Es ist eine Gratwanderung: Das NRW-Forum in DĂŒsseldorf lĂ€dt ein zu einer Ausstellung ĂŒber die ganze KomplexitĂ€t der SexualitĂ€t. Jugendfrei ist die Schau nicht.
Zutritt ab 18!Lust, Fetisch und Porno â Sex-Ausstellung in DĂŒsseldorf

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Ein Plakat weist auf die Ausstellung âSex Nowâ im NRW Forum hin.Â
Es geht zur Sache in DĂŒsseldorf. Lust, Fetisch und Porno â das NRW-Forum lĂ€dt mit der Ausstellung âSex Nowâ dazu ein, âLust, Körper und Begehren in all ihrer KomplexitĂ€t zu entdecken. Ab dem 5. September prĂ€sentiert die Schau sexualisierte Kunstwerke, virtuelle Stimulatoren, feministische Porno-Filme, App-gesteuerte Hightech-Sextoys â und getragene Socken.
So brisant ist die Gratwanderung zwischen Kunst und Porno, dass das NRW-Forum bei einigen Arbeiten im Austausch mit Polizei und Staatsanwaltschaft stand, um zu klĂ€ren, was als pornografisch oder kĂŒnstlerisch gilt. Das Resultat: Rund einen Monat vor dem Start legte das Haus fest, dass die gesamte Schau erst ab 18 Jahren freigegeben wird. âSex Nowâ zeige âkĂŒnstlerische Arbeiten mit expliziten sexuellen Inhaltenâ, begrĂŒndete das NRW-Forum den besonderen Jugendschutz.
Sex durchdringt die ganze Kunstgeschichte
Das NRW-Forum hat sich seit einigen Jahren der Pop- und Digitalkultur verschrieben und erregte mit Ausstellungen etwa zu âSuperheldenâ aus Comics und Filmen Aufsehen. Nun sei es mal wieder an der Zeit, eine Schau ĂŒber Sex zu machen, fand der kĂŒnstlerische Leiter Alain Bieber.
âOhne Sex wĂ€ren wir alle nicht auf der Weltâ, sagt er. âSex durchdringt auch die ganze Kunst- und Designgeschichte.â Und SexualitĂ€t sei auch politisch. Weltweit gerieten die sexuelle Freiheit und AufklĂ€rung derzeit unter Druck. DiversitĂ€tsprogramme wĂŒrden zurĂŒckgefahren, und es werde auch in Deutschland die Debatte gefĂŒhrt, ob Regenbogenfahnen gehisst werden sollten oder nicht.
Sogar das Personal aus der Abteilung kulturelle Bildung und AufsichtskrĂ€fte wurden fĂŒr die Sex-Ausstellung geschult, denn es wĂŒrden auch politisch und gesellschaftlich umstrittene Themen angesprochen, sagt Bieber. Es sei wichtig, alle Mitarbeitenden mitzunehmen, denn man merke relativ schnell, wie offen jemand sei fĂŒr das Thema Sex. Es habe aber schon bei der Vorbereitung auch lustige Reaktionen gegeben von Kollegen, âdie sich gewundert haben, warum da plötzlich so 20 Sextoys rumliegenâ.
Von Beate Uhse bis zum virtuellen Sex-Simulator
Die Schau leuchtet viele Dimensionen der SexualitĂ€t aus: Dazu gehört die sexuelle Revolution der 1968er Jahre mit einem Sexualkunde-Atlas von 1969, einem Beate-Uhse-Katalog oder dem âSchulmĂ€dchenreportâ, aber auch âFleshie Fountainâ, eine aktuelle Installation der KĂŒnstlerin Peaches. UrsprĂŒnglich fĂŒr mĂ€nnliche Selbstbefriedigung konzipierte Sextoys aus Silikon werden zu autonomen Wesen, die einander befriedigen.
