„Angst vor vielen Angriffen“Krise drängt Weiße Haie immer weiter in neue Gewässer

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Das vom spanischen Meeresforschungszentrum Alnitak zu Verfügung gestellte Foto zeigt 2018 einen Weißen Hai in der Nähe der Baleareninsel Cabrera, die erste Sichtung seit 30 Jahren. US-Forscher haben herausgefunden, dass Weiße Haie wegen der Klimaerwärmung in immer neue Gewässer gedrängt werden.

von Martin Gätke (mg)

Monterey – Die Erwärmung der Ozeane, sie erreichte 2020 ein Rekordniveau. Die Temperaturen stiegen schneller an als jemals zuvor in den letzten 2000 Jahren, vermuten Wissenschaftler. Das hat dramatische Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt, auch für den Weißen Hai. Denn die Klimakrise drängt die Tiere in völlig neue Gewässer.

  • Die Meere werden durch die Klimaerwärmung immer heißer
  • Vor allem junge Haie werden dadurch in neue Gewässer gedrängt und ziehen immer weiter nach Norden
  • Das hat dramatische Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem

Seit 2014 registrieren Forscher, dass sich die Jungtiere rund 600 Kilometer vor der kalifornischen Küste nach Norden in neue Gewässer bewegen. Diese waren zuvor schlicht einfach zu kalt für die Tiere, wegen der Klimaerwärmung aber erreichen die Meeresabschnitte auch für Haie erträgliche Temperaturen.

Das lässt sich auch an der Anzahl der von Haie getöteten Otter ausmachen: In der Bucht von Monterey, eigentlich zu kalt für Weiße Haie, stieg die Zahl um 86 Prozent, berichtet der britische „Guardian“.

Das Problem: Die Reichweite der regionalen Haie ist in ihrer Gesamtheit geschrumpft, da sehr viele Gebiete zu warm für die Tiere geworden sind, dadurch rücken die Raubtiere und ihre Beute zwangsläufig immer näher zusammen.

Da der Hai ganz oben in der Nahrungskette steht, stört sein „Umzug“ auch andere Fischpopulationen wie zum Beispiel Lachse. Hai bringen so das Ökosystem mit unvorhersehbaren Folgen durcheinander, befürchten Forscher. Zudem sorgen sich viele US-Amerikaner darum, dass auch die Begegnung der Haie mit Menschen zunehmen könnte – obwohl die Anzahl der Haiangriffe in den letzten Jahren stark gesunken ist.

Weiße Haie ziehen nach Norden: „Nur ein Vorbote von viel breiteren Mustern“

„Weiße Haie sind nicht nur eine ganz eigene Art, sie sind Spitzenprädatoren, deshalb sind alle Augen derzeit auf sie im Ozean gerichtet“, erklärt Kyle Van Houtan vom Monterey Bay Aquarium in Kalifornien. Spitzenprädatoren, so werden Fleischfresser genannt, die ganz oben auf der Nahrungspyramide stehen. Die Verschiebung der Lebensräume der Haie sei ein globales Phänomen, sagte Van Houtan. „Was wir hier entdeckt haben, ist nur ein Vorbote von viel breiteren Mustern.“

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Das vom spanischen Meeresforschungszentrum Alnitak zu Verfügung gestellte Foto zeigt 2018 einen Weißen Hai in der Nähe der Baleareninsel Cabrera, die erste Sichtung seit 30 Jahren. US-Forscher haben herausgefunden, dass Weiße Haie wegen der Klimaerwärmung in immer neue Gewässer gedrängt werden.

Er bekräftigt gleichzeitig, dass nicht die Haie das Problem seien, „der Klimawandel ist das Problem“. Kyle Van Houtan erklärt: „Der Klimawandel bringt unsere Meeresökosysteme durcheinander und bringt manchmal Überraschungen mit vielen Zähnen hervor.“ Das spürten eben auch Otter, die von jungen Haien bevorzugt werden, ehe sie zu Robben und Seelöwen übergehen. „Die Angriffe nehmen zu.“

Mehr Haie in der Monterey Bay: „Angst vor vielen Angriffen“

Ein besonders warmer Teil der kalifornischen Monterey Bay zieht sowohl Menschen als auch junge Haie an. „Es ist definitiv ein Problem vor Ort geworden, und es gab Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit an den Stränden“, erklärt der Forscher. „Selbst wenn sie nur Jungtiere, sechs oder sieben Fuß lang sind und angeblich Fisch essen – sie sorgen definitiv für Aufmerksamkeit.“ Man habe „Angst vor vielen Angriffen.“

Doch die Angst ist unbegründet: Jüngste Untersuchungen haben dabei aber gezeigt, dass die Rate der Hai-Angriffe in Kalifornien seit 1950 um 91 Prozent gesunken ist, da die Menschen besser über die Vermeidung von Haien informiert sind.

Junge Haie haben in kurzer Zeit unglaubliche Entfernung zurückgelegt

Eine neue Studie, die in der Zeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht wurde, zeigt das Ausmaß der „Umzüge“ der Haie aufgrund zu warmer Temperaturen: Vor allen Dingen die Kältegrenze der jungen Haie, die noch zu klein sind, um ihre Körpertemperatur wie ihre großen Artgenossen aufrechtzuerhalten, habe sich seit 2014 verschoben. Um ganze 600 Kilometer nach Norden. „Das ist eine unglaubliche Entfernung in nur wenigen Jahren“, so Kyle Van Houtan.

Dabei leiden die Ökosysteme auch ohne diese Entwicklung schon genug, etwa durch Überfischung, Umweltverschmutzung oder Lärm. „Zusätzliche Faktoren wie die Erwärmung und die jugendlichen Weißen Haie, das verschärft diese Notlage nur“, sagt Van Houtan. (mg)