Missbrauch Bergisch GladbachAbgründe vor Gericht – Freunde setzen deutliches Zeichen

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Der Angeklagte (r) im Prozess wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, hier am 17. August vor dem Kölner Landgericht.

Köln/Bergisch Gladbach – Der Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach, er nimmt immer erschreckendere Ausmaße an. Ende Juni teilte der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach mit, die Ermittler hätten Tarnnamen und Spuren von über 30.000 Tätern gefunden. Biesenbach sprach von einer „neuen Dimension des Tatgeschehens“ angesichts dessen ihm „speiübel geworden“ sei.

Ein besonders erschütternder Fall ist der von Jörg L. (43), der seit August vor dem Kölner Landgericht verhandelt wird. Der 43-Jährige soll unter anderem seine 2017 geborene Tochter missbraucht haben.

Eine Hausdurchsuchung im Herbst 2019 bei dem Mann brachte die Ermittlungen ins Rollen, die sich mittlerweile über das gesamte Bundesgebiet erstrecken.

Abgründe im Missbrauchsprozess Bergisch Gladbach

Wie tief die Abgründe sind, die jetzt ans Licht gezerrt werden, konnte man am sechsten Prozesstag vor dem Kölner Landgericht hautnah miterleben. An diesem Donnerstag sagten erstmals alte Freunde und Bekannte des Angeklagten vor Gericht aus.

Es sind Personen, die Jörg L. teilweise seit 25 Jahren kennen, wie sein bester Freund und enger Vertrauter Igor W. oder seine gute Bekannte Sarah E., wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet. Doch sie alle sagen übereinstimmend, dass sie von dem Doppelleben von Jörg L. bis zum Schluss nichts geahnt hätten.

Vor Gericht betonen seine Lebensgefährten seinen Fleiß, seine Hilfsbereitschaft, seinen liebevollen Umgang mit seiner Frau und der Tochter. Als sie von dem mutmaßlichen Missbrauch seiner zweijährigen Tochter und den menschenverachtenden Chats mit anderen pädokriminellen Männern erfuhren, waren sie zutiefst geschockt. Auch für sie brach eine Welt zusammen.

Freunde wenden sich vor Gericht vom Angeklagten ab

Vor Gericht setzten die alten Freunde ein deutliches Zeichen: Sie alle wandten sich einer nach dem anderen von dem Angeklagten ab. Jörg L. ist für sie gestorben, der Mann auf der Anklagebank, sie kennen ihn nicht mehr.

Sein damaliger bester Freund, Igor W., antwortet gibt die unmissverständliche Antwort auf die Frage, ob er den Angeklagten im Gefängnis besuchen wolle. „Nein, ich habe nicht das Bedürfnis“, antwortet er. „Ich trauere um die Freundschaft mit der Person, die ich kannte. Ich habe Wut wegen der Scheiße, die er gebaut hat.“

Sarah E., eine langjährige gute Bekannte von Jörg L., erfuhr von der Ehefrau des Angeklagten von den Tatvorwürfen. Auch sie ahnte nichts. „Ich bin noch nie von jemandem so ge- und enttäuscht worden. Ich habe da echt mit zu kämpfen“, zitiert sie der „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Es ist eine Parallelwelt, die sich Jörg L. aufgebaut hat und an der er vermutlich Jahre akribisch festgehalten hat. Wie schmerzhaft die Zerstörung dieses Lügengebildes auch für ihn ist, merkte man vor Gericht. Auch er brach während der Verhandlung mehrfach in Tränen aus. (jv)