Wir waren kölsche MiljönäreFC-Idol Flohe war der Star der Miljö-Kicker

Starschnitt im Klein Köln: Für „Schmidte Udo“ war Heinz Flohe einfach der Größte.

Starschnitt im Klein Köln: Für „Schmidte Udo“ war Heinz Flohe einfach der Größte.

Köln – Johnnie Walker. In der Miljö-Kneipe Nummer 1, im „Klein Köln“ in der Friesenstraße, floss der Whisky in Strömen. Und wurde Namensgeber der verrücktesten Fußballmannschaft Kölns.

„Ich war die Nummer 9 beim FC Johnny“, sagt der Mann, den das Miljö „Schmidte Udo“ taufte, der als Wirtschafter in Bordellen arbeitete – und heute stolz durchs frühere Vereinsheim im Friesenviertel führt. In den Hoch-Zeiten des Miljös hatten die Stenze im „Klein Köln“ eine Thekentruppe ins Leben gerufen. Mannschaftsfotos an den Wänden erinnern an die vielen Turniere. „Wir haben immer Johnnie Walker getrunken, daher der Name“, erzählt Schmidt (64).

„Beckers Dieter, der Wirt, hatte alles im Griff. Du tätst dich an den Tisch setzen, dann hatte er den Hunderter als Beitrag in dä Täsch. Er war damit Geldverleiher an Zocker. Für 20 Prozent. Damit haben wir viel Geld angeschafft. 1982 hatten wir eine halbe Million DM in der Mannschaftskasse.“

Die Aufstellung der Luden weiß der einstige Verbandsliga-Stürmer vom SC West noch ganz genau: „Jeder hatte seinen Posten, Beckers Dieter als Teamchef am meisten zu sagen. Der Lahme war im Tor. Kuhlweg Verteidiger, Küpper der letzte Mann. Ich der Mittelstürmer.“

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Treffen der Zuhälter-Mannschaften

Aus ganz Deutschland organisieren sich damals Zuhälter-Mannschaften für Freifeld- und Hallenturniere. Höhepunkt im Spielplan ist das Pfingstturnier in Essen über zwei Tage, an dem „16 Räuberteams“ (Schmidte Udo) aus ganz Deutschland zusammenkommen.

Im 600 Mann-Zelt neben dem Platz wird gesoffen, getanzt und gesungen, im Hinterzimmer gezockt. Und die Kölner Mannschaft, die aus bis zu 32 Spielern besteht und in den argentinischen oder deutschen WM-Trikots aufläuft, wird prominent aufgestockt. „Wir hatten Raketen wie den irischen Nationalspieler Noel Campbell und Gintaras Oleknavicius von Fortuna Köln. Der Ire hat einmal drei Flaschen Johnnie Walker getrunken und ist dann auf den Platz marschiert“, erinnert sich Schmidt.

Am liebsten denkt er aber an die größte „Neuverpflichtung“ des „FC Johnny zurück“: Weltmeister Heinz Flohe schloss sich in den 70ern der Miljö-Mannschaft an, war beitragszahlendes Vereinsmitglied und Gastspieler – zu seiner aktiven FC-Zeit allerdings heimlich.

„Eines Tages stand Flocke mit Bernd Cullmann und Gerd Strack im Klein Köln, da hat sich der Beckers Dieter den direkt geschnappt. Tja, dat war et dann. Jeden Dienstag sind wir durch Köln gezogen. Das Schönste war für Heinz, wenn wir kölsche Lieder sangen, dann blühte er auf. Er war einer der lustigsten Menschen, die ich kennengelernt habe, ein richtig feiner Junge. Bis heute gab es keinen Fußballer auf der Welt für mich, der technisch so gut war.“

Auch auf der Saisonabschlussfahrt nach Marbella ist der Double-Sieger von 1978 mit dabei - „Flocke“ ist im Kreis der Jungs sehr beliebt.

