„Kriminelle Clown sitzt auf Thron“Springsteen nutzt Schalke-Konzert zur Abrechnung mit Trump

Bruce Springsteen steht mit Gitarre auf der Bühne.

Bruce Springsteen rockte mit seiner E Street Band am Freitagabend (27. Juni 2025) Gelsenkirchen. Das Foto wurde in Berlin gemacht, da auf Schalke aktuelle Bilder untersagt waren.

Das letzte seiner Deutschland-Konzerte gibt Bruce Springsteen in Gelsenkirchen. Die dreistündige Show gerät zur knallharten Abrechnung mit der US-Regierung und zur mitreißenden Rock-Party.

von Marcel Schwamborn  (msw)

„Das Haus steht in Flammen“, beklagt Bruce Springsteen (75) und fleht den „Rainmaker“ an: „Gib uns etwas Zuversicht“. Gemeint ist seine Heimat Amerika, in der „gefährliche Zeiten“ herrschen.

Sein letztes Deutschland-Konzert am Freitagabend (27. Juni 2025) in Gelsenkirchen nutzt der „Boss“ noch einmal zur Generalabrechnung und Kampfansage gegen die US-Regierung vor 51.000 Fans.

Bruce Springsteen klagt bei seinem Konzert die US-Regierung an

„Das Amerika, das ich liebe, das Amerika, über das ich für euch gesungen habe, das seit 250 Jahren ein Leuchtfeuer der Hoffnung und der Freiheit ist, befindet sich derzeit in den Händen einer korrupten, inkompetenten und verlogenen Regierung“, klagt er gleich zu Beginn.

Aus dem Zweitliga-Stadion wird eine erstklassige politische Protestbühne. „Heute Abend bitten wir alle, die an die Demokratie und an das Beste unseres amerikanischen Experiments glauben, mit uns aufzustehen, ihre Stimme zu erheben und Stellung gegen Autoritarismus zu beziehen und die Freiheit erklingen zu lassen“.

Hervorragende Musik mit Haltung zu präsentieren, dafür steht die Rock-Ikone. Springsteen nutzt seine Popularität, um sich gegen die politischen Verhältnisse in seiner Heimat zu stemmen und macht aus dem dreistündigen Konzert eine Mischung aus Protest, Predigt und Party.

„There’s a war outside still raging“ (Draußen herrscht noch immer Krieg) heißt es im Auftaktsong „No Surrender“. Das Stück stammt bereits aus dem Jahr 1984, ist aber aktueller denn. Oben auf der Bühne weht rechts die US-Fahne, links die deutsche.

Während des Konzerts von Bruce Springsteen läuft Text über die Großbildleinwand.

Die Ansprachen von Bruce Springsteen wurden mit Untertiteln übersetzt, damit die deutlichen Botschaften auch bei allen Fans ankamen.

„Land Of Hope And Dreams“ (Land der Hoffnung und Träume) heißt die aktuelle Tour. Und auch ohne den Namen Trump einmal zu erwähnen, ist klar, um wen es geht, wenn er in „House Of A Thousand Guitars“ singt: „Der kriminelle Clown sitzt auf dem Thron.“

Vor „Long Walk Home“ fordert er das Publikum auf, für sein Land zu beten. Danach ruft er das Volk zum Widerstand auf. „Die letzte Kontrolle der Macht, nachdem die unerlässlichen Kontrollen und Gegengewichte der Regierung versagt haben, sind die Menschen. Wir müssen uns in Amerika organisieren, daheim, am Arbeitsplatz und friedlich auf der Straße. Letzten Endes haben wir nur einander.“

Die Ansagen sowie einige Songs werden mit deutschen Untertiteln auf den drei Leinwänden begleitet, damit die Botschaften auch korrekt ankommen. Vor „My City of Ruins“, das Springsteen auf der Trauerfeier nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 angestimmt hat, hält er eine besonders lange Ansprache.

