Kasse muss zahlenZwangsprostituierte trug Tattoo ihrer Peiniger – jetzt kann es weg

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Die "heiligen Zwei" auf der Anklagebank: Mohamed A. (links) und Dennis B. hatten Frauen zur Prostitution gezwungen.

von Michael Kerst (mik)

Düsseldorf – Sie war Opfer des "Huren-Gurus" Mohamed A. (30), wurde von ihm und seinem Kumpel Dennis B. (26) zur Prostitution gezwungen.

Und sie sollte von den beiden, die sich "Die heiligen Zwei" nannten, für ihr Leben gezeichnet werden - mit einem Tattoo. Doch das kann sich eine 30-jährige Düsseldorferin jetzt entfernen lassen - und zwar auf Kosten der Krankenkasse.

Gericht macht große Ausnahme

Die Entscheidung des Sozialgerichtes Düsseldorf (Az. S 27 KR 717/16) ist spektakulär: Die Entfernung der Tätowierung sei "ausnahmsweise eine Krankenbehandlung".

Aus Liebe zu dem Kölner Mohamed A. war die 30-Jährige zur Prostituierten geworden. Und der überzeugte sie und andere Frauen, dass er über außergewöhnliche Gaben und Kräfte verfüge, dass er ein Heiliger, ein Guru sei.

Um die Verbundenheit zu ihrem "Meister" zu dokumentieren, musste sich die Frau ein Tattoo am Hals stechen lassen: die Initialen der Vornamen beider Täter und die Abkürzung "DH2" (für "die heiligen Zwei").

Kosten von 2690 Euro

Nachdem die Frau von der Polizei aus der Zwangsprostitution befreit worden war, wollte sie das große Tattoo loswerden und beantragte bei der Krankenkasse die Übernahme der Kosten für diese Behandlung. Ein Kostenvoranschlag hatte 20 Sitzungen mit Gesamtkosten von 2690 Euro enthalten. Die Krankenkasse lehnte ab: Die Entfernung einer Tätowierung sei keine Krankenbehandlung.

Doch die 27. Kammer des Sozialgerichtes Düsseldorf sah das anders: Es handele sich bei der Entfernung der Tätowierung ausnahmsweise um eine Krankenbehandlung. Denn die Tätowierung wirke entstellend und es drohe die Gefahr eines Rückzugs aus dem sozialen Leben.

Tattoo am Hals groß und auffällig

Schon bei flüchtiger Betrachtung - so das Gericht - falle die Tätowierung aufgrund ihrer Größe und Lage am Hals auf und wecke Aufmerksamkeit und Neugier. Sie könne Nachfragen von unbekannten Passanten auslösen. Die Klägerin könne als Opfer von Zwangsprostitution erkannt werden - zumal über den Fall ausführlich in den Medien berichtet worden sei.

Ohne die Entfernung des Tattoos sei die Heilungsprognose der bei der Klägerin bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung erheblich schlechter.

Die Situation sei deshalb nicht mit einer Tätowierung vergleichbar, die aus freien Stücken gestochen wurde und später schlichtweg nicht mehr gefalle.

Das Urteil ist rechtskräftig.

(exfo)