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1984 löst sich der „FC Johnny“ auf

1984 löst sich der „FC Johnny“ auf. Beckers Dieter ist bei der Zuhälter-Gilde in Ungnade gefallen, weil er nach einem Streit mit einem Berliner Luden die Polizei eingeschaltet hat. Ein „No Go“ im Miljö, der Verein wird aus dem Turnierplan gestrichen.

Udo Schmidt hat inzwischen ganz andere Sorgen. Der jahrzehntelange Wirtschafter im Puff, seit 1973 erst im Bonner, dann im Kölner Miljö im Eros-Center tätig, konsumiert mit Koks-König „Pille Rolf“ soviel Drogen, dass es ihn auch finanziell umhaut: „Das Dreckszeug hat mich mein ganzes Geld gekostet, auch die Autos.“

Dass ein Leben im Miljö viele Schattenseiten hat, erlebte Udo Schmidt schon ganz zu Beginn, an dem ein simpler Zufall stand, der ihn in Kölns Rotlicht führte. Er arbeitete als junger Mann in der Schlachterei in der Liebigstraße. Ein Kollege arbeitete nebenher als Türsteher in einem Etablissement und bat ihn einmal um Unterstützung. In einer Nacht verdiente Schmidt 650 Mark. Das war’s dann mit der Schlachterei. Aber: Als die junge Ehefrau Wind bekam vom Rotlicht-Job war’s auch mit der Ehe vorbei. „Sie stand mit Schwiegerpapa und Bruder vor dem Bett. Ich musste die Tasche packen.“

Heute lacht der einstige Intimus von Schäfers Nas über die alten Zeiten – und ist mit sich im Reinen. Die Jungs von Regionalligist Viktoria Köln, wo er seit drei Jahren als Zeugwart arbeitet, lieben ihn. Nur wenn er über seinen 2013 verstorbenen Freund „Flocke“ spricht, wird er nachdenklich. „Noch an dem Tag, als er 2010 seinen Kollaps erlitt, waren wir zusammen. Er war der beste Junge, den ich je kennengelernt habe. Ich besuche heute noch oft seine Frau Ulla und Nino, seinen Sohn.“

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„Klein Köln“ wurde 1926 gegründet

Wer im Miljö verkehrte, kam am „Klein Köln“ nicht vorbei. 1926 wurde die Kneipe als erste Gaststätte mit Tag- und Nachtkonzession eröffnet. In den wilden Zeiten des Kölner Miljös gaben sich auf der Friesenstraße Originale wie Schäfers Nas, Dummse Tünn, sowie Promis wie Kölschrocker Jürgen Zeltinger, Heiner Lauterbach und viele mehr die Klinke in die Hand.

Als „Boxbud“ war das „KK“ auch Magnet für die Granden der Boxszene wie Ebby Thust, René Weller oder Dariusz Michaelszewski. Im Hinterraum des Ladens tagte der legendäre „ FC Johnny“. Frauen waren bei den Versammlungen der Fußball-Luden nicht erwünscht, jeden Donnerstagabend wurden ab 23 Uhr 100 DM als Mitgliedsbeitrag fällig.

„Solide Leute“ mieden damals das „Klein Köln“ zumeist. Wer hier nicht zum Kreis der Luden zählte, fing sich schnell eine Tracht Prügel ein. „Ein falscher Blick hat am Tresen gereicht“, erinnert sich Türsteher-Legende Anton Claaßen (68), der „Lange Tünn“. Die Jahre unter Kultwirt Dieter Becker (er starb 1989) sind Geschichte, dennoch ist das „KK“ bis heute ein Hotspot im Vergnügungsviertel.

Heinz Rockstroh ist seit Jahrzehnten im „Klein Köln“ als Inhaber zu Hause. „Wenn ich Leute einstellen will, heißt es oft: »Ich komme«, und dann rufen sie an und sagen: »Mein Vater sagt, in dieser Kneipe darf ich nicht arbeiten«. Das habe ich schon zwanzigmal erlebt“, sagt