Die Wutrede von Bruce Springsteen in Gelsenkirchen im Wortlaut

  1. Ich habe immer versucht, ein guter Botschafter für Amerika zu sein. Ich habe mein Leben damit verbracht, darüber zu singen, wo wir erfolgreich waren und wo wir bei der Verwirklichung unserer staatsbürgerlichen Ideale und Träume versagt haben. Aber gerade geschehen Dinge, die das Wesen der Demokratie in unserem Land verändern und die zu wichtig sind, um sie zu ignorieren.
  2. Unsere Heimaten haben jeweils ihre eigenen Probleme. Deshalb möchte ich Ihnen zunächst für Ihre Nachsicht danken. Aber in Amerika, meiner Heimat, werden Menschen verfolgt, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen und ihre abweichende Meinung äußern. Dies geschieht JETZT. In Amerika finden die reichsten Männer Gefallen daran, die ärmsten Kinder der Welt in Krankheit und Tod zurückzulassen. Dies geschieht JETZT.
  3. In meinem Land haben sie ein sadistisches Vergnügen an dem Schmerz, den sie den loyalen amerikanischen Arbeitern zufügen. Sie sind dabei, historische Bürgerrechtsgesetze rückgängig zu machen. Sie lassen unsere großartigen Verbündeten im Stich und stellen sich auf die Seite von Diktatoren gegen diejenigen, die für ihre Freiheit kämpfen. Sie streichen die Mittel für amerikanische Universitäten, die sich ihren ideologischen Forderungen nicht beugen. Sie entfernen Einwohner von den amerikanischen Straßen und deportieren sie ohne rechtsstaatliche Verfahren in ausländische Haftanstalten und Gefängnisse. Das alles passiert JETZT.
  4. Die Mehrheit unserer gewählten Vertreter hat völlig versagt, wenn es darum geht, das amerikanische Volk vor dem Missbrauch durch einen unfähigen Präsidenten und eine Schurkenregierung zu schützen. Sie haben kein Interesse oder keine Vorstellung davon, was es bedeutet, zutiefst amerikanisch zu sein.
  5. Das Amerika, das ich Ihnen seit 50 Jahren vorschwärme, gibt es wirklich, und ungeachtet seiner vielen Fehler ist es ein großartiges Land mit großartigen Menschen. Wir werden diese Zeit überleben. Ich habe Hoffnung, weil ich an die Wahrheit dessen glaube, was der große amerikanische Schriftsteller James Baldwin sagte: „In dieser Welt gibt es nicht so viel Menschlichkeit, wie man sich wünschen würde, aber es gibt genug“.

In seinem olivfarbenen Hemd mit Krawatte und Weste sieht Springsteen aus wie ein Arbeiterführer in den 1940er Jahren. Und was er bei den 28 Songs abliefert, ist das Produkt erstklassiger Arbeit. Die E Street Band und die weiteren Musikerinnen und Musiker – insgesamt stehen 17 Personen auf der Bühne – erzeugen eine phänomenale Wucht.

Dabei fehlt sogar eine ganz wichtige Figur. Gitarrist Steven Van Zandt musste zwischen den beiden Konzerten in San Sebastián mit Magenschmerzen in die Klinik. Dort wurde eine Blinddarmentzündung diagnostiziert, die sofort operiert wurde. Der 74-Jährige, der als Little Steven bekannt ist, muss nun vorerst pausieren. Nils Lofgren (74) übernimmt einige Aufgaben, setzt selbst bei „Youngstown“ und „Because the Night“ zu beeindruckenden Soli an.

Der Star des Abends hält immer wieder Blickkontakt zu Schlagzeuger Max Weinberg (74), zählt immer wieder die Titel mit dem typischen „One, two, three, four“ an, verschenkt seine Mundharmonika und Plektren an die jüngsten Fans. Auffällig, wie viele Eltern ihre Kinder mitgenommen haben, um die Kraft des Rock ‚n‘ Roll weiterzugeben. „Mein erstes Konzert“, steht auf dem Pappschild eines Jungen, dazu reckt er die Hand zur Pommesgabel in die Luft.

Das letzte Drittel des Abends dient der ausgelassenen Party. Springsteen feuert Hit auf Hit ab. Im ausflippenden Stadion bekommen viele gar nicht mit, dass im Innenraum Fans behandelt werden, weil sie von einem herabstürzenden Metallteil getroffen werden.

Das Geschehen auf der Bühne elektrisiert viel zu sehr. Bei „Tenth Avenue Freeze-Out“ erscheinen verstorbene Bandmitglieder auf der Leinwand. Auch ohne Pyrotechnik und ohne Showeffekte zieht das Gitarrengewitter und das musikalische Können, wie von Saxofonist Jake Clemons, alle in den Bann. Zum Finale covert der Boss Bob Dylans „Chimes of Freedom“ (Glocken der Freiheit) – eine weitere Protesthymne aus dem Jahr 1964.