Sammy Amara, Sänger der Broilers, hat mit uns über das größte anstehende Konzert im Düsseldorfer Stadion, über Alltagsrassismus und Roland Kaiser gesprochen. Und darüber, was Düsseldorf besser macht als Köln – und umgekehrt.
„Da kann man neidisch rüberblicken“Broilers-Frontmann (aus Düsseldorf) mit Lob über Köln

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Sammy Amara, Sänger der Broilers, liegt die Schwermut, erzählt er im großen EXPRESS-Interview.
von Laura Schmidl
Die Broilers sind eine der bekanntesten deutschen Punkbands und nach einer längeren Pause ab Juli 2026 wieder auf Tour (neben ihrem bis dato größten Konzert in Düsseldorf u. a. in Kassel, Münster, Bremen und weiteren Städten, Tickets unter broilers.de).
Frontmann Sammy Amara ist spätestens seit der VOX-Show „Sing meinen Song“ einem breiten Publikum bekannt. EXPRESS.de hat mit dem Sänger gesprochen.
Sammy Amara: „Es wäre schön, wenn alle Menschen gleich behandelt würden“
Mit den Broilers spielen Sie am 11. Juli 2026 ein Stadionkonzert, den „Ultrabowl“ vor 45.000 Leuten. Es ist bereits ausverkauft. Kriegt man beim Gedanken daran weiche Knie?
Sammy Amara: Das ist alles noch sehr unwirklich und die 45.000 waren immer nur eine Zahl. Jetzt waren wir kürzlich in dem leeren Stadion, weil wir etwas gedreht haben. Und da wurde uns bewusst: Fuck, das ist schon eine echt große Schüssel. Ich hoffe, dass wir es schaffen, das in einem Jahr verhältnismäßig entspannt genießen zu können.
Viele Künstler sagen, Konzerte vor einem kleinen Publikum sind schwieriger, weil sie persönlicher sind. Wie ist das bei Ihnen?
Sammy Amara: Ich würde sagen, große und kleine Konzerte ähneln sich dennoch. Bei einem großen Publikum musst du alle erreichen. Du brauchst diese großen Gesten, damit auch der letzte ganz hinten etwas sieht. Und ich sehe die Leute ganz vorne ja trotzdem, gucke ihnen ins Gesicht. Das ist total wichtig, weil sie ein Gradmesser sind: Wie kommt das gerade an? War der Spruch lustig? Versinge ich mich mal wieder? Dann helfen sie mir.
Ihr Vater kam aus dem Irak hierher, Sie sind in Deutschland geboren. Sehen Sie sich als jemand mit Migrationsgeschichte?
Sammy Amara: Das wurde mir beigebracht, ich habe das nie so gesehen. Ich habe als Kind irgendwie gemerkt, dass irgendetwas anders sein muss, weil ich anders behandelt wurde. Nicht von meinen Freundinnen und Freunden, sondern von vielen Erwachsenen. Das hat mich gestört und es wäre mir am liebsten gewesen – und ist es immer noch – wenn sich alle Menschen einfach gleich behandeln würden und nach Taten bewertet würden. Aber das ist nun mal nicht so.
Wie sieht das heute aus?
Sammy Amara: So ein Spruch wie „Sie sprechen aber gutes Deutsch“ – das ist einer der schlimmsten Sprüche, der von der Person gar nicht böse gemeint ist. Aber er zeigt, dass man, egal wie sehr man sich anstrengt, nie voll dazu gehören wird. Egal, ob ich hier geboren bin, meine Mama Deutsche ist, ob ich hier studiert habe.
Macht Ihnen dadurch die Beliebtheit der AfD besonders Sorgen?
Sammy Amara: Auf jeden Fall. Mich und Menschen, die aussehen wie ich, trifft es durchaus und es ist traurig zu hören, dass gesetzte Unternehmerinnen und Unternehmer überlegen, wo sie hingehen, wenn die Kacke explodiert. Das ist schlimm.
