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„Wir waren kölsche Miljönäre“Schampus und Schläge: Miljö-Mutter „Piccolo-Lore“ packt aus

Sekt gab ihr den Spitznamen: Piccolo-Lore hob für das EXPRESS-Foto das Glas.

Sekt gab ihr den Spitznamen: Piccolo-Lore hob für das EXPRESS-Foto das Glas.

von Markus Krücken (krue)

Köln – Die roten Haare glänzen im Licht. Der Lippenstift leuchtet wie die Augen. Und der Sekt perlt im Glas. Die vollbusige Dame muss lachen, als sie anstößt: Piccolo-Lore, die „Mutter“ im Miljö. EXPRESS traf Hannelore Schilli (69), eine der wichtigsten Frauen der Kölner Rotlicht-Szene, die über 30 Jahre lang mehrere Etablissements in der Innenstadt führte.

Sie war die Lady in den wilden Zeiten. Kummerkasten und gute Seele der verirrten „Mädchen ussem Levve“, die anschaffen gingen. Geschäftstüchtige Inhaberin von bis zu acht Bars und Animierbetrieben. Von 1975 bis 2010 stand sie ihre Frau hinter den Tresen von Klapperhof und Friesenwall.

„Eigentlich war ich gelernte Schneiderin aus Wetzlar an der Lahn. Ein Zufallsbesuch führte mich nach Köln. Ich lernte meinen Freund, einen Kumpel von Schäfers Nas, kennen, und blieb kleben“, erinnert sich Lore, „ich bin in diese Welt hereingerutscht.“

Als Barfrau in der Bierbude in der Budengasse sieht sie, wie das Geschäft mit der käuflichen Liebe läuft. Köln ist damals eine verruchte Hochburg der Kriminalität. Ein Kulturschock für das brave Schneiderlein.

„Am Anfang kam ich auch nicht damit klar. Wo ich herkam, da gab es sowas nicht. In der Bierbar hab ich gesehen wie das vonstatten geht. Da dachte ich: Was die können, kann ich auch. Mein Freund ging oft in den »Blauen Engel«. Daneben ist ein Laden frei, sagte er eines Tages, sollen wir den nehmen? Ich sagte: Ja. Damals war das Geschäft auch sehr lukrativ…“

Lore eröffnet, ihr Freund schmeißt seinen Job in der Chemiefabrik. Miljö-Leute bleiben draußen. „Ich habe keinen Zuhälter in meinen Laden gelassen. Die hätten mir ja die Mädchen abgeworben. Ich sagte denen: »Mach’s wie ich, inseriere«.“

Es spricht sich unter den Frauen herum, dass man bei Lore gut verdient. Die Freier sind meist Messegäste. Sie lassen es krachen. „Unser Personal war getrimmt, dass, wenn ein Stammgast reinkam, seine Musik lief und er sich wohl zu fühlen hatte. Wenn er aufwachte, hatte er ein frisches Hemd und frische Socken neben dem Bett liegen.“

Das alles hatte seinen Preis. „Bei uns kostete die Flasche Champagner 400 Mark. Bei mir gab es so gut wie keine Schlägereien, höchstens mal Zechpreller.“ Wir fragen noch einmal nach. Plötzlich bricht ein Tabuthema auf – Gewalt gegenüber Frauen im Miljö, Schläge, Drohungen. Piccolo-Lore selbst verlor bei einem Angriff um ein Haar ein Auge. Der Täter: Der Boxer „Asi-Jacky“, ein berüchtigter Kokser. Unberechenbar und gewalttätig.

„Der kam immer rein, hat gesoffen und ist einfach abgehauen. An diesem Abend sagte ich: »So Freund, jetzt musst du vorher die Zeche zahlen«. Ich will abkassieren und er – gibt mir eins aufs Auge. Ich musste in der Uniklinik genäht werden. Ich hätte das Auge fast verloren. Ein herbeigerufener Freund hat sich dann darum »gekümmert«. Ich habe »Asi Jacky« angezeigt, und er hat sich nicht mehr in der Stadt sehen lassen.“

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Ein anderer Fall, aus der Bar „Lorient“. „Wir hatten sonntags einen Gast, der uns allen zehn Flaschen Sekt ausgab. Morgens um 6 Uhr sagte er: »Mach die Rechnung.« Ich sage: »2800 Mark». Er antwortet: »Die willst du jetzt wirklich haben?« Da macht er die Jacke auf und zeigt zwei Pistolen. Wir hatten vier Mädchen da an dem Abend, eine ging aus dem Notausgang und kam mit Chinesen Fred und Abels Män zurück.“ Der Alarmknopf unter der Theke rettet Lore möglicherweise das Leben. Die Tür geht auf, und der betrunkene Pistolero kriegt von befreundeten Stenzen deftige Prügel.

