Lage in der Arktis wird gefährlichIn Norwegen riecht es plötzlich richtig widerlich – bitterer Verdacht

Die von der Europäischen Weltraumorganisation Esa mit modifizierten Copernicus-Sentinel-Daten (2022) verarbeitete Satellitenaufnahme zeigt die ungewöhnlich wolkenfreie Inselgruppe Svalbard: Die größte ist Spitzbergen (l.), gefolgt von Nordaustlandet (oben r.) und Edgeøya (unten r.). An einigen Orten auf Svalbard riecht es aktuell nach Schwefel.

Die von der Europäischen Weltraumorganisation Esa mit modifizierten Copernicus-Sentinel-Daten (2022) verarbeitete Satellitenaufnahme zeigt die ungewöhnlich wolkenfreie Inselgruppe Svalbard: Die größte ist Spitzbergen (l.), gefolgt von Nordaustlandet (oben r.) und Edgeøya (unten r.). An einigen Orten auf Svalbard riecht es aktuell nach Schwefel. 

Gletscher, die aktuell massiv in der Arktis schmelzen, könnten Forscherinnen und Forschern zufolge eine weitere Gefahr bergen. Wie ernst die Lage ist, zeigt sich zum Beispiel auch an dem Gestank, der sich auf Svalbard an einigen Orten Bahn bricht.

von Martin Gätke (mg)

Seit Jahren warnt die Wissenschaft bereits vor dem Phänomen: Der Klimawandel lässt aktuell die Temperaturen selbst in den Dauerfrostböden in einigen Metern Tiefe ansteigen.

An vielen Orten der Erde taut der Permafrost, der etwa ein Sechstel der gesamten Erdoberfläche ausmacht – mit für das Klima zusätzlichen unangenehmen Folgen. Ein Beispiel für diese üble Entwicklung liefert nun die norwegische Inselgruppe Svalbard. 

Arktis: Stinkende Gletscher auf Spitzbergen lassen bitteren Schluss zu

Die Kälte steckt oft schon seit vielen Jahrtausenden in den Permafrostböden. Doch tauen diese Böden, kann das Folgen für das weltweite Klima und das ganze Ökosystem haben. Denn tausende Permafrostböden können Treibhausgase freisetzen, die die Erderwärmung zusätzlich beschleunigen, Kohlendioxid und Methan werden freigesetzt. 

Eine ähnliche Entwicklung hat nun ein britisch-norwegisches Forscherteam auf der norwegischen Inselgruppe Svalbard entdeckt. 

Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ berichten, bildeten sich im Vorfeld von schrumpfenden Gletschern Quellen, die methanhaltiges Grundwasser an die Oberfläche und Methan in die Atmosphäre befördern. „Es eröffnen sich neue Austrittsmöglichkeiten, die zuvor durch das Gletschereis versiegelt waren“, schreibt Erstautorin Gabrielle Kleber von der Universität Cambridge. In der Region steige die Lufttemperatur doppelt so schnell wie durchschnittlich im Rest der Arktis. 

Arktis: An Gletschern austretendes Wasser riecht nach Schwefel

Einem Kollegen sei aufgefallen, dass an Gletschern austretendes Wasser auf Svalbard extrem unangenehm rieche, nämlich nach Schwefel. Der Verdacht: Es könnte Methan enthalten, erklärt Kleber.

Die Forschenden nutzten Satellitenbilder, um geeignete Orte für weitere Untersuchungen zu finden. Blaue Rinnsale aus Eis würden zeigen, dass das Grundwasser an dieser Stelle an die Oberfläche gelange und wieder gefriere. Kleber und ihr Team machten so 123 Grundwasserquellen im Vorfeld von 78 Gletschern aus und analysierten Wasserproben, die sie dort entnommen haben.

Arktis: Quellen auf Spitzbergen könnten 2300 Tonnen Methan pro Jahr emittieren

Das Ergebnis dieser Untersuchung: In 122 von 123 Fällen enthielt das Grundwasser Methan – und zwar in einer bis zu 600.000 Mal höherer Konzentration als in der Atmosphäre. Mit anderen Worten: Gelangt dieses Wasser an die Oberfläche, steigt die Methankonzentration in der Atmosphäre. Bitter: Methan besitzt eine etwa 80-mal stärkere Treibhauswirkung als Kohlenstoffdioxid.

Der bittere Verdacht der Fachleute: Grundwasserquellen alleine auf Spitzbergen könnten rund 2300 Tonnen Methan pro Jahr emittieren. „Das entspricht etwa zehn Prozent der Menge, die in Norwegen jährlich durch Öl- und Gasverbrennung entsteht“, so Kleber.

Nun soll weitergeforscht werden, etwa, ob das Methan Millionen von Jahren in Gesteinsformationen existiert hat oder neuer ist. Sollte es uralt sein, hätte das ein weiteres Problem zur Folge. Wird es einmal freigelegt, könnte eine Quelle bei großen Kohlevorkommen für sehr lange Zeit Methan an die Oberfläche befördern. Auch, ob die Ergebnisse aus Svalbard auf andere Orte der Erde übertragbar ist, wird untersucht.