Horror-Aufnahmen aus IslandExperten stellen Kamera auf, nach sechs Wochen folgt der Schock

Die Lage ist dramatischer als die Experten gedacht haben: Sechs Wochen lang haben Zeitraffer-Kameras den Gletscher Breidamerkurjökull im Nationalpark Vatnajökull im Südosten Islands gefilmt. Als sie die Aufnahmen auswerten, sind sie geschockt.

Reykjavík. Diese Filmaufnahmen sollten eine Warnung an die Politiker sein, die bei der Klimakonferenz in Glasgow um eine Abschlusserklärung gerungen haben: Im Sommer installierte ein Team von Filmemachern, Glaziologen und Wissenschaftlern zwei Zeitrafferkameras am Breidamerkurjökull – sechs Wochen lang filmten sie den Gletscher. 

Bei der anschließenden Auswertung stellten die Experten dann fest: Der Gletscher schmilzt wesentlich schneller, als er sich erholen kann. Schuld daran ist der Klimawandel. Die Wissenschaftler warnten, dass die Aufnahmen eine erstaunliche Geschwindigkeit der Eisschmelze zeigen.

Dr. Kieran Baxter, Dozent für Kommunikationsdesign an der University of Dundee, steht hinter dem Zeitraffer-Projekt. Er erklärt „Sky News“, dass die Aufnahmen eine erstaunliche Geschwindigkeit aufweise, mit der jahrhundertealtes Eis schmilzt. Der Dozent unterstreicht damit die Auswirkungen des Klimawandels auf einige der empfindlichsten Landschaften der Erde – unter anderem auf Island.

„Filmmaterial wie dieses sollten ein Weckruf sein, dass wir die Zeichen nicht länger ignorieren können“, erklärt Baxter. „Der Klimawandel sorgt weltweit bereits für schlimme Folgen und dafür müssen wir Verantwortung übernehmen.“ Sein Appell an die Politiker in Glasgow: „Die Wege, die wir jetzt einschlagen, einschließlich der Entscheidungen auf der COP26, werden einen großen Einfluss auf die Klimafolgen haben, mit denen wir in Zukunft zu kämpfen haben.“

Island: Filmaufnahmen zeigen die Katastrophe

Auf den Filmaufnahmen ist zu sehen, welche katastrophalen Folgen die weltweit steigenden Temperaturen für die empfindlichen Gletscher auf Island haben. Snævarr Guðmundsson, Glaziologe am South East Iceland Nature Research Centre, erklärt: „Obwohl dieses Filmmaterial nur einen Bruchteil des 16 Kilometer breiten Gletscherendes darstellt, zeigt es, wie schnell Breidamerkurjökull jetzt schmilzt.“

„Wenn der Gletscher im Gleichgewicht wäre, würde die Winterakkumulation der Sommerschmelze entsprechen“, so der Experte. Die Entstehung des Gletschereises im Winter würde die Schmelze im Sommer also wieder ausgleichen. „Aber das sehen wir hier nicht. Der Abtrag hat sich bis zur Wiederherstellung beschleunigt und in den letzten Jahrzehnten wurde ein Rückzug von bis zu 250 Meter pro Jahr verzeichnet.“

Baxter arbeitet am Forschungszentrum der Universität von Island in Hornafjördur an dem Projekt, in Zusammenarbeit mit der Uni veröffentlichte er bereits dramatische Luftaufnahmen, die das Verschwinden einiger der größten Gletscher Islands belegen. 

Bei einer Trauerfeier haben die Isländer unlängst erstmals einen Gletscher für tot erklärt. Die Eismassen auf Okjökull seien so stark abgeschmolzen, dass er formal nicht mehr als Gletscher gelte, erklärten Wissenschaftler damals bei einer Abschiedszeremonie im August 2019. 

Island: Seit 1990 mehr als zehn Prozent der Gletschermasse verloren

Island habe seit den 1990er Jahren bereits mehr als zehn Prozent seiner gesamten Gletschermasse verloren, das stellte auch die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, Antje Boetius, bei dieser Gelegenheit fest. Ihre Warnung: „Wenn wir nicht gegensteuern, dann wird Island im Jahr 2100 gletscherfrei sein.“

Ob der Weltklimagipfel in Glasgow bei der Rettung helfen kann? Erklärtes Ziel des Weltklimagipfels in Glasgow ist es, die Begrenzung der Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Bislang reichten die Pläne der Staaten dafür bei weitem nicht aus. (mg)