In einem digitalen Spiel mit VR-Brillen können Besucher und Besucherinnen unterschiedliche Körper annehmen, Geschlechtsmerkmale selbst gestalten und erotische Beziehungen miteinander eingehen â das gegenseitige EinverstĂ€ndnis vorausgesetzt. Den Sex- und Liebessimulator im virtuellen Raum hat die 3D-KĂŒnstlerin Miyö van Stenis entwickelt.
An interaktiven Stationen können Kenntnisse zu Mythen und Fakten rund um Sex getestet werden. Das âSexoscopeâ stellt Prognosen zur Zukunft von SexualitĂ€t auf. Neben erotischen Skulpturen und Accessoires werden auch KleidungsstĂŒcke einer Fetisch-Online-Plattform ausgestellt: getragene Socken oder UnterwĂ€sche mit RĂŒckstĂ€nden von KörperflĂŒssigkeiten.
Es geht auch um AufklÀrung
Um AufklĂ€rung geht es auch: Ein Kunstkollektiv hat Genitalmodelle aus buntem Stoff und Glitzer geschaffen, die zusammengesetzt werden können. Bei Themen der SexualitĂ€t seien AufklĂ€rung und Wissen generell wichtig, damit es nicht zu MissverstĂ€ndnissen komme, sagt Kurator Bieber. Gerade auch bei jĂŒngeren Menschen herrsche viel Unwissenheit.
Das NRW-Forum wolle RĂ€ume öffnen âfĂŒr GesprĂ€che, die sonst selten gefĂŒhrt werdenâ. Queere IdentitĂ€ten, weibliche Lust, Pornografie und MachtverhĂ€ltnisse wĂŒrden thematisiert. Es geht auch um Politik: Das Kapitel #MeToo versammelt kĂŒnstlerische Positionen zu Gewalt, Machtmissbrauch und sexuellen Ăbergriffen.
âDer Traum der Fischersfrauâ
Sex ist schon jahrhundertelang auch Teil der Kunst. Als Beispiel dient die Replik des GemĂ€ldes âDer Traum der Fischersfrauâ des berĂŒhmten japanischen KĂŒnstlers Hokusai (1760â1849), das der erotischen japanischen Kunstform Shunga zuzuordnen ist. Es zeigt eine nackte Frau, die sich von zwei Tintenfischen befriedigen lĂ€sst. Das Bild provoziere und schocke heute noch genauso wie vor 200 Jahren, so Bieber.
Heutzutage ist Sex auch ein Thema fĂŒr Designer. So habe ein Startup aus Köln Reitkissen entwickelt. Das Unternehmen sei mit einem Preis des NRW-Wirtschaftsministeriums ausgezeichnet worden. âDas ist auch in der Mitte der Gesellschaft angekommenâ, sagt Bieber.
Porno-Kino und Erotik-Plattform
Auch ein kleines Porno-Kino gehört zur Ausstellung â gezeigt werden Filme feministischer Porno-Produzentinnen wie Erika Lust und Paulita Pappel. Die Filme wĂŒrden zusammengeschnitten, âso dass es nicht so explizit istâ, sagt Bieber. âSex Nowâ will mit einer betont weiblichen Perspektive auf SexualitĂ€t auch patriarchalen Strukturen entgegenwirken, die die kommerzielle Pornografie und das Bild von Lust prĂ€gen.
Begleitend zur Ausstellung startet das NRW-Forum auch noch einen eigenen Account auf der Erotikplattform âOnlyfansâ. Dort sollen Einblicke hinter die Kulissen und eine Auswahl der Werke unzensiert geteilt werden.
âWas bedeutet sexuelle Selbstbestimmung heute? Wer bestimmt, was begehrenswert ist? Wie verĂ€ndern Technologien unser VerhĂ€ltnis und VerstĂ€ndnis von NĂ€he?â Diese Fragen stelle âSex Nowâ, sagt Bieber. âUnd hoffentlich kommen die Leute aufgeklĂ€rter aus der Ausstellung.â