiter unter brutalen Bedingungen schuften mussten und Tausende beim Bau ums Leben kamen, wird heute selten erwähnt.

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18.000 Schiffe durchquerten 2018 den Suezkanal.

Die Fertigstellung markierte ein dunkles Kapitel im britischen Imperialismus. Ägypten hatte sich beim Bau und mit anderen Projekten hoch verschuldet. Auch als Folge von erpresserischen Kreditzinssätzen – und sackte ab in die finanzielle Abhängigkeit der Europäer. 1875 war das Land bankrott.

Verstaatlichung des Suezkanals löste Krise aus

Das Vereinigte Königreich, dessen Banken nun einen Großteil der ägyptischen Staatseinnahmen kontrollierten, baute seinen Einfluss im Nahen Osten damit aus und sicherte den wichtigen Seehandelsweg nach Indien. Die Abneigung gegenüber den Briten, die Ägypten 1914 zum Protektorat erklärten, ist mitunter bis heute spürbar.

Zwölf Jahre vor Ablauf der Konzession ließ Präsident Nasser 1956 den Suezkanal verstaatlichen – und löste damit die sogenannte Suezkrise aus, bei der Großbritannien, Frankreich und Israel versuchten, Nasser zu stürzen. Auf Drängen der USA und mithilfe der Vereinten Nationen konnte dies allerdings verhindert und der Konflikt beigelegt werden.

Suez oder Sues?

Ausgehend vom arabischen Namen der ägyptischen Stadt ist tatsächlich Sues korrekt. Die aber viel häufiger anzutreffende Schreibweise Suez entspricht der englischen und der französischen Transkription.

Die Lage der Wasserstraße

Der Schifffahrtskanal liegt in Ägypten zwischen den Hafenstädten Port Said und Port Taufiq bei Suez. Er verbindet das Mittelmeer über die Landenge (Isthmus von Suez) mit dem Roten Meer. Der Kanal ist Teil der maritimen Seidenstraße und bildet die Grenze zwischen Afrika und Asien.

2015 wurde ein neuer, parallel zum existierenden Kanal verlaufender, rund 37 Kilometer langer Kanalabschnitt eröffnet, der die bisherige Strecke begradigt und dadurch (für eine Fahrtrichtung) verkürzt. Schleusen gibt es im Suezkanal nicht, da kein Höhenunterschied überwunden werden muss.

Der Kanal kann von allen Schiffen (Handels- und Kriegsschiffen) aller Staaten zu allen Zeiten (Friedens- und Kriegszeiten) zu gleichen Bedingungen benutzt werden. Das regelt die Konvention von Konstantinopel von 1888. Für Kriegsschiffe kriegführender Staaten gelten jedoch Einschränkungen, zum Beispiel eine Durchfahrt ohne Halt und Versorgung.

Die Brücken

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Ein Hasenkopf-Kugelfisch.

Es gibt 14 Fährverbindungen (mit 36 Fährschiffen, Auto- und Personenfähren) über den Suezkanal, zwei Brücken, einen Tunnel und diverse Leitungsquerungen. Das große Foto zeigt die El-Ferdan-Brücke zwölf Kilometer nördlich von Ismailia.

Sie ist mit 340 Metern übrigens die längste Drehbrücke der Welt, über sie können auch Eisenbahnen fahren.

Die Breite heute

Im Norden ist der Suezkanal mittlerweile 345 Meter breit. Im Süden liegen die entsprechenden Maße bei 280 Metern. Auf dem Grund des Kanals liegt die Breite zwischen 195 und 215 Metern.

Die Fahrrinne hat eine Breite von 180 Metern. Als der Kanal 1869 eröffnet wurde, war er nur 22 Meter breit und acht Meter tief.

Die großen Schiffe

Derzeit sind es 50 Schiffe pro Tag, die den Suezkanal durchqueren. 18.000 Schiffe waren es 2018 insgesamt. Nach Angaben der Suez Canal Authority können alle üblichen Handelsschiffe unbeladen passieren.

Voll beladen schaffen das 63 % der Tanker, 97 % der Massengutfrachter und 100 % der Containerschiffe. Schiffe, die zu groß für den Suezkanal sind, nennt man Capesize. Seit dem Ausbau des Kanals betrifft das nur noch Schiffe, deren Tiefgang höher ist als 20,1 Meter.

Exotische Einwanderer

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Der Suezkanal wurde immer wieder erweitert um ihn für Frachtschiffe attraktiver zu machen.

Das Foto oben zeigt einen Hasenkopf-Kugelfisch. Der stammt aus den Tropen, ist aber mittlerweile im Mittelmeer zu finden – er hat den Sprung durch den Suezkanal geschafft. Er ist hochgiftig, wenn man ihn falsch zubereitet isst.

Auch durch den Kanal eingewandert ist der Indische Rotfeuerfisch. Er bedroht zum Beispiel die heimische Artenvielfalt vor Zypern. Die klimabedingte Erwärmung des Mittelmeers und die Erweiterung des Suezkanals haben seine Ausbreitung möglich gemacht.

Alte Idee, neu aufgewärmt

Die Idee des Kanals ist älter als 150 Jahre. Schon die alten Ägypter erkannten den Nutzen einer solche Abkürzung. Sie legten den Bubastiskanal an, den Vorläufer des Suezkanals (hatte einen anderen Verlauf).

Diese Wasserstraße versandete immer wieder, im 8. Jahrhundert war sie dann unbrauchbar. Um 1500 kam die Idee bei den Venezianern wieder auf, auch Napoleon Bonaparte interessierte das Projekt. Realisiert wurde es dann aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Franzosen.

Die Sache mit der Sicherheit

Für den Erfolg des Suezkanals entscheidend ist die Frage der Sicherheit. Nicht im Kanal selbst, sondern davor bzw. danach. Die Überfälle von Piraten vor Somalia haben dem Kanal geschadet. Sorgen bereitet Transportfirmen auch die Situation auf dem Sinai.

Die immer wieder von Krisen geschüttelten Region befinde sich nur etwa 150 Kilometer östlich des Suezkanals. Derzeit ist es in der Region ruhiger geworden, ändert sich das, reagieren die Reedereien schnell und leiten Schiffe um.

Die Menge der Güter steigt

Die Zahl der Schiffe, die täglich durchfahren, schwankt seit Jahrzehnten zwischen 40 und 60. Aber: Die Menge an Gütern steigt.

1975 wurden täglich etwa 680.000 Kubikmeter Ladung durch den Kanal befördert, 1995 waren es 2,8 Mio Kubikmeter und 2015 etwa 7,8 Mio Kubikmeter. Im August 2019 durchfuhr die „MSC Gülsün“, das derzeit weltgrößte Containerschiff, erstmals den Suezkanal.

Der Ausbau: Jetzt auch zweispurig

Durch Erweiterungen – zuletzt 2015 ein zweispuriger Ausbau – soll der Kanal für Frachter und Container-Riesen attraktiv bleiben. Im August verkündete die Kanalbehörde einen Rekordumsatz von 5,9 Mrd Dollar (5,37 Mrd Euro), im Februar wurde die höchste Tages-Tonnage seit 150 Jahren gemeldet.

Trotz Jubelmeldungen wirkt das Ziel, den Umsatz bis 2023 zu verdoppeln, wie eine Seefahrermär. Kritiker werfen Präsident Al-Sisi Staatsgeldverschwendung mit der Erweiterung vor. (dpa/mjs)