Die deutsche Punkszene ist ja doch eher homogen. Hatten die Broilers jemals eine Art Ausnahmerolle?
Sammy Amara: Es war keine bewusste Entscheidung im Sinne von: „Okay, ich habe eine Migrationsgeschichte und muss deswegen in der Punkszene stattfinden“. Was es aber war, war, dass ich durch die Punkszene und die Oi-Skinheadszene, also antifaschistische Skinheads, mir eine Deutungshoheit zurückgeholt habe. Ähnlich wie bei meinen Tattoos: Hier, da habt ihr etwas, worüber ihr urteilen könnt. Das Bild habe ich selbst gezeichnet und ich bin bereit, das auszubaden. Ich habe diese Außenseiterposition bewusst gewählt – weil das andere, das Rassistische, hat mich in gewissen Kreisen zum Außenseiter gemacht, obwohl ich nichts dafür kann – das ist einfach nur Geburten-Lotterie.
„Vielleicht sollte man Internetführerschein einführen“
Schlägt Ihnen viel Hass entgegen, weil Sie sich in Ihren Texten gegen Rechtsextremismus positionieren?
Sammy Amara: Über Social Media! Das sind dunkle Orte. Je nach Plattform ist es schlimmer. Wenn man den Leuten die Möglichkeit gibt, in Jogginghose auf ihrer Krümel-Tastatur Unsinn zu schreiben, und das anonym, dann machen die das. Man kann davon ausgehen, dass niemand einem solche Dinge ins Gesicht sagen würde. Vielleicht sollte man einen Internetführerschein mit Klarnamen machen müssen …
Wenn man die Band googelt, kommt als Vorschlag: „Sind die Broilers rechts?“...
Sammy Amara: Früher waren wir eine Oi!-Band mit Skinhead-Outfit, da kommt das wohl her. Der Otto-Normal-Bürger verknüpft Skinheads immer noch mit Rechtsradikalen, die Wurzeln der Szene liegen aber woanders. Ich bin froh, dass die erste Antwort auf die Frage bei Google lautet: Nein, die Broilers sind antirassistisch. Ich möchte mich nicht unpolitisch nennen, ich bin ein erwachsener Mann. Kinder können unpolitisch sein.
Sollten sich Musiker generell klar positionieren?
Sammy Amara: Ich finde es gut. Ich bin auch bereit, dadurch weniger Platten zu verkaufen. Wenn sich ein Künstler oder eine Künstlerin nicht positionieren will, weil der Umsatz dadurch sinken könnte – fair enough, ist aber nicht mein Konzept. Jemand wie Roland Kaiser ist politisch sehr klar positioniert und trotzdem erfolgreich in der Branche. Ich möchte mir nicht irgendwann sagen müssen, ich hätte nicht alles versucht.
Ihre Musik und Texte sind oft eher schwermütig – aber hoffnungsfroh. Spiegelt das Sie selbst wider?
Sammy Amara: Ja, die Schwermut liegt mir. Ich versuche, Lieder zu schreiben, die ich selbst gerne hören würde. Und ich mag melancholische Texte und ich mag auch Pathos, verpackt in eher traurigen Melodien. Mir hilft das, gewisse Sachen von der Seele zu schreiben. Es gelingt mir nicht so gut, fröhliche Lieder zu schreiben.

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Im Sommer 2026 geht die Band Broilers (hier 2017 bei Rock am Ring) auf große Open-Air-Tour und spielt auch das größte Konzert ihrer Geschichte.
Die Broilers sind seit letztem Jahr in „Pause“. Ist die vorüber?
Sammy Amara: Ich denke, wir werden Anfang nächsten Jahres anfangen, für die Shows zu proben. Ich beginne auch wieder zu schreiben, aber ich kann nie sagen, wann ein Album kommt.
Stand das Ende der Band im Raum?
Sammy Amara: Nein. Aber wir hatten das Gefühl, es ist jetzt erstmal alles erzählt, jedes Lied, auf das wir Bock hatten, live gespielt und ich muss als Songschreiber erstmal neue Dinge erleben, über die ich schreiben kann. Es ist für mich nichts, die ganze Zeit durchzuziehen. Ich finde es besser, zurückzutreten, um wieder Anlauf zu nehmen und Vollgas zu geben.
Wie haben Sie die Pause verbracht?
Sammy Amara: Ich habe aktiv prokrastiniert. Ich habe einen grünen Daumen entwickelt, zu Hause ein bisschen renoviert. So ähnlich wie zu Beginn der Corona-Zeit. Ich muss mich jetzt zusammenreißen, das Ärschchen hochzukriegen, um Songs zu schreiben.
Politischen Stoff gäbe es genug. Das letzte Album „Puro Amor“ ist von 2021 …
Sammy Amara: Es kommt auf jeden Fall wieder was. Ich würde das Ganze gerne machen, bis man mich von der Bühne putzen muss. Was die Themen betrifft, gibt es viel, aber es hat sich auch nicht viel verändert letztlich. Auf „Santa Muerte“ ist ein Song, in dem es heißt: „Ich war mir so sicher, und mein Freund – du warst es auch, dass der Geist von damals nie wiederkehrt“. Das Album ist 14 Jahre alt. Damals hatte Thilo Sarrazin sein Buch rausgebraucht. Da hatten wir uns nicht vorstellen können, womit wir es heute zu tun haben, was wieder sagbar geworden ist. Dass Menschen sich nicht mehr schämen zu sagen: Ich bin ein Rassist.
Sammy Amara: „Kölsch ist nicht das allerleckerste Bier“
Sie und die Broilers sind Düsseldorfer durch und durch. Wie stehen Sie zur Köln-Düsseldorfer-Städtefeindschaft?
Sammy Amara: Ich finde es unnötig. Ich muss aber auch sagen: Ich bin kein Fußballfan, mag Karneval nicht. Und wenn ich das jetzt mal so sagen darf, gäbe es zwei Dinge…
… ja?
Sammy Amara: … Kölsch ist nicht das allerleckerste Bier. Und Köln ist architektonisch, na ja … anders. Ich bin aber auch jederzeit bereit, mich von Köln überraschen zu lassen.
Was ist an Düsseldorf besser?
Sammy Amara: Ich mag, dass Düsseldorf kleiner ist. Köln ist auf einer größeren Fläche verteilt und man hat nicht diesen einen Ort, wo alles stattfindet. In Düsseldorf ist das mit der Altstadt, dem Hafenbereich, Königsallee etc. etwas einfacher gelöst. In Köln habt ihr aber für Konzerte diverser Größen die besseren Läden: Live Music Hall, Palladium, Luxor … das ist eine geile Szene und Community. Da kann man durchaus neidisch rüberblicken.
Sammy Amara: Die erste E-Gitarre gab's mit elf
Sammy Amara wurde am 22. Juni 1979 als erstes von zwei Kindern in Düsseldorf geboren und ist im Stadtteil Hellerhof aufgewachsen. Sein Vater war in den 1960er-Jahren aus dem Irak nach Deutschland gekommen und arbeitete als Augenarzt, seine Mutter als Sekretärin. Im Alter von elf Jahren bekam er eine E-Gitarre zu Weihnachten geschenkt. 1992 gründete er mit Andreas Brügge (Schlagzeug) die Band, die später Broilers hieß.
1997 erstes Album „Fackeln im Sturm“, 2011 goldene Schalplatte für das Album „Santa Muerte“. Zwei weitere Goldplatzierungen für „Noir“ und „(sic!)“. Amara hat 2013 sein Diplom in Kommunikationsdesign erlangt und arbeitet auch als Grafikdesigner, entwarf neben den Artworks für die z. B. T-Shirts für Die Toten Hosen. 2024 nahm er an der Vox-Show „Sing meinen Song“ teil.