150.000-Euro-Klage in BonnBundeswehr-Offizier schießt Ausbilder Auge aus

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Bei einer Übung zum Häuserkampf wurde der Soldat schwer verletzt, verlor ein Auge. Auf dem Symbolfoto üben Bundeswehrsoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) 2017 den Häuserkampf in Magdeburg.

Bonn – Vor dem Bonner Landgericht startet am Mittwoch, 28. Oktober, eine Prozess gegen das Bundesverteidigungsministerium, das in der Bundesstadt seinen ersten Dienstsitz hat. Ein Berufssoldat verklagt das Ministerium auf 150.000 Euro Schadensersatz. Bei einer Übung verlor er das rechte Auge.

Zwölf erfahrene Berufssoldaten hatten Ende Januar 2018 auf dem Truppenübungsplatz Lehnin in Brandenburg an einer exklusiven Weiterbildung teilgenommen.

Vor dem praktischen Einsatz im Gelände war mit den verschiedenen Sturmtrupps - alles erfahrene Schützen - der „infanteristische Kampf im urbanen Gelände“ an Modellen durchexerziert worden. Dennoch kam es bei einem Kampfszenerio um ein Gebäude zu einem fatalen Missverständnis.

Bundeswehrhauptmann kämpfte gegen imaginären Feind

Dabei wurde der Ausbilder und Sicherheitsoffizier, der den Kampf aus acht bis zehn Metern beobachtete, durch einen Schuss im Gesicht schwer verletzt. Der Unglücks-Schütze, ein erfahrener Offizier im Rang eines Hauptmanns, hatte gegen einen imaginären Feind gekämpft, als der Ausbilder just in seiner Schusslinie erschien.

Mit einem Hubschrauber musste der 39-jährige nach einer lebensrettenden Erstversorgung in die Charité nach Berlin gebracht werden. Sein rechtes Auge konnte nicht gerettet werden.

Ausbilder klagt auf 150.000 Euro Schmerzensgeld

Vor dem Bonner Landgericht hat der Hauptfeldwebel seinen Dienstherrn - das Bundesverteidigungsministerium mit Sitz in Bonn - auf 150.000 Euro Schmerzensgeld verklagt, wie Gerichtssprecher Tobias Gülich im Juli mitteilte. Neben dem kompletten Verlust des Auges hat der Kläger zudem einen Jochbein-Trümmerbruch, Abriss des Augapfels und Perforation des Nasenbeins erlitten.

Trotz zahlreicher Implantate kann er seinen Mund bis heute kaum mehr als 40 Prozent öffnen. Ob der 39-Jährige Unteroffizier, der seit 1999 in der Bundeswehr und seit 2005 Berufssoldat war, je wieder komplett dienstfähig sein wird, ist auch zwei Jahre nach der Tragödie noch offen.

Bundeswehrhauptmann soll Dienstvorschriften nicht eingehalten haben

Der Kläger ist überzeugt, dass der beklagte Schütze durch die Schussabgabe die Dienstvorschriften nicht eingehalten hat. Damit habe er sich eines vorsätzlichen Verstoßes schuldig gemacht. Denn in der Position, in der der Hauptmann beim Häuserkampf eingesetzt gewesen war, habe es weder „eine Berechtigung, Verpflichtung noch Notwendigkeit gegeben, einen Schuss abzugeben“. Im Gegenteil, es sei sogar ausdrücklich untersagt gewesen. 

Der verklagte Bund jedoch widerspricht. Die Schussabgabe sei keineswegs verbotswidrig gewesen. Vielmehr habe der 39-jährige Ausbilder einen Fehler begangen, als er ohne ausreichende Warnung in die Schusslinie des Schützen getreten sei, der das automatische Gewehr noch im Anschlag hatte. Ein angebliches Kommando, dass die Übung abgebrochen werden sollte, hatte dieser nicht gehört.

Bundeswehrhauptmann wird befördert

Ein Strafverfahren gegen den Hauptmann wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde bereits eingestellt; auch hat es kein disziplinarrechtliches Verfahren gegen den Schützen gegeben. In Gegenteil: Er wurde anschließend noch befördert. (ucs)