Lore lebte ihr Miljö-Leben in vollen Zügen. Teurer Schmuck war das eine, angebliche Immobilien-Tricksereien eines betrügerischen Vermögensberaters der andere Grund für den Verlust des einstigen Reichtums: „Ich habe viel ausgegeben“, gesteht die Lady. Sie feierte mit. Immer. Jede Nacht: „In Urlaub bin ich nicht gern gefahren. Ich musste immer in den Läden sein.“ Piccolo-Lore macht mit den Gästen durch, schläft im Schrank im hintersten Eck des Betriebs, wenn es sein muss. Sie hat Gäste, die in einer Woche 70 000 DM vertrinken: „Mir hat die Hand vom Öffnen der Flaschen manchmal wehgetan, so viele waren es“.

Heute wohnt sie in einer kleinen Wohnung im Belgischen Viertel und kommt als Aushilfe in einem Lebensmittelladen „über die Runden“. Kinder? Nein. „Ich habe keine. Aufgrund meines Jobs. Wenn du nachts immer besoffen nach Hause kommst, geht das nicht gut. Ich hatte auch nicht den richtigen Mann. Ich habe heute keinen Kontakt mehr zu ihm.“ Pause. Dann leuchten die Augen wieder. Auch ein Schlaganfall vor drei Jahren hat die rüstige und charmante Dame nicht umgehauen. Würde sie heute etwas anders machen? „Ich würde alles wieder so machen. Die Zeit im Miljö war meine schönste Zeit“, sagt sie. Und hebt das Glas.

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Und einmal kam „Müllers Aap“

Die Gegend am Friesenwall. Heute ist z.B. das „Flamingo Royal“ ein Hotspot für feierwütige junge Kölner. Aber damals, in den 70er, 80er Jahren? Zu Zeiten des Miljös glimmte hier das Rotlicht am Schlimmsten: So auch im Cabaret Lorien.

Das Erotik-Theater von „Piccolo-Lore“ bezirzte Messegäste mit einer „Atmosphäre wie im Lido“, „Girls wie im “Crazy Horse„ und „Künstlern wie im Alcazar“, wie es in den Werbeinseraten hieß: „Klapperhof und Friesenwall. Das war mein Revier. Früher war der Friesenwall total verrufen. Wohnungen ohne Ende standen leer“, erinnert sich Lore. Das Geschäft mit der käuflichen Liebe lief dagegen sehr gut. „Bei uns wurden auch viele Filme gedreht“, berichtet die e Lady, die zahlreiche Promis empfing. Der legendäre Kölner Boxer Peter Müller machte einmal für Lore den Weihnachtsmann.

Tänzerinnen, zumeist aus Osteuropa, und die Animierdamen sorgten für die fetten Umsätze und ein „Erlebnis für alle Sinne“. Was aus ihnen wurde? Lore zuckt mit den Schultern. Zu ihrer langjährigen Geschäftsführerin Lisa hat sie Kontakt, aber zu den Tänzerinnen? „Wie die beiden heißen, kann ich nicht sagen“, antwortet sie, als EXPRESS sie nach zwei Damen auf einem ihrer alten Schnappschüsse fragt.

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„Ich vermisse das Metropolitan“

Autohändler und Rotlicht-Experte Richard Thiel („Pascha“) denkt gern an die wilde Zeit der kölschen Originale zurück: „Das Miljö? Meine Freunde kennen mein Leben. Was ich heute vermisse, ist das Metropolitan. Wo wir uns alle immer getroffen haben“, sagt er und erinnert an den Szeneladen von einst am Barbarossaplatz: „Den Laden gab es seit den 70er Jahren. Dort hingen wir den ganzen Tag ab 14 Uhr ab, es war unser Stammlokal, wo wir zockten und Gas gaben. Es war eine schöne Zeit und Kameradschaft unter den Jungs. “