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Kölner Staatsanwalt zu Messer-Attacke„Wer das meint, liegt völlig falsch“

Ulrich Bremer

Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer ist Pressesprecher der Kölner Staatsanwaltschaft.

Nach Messer-Attacke: Staatsanwalt über psychisch kranke Täter.

Erst die Messer-Attacke auf einen Polizisten mitten in der Gummersbacher Fußgängerzone im Oktober 2024, dann das Urteil, das viele fassungslos machte: Der Täter (31) kam nicht ins Gefängnis, sondern wurde dauerhaft in die Psychiatrie eingewiesen.

Ein mildes Urteil? Mitnichten, sagt der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Er räumt mit diesem Vorurteil auf und spricht im „Kölner Stadt-Anzeiger“ Klartext über eine besorgniserregende Entwicklung.

Der Fall aus Gummersbach ist kein Einzelfall. Im Gegenteil. „Bundesweit hat sich die Zahl der Personen, die nach Paragraf 63 Strafgesetzbuch dauerhaft untergebracht worden sind, in den letzten 30 Jahren mindestens verdoppelt, eher verdreifacht“, erklärt Bremer. Dabei handele es sich um Täter und Täterinnen, die zum Tatzeitpunkt wegen einer schweren psychischen Erkrankung als schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gelten – und eine Gefahr für die Allgemeinheit sind.

Aber woran liegt das? Eine eindeutige Antwort hat auch der erfahrene Staatsanwalt nicht, verweist auf Fachleute aus Kriminologie und Psychologie. „Ich kann mir aber vorstellen, dass das seit Jahrzehnten stetig zunehmende Sicherheitsdenken ebenso eine Rolle spielt wie möglicherweise auch eine Zunahme schwerer psychischer Erkrankungen.“ Während in Köln im Jahr 2014 zehn Unterbringungen angeordnet worden worden seien, seien es im Jahr 2024 bereits 25 gewesen.

Drogen spielen eine große Rolle

Eine riesige Rolle bei dieser Entwicklung spielen laut Bremer Drogen. „Es ist keine Neuigkeit, dass Drogenmissbrauch (auch durch Cannabis) gerade bei jüngeren Beschuldigten schwere, nicht heilbare Psychosen auslösen kann“, warnt der Oberstaatsanwalt. Drogen, Medikamente und Alkohol seien häufig die Auslöser, die Menschen auf die schiefe Bahn und letztlich vor Gericht bringen.

Doch lassen sich solche Taten verhindern? Polizei, Kommunen, Kliniken und Justiz arbeiten in NRW bereits in einem speziellen Programm zur „Früherkennung von und zum Umgang mit Personen mit Risikopotenzial“ zusammen. Man berät sich in Fallkonferenzen, um gefährliche Personen leichter aufzuspüren.

Doch Bremer sagt auch: „Einen hundertprozentigen Schutz vor entsprechenden Taten wird es aber dennoch nicht geben können.“

Für viele klingt die Einweisung in eine Psychiatrie wie ein leichterer Weg als eine Haftstrafe. Ein fataler Irrtum, wie Bremer betont. Juristen und Juristinnen bezeichnen die dauerhafte Unterbringung nicht umsonst als das „schärfste Schwert“ des Strafrechts.

Der Grund ist einfach und erschreckend zugleich: „Die vom Gericht angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist im Gegensatz zu einer zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe unbefristet“, so Bremer. „Der Betroffene kann daher grundsätzlich auch bis zu seinem Lebensende untergebracht bleiben.“

Seine Botschaft an alle, die das Urteil im Fall Gummersbach für zu lasch hielten, ist unmissverständlich: „Wer also meint, das Gericht habe milde geurteilt, weil der Täter nicht in Strafhaft gekommen, sondern stattdessen ‚nur‘ in der Psychiatrie untergebracht worden ist, der liegt völlig falsch.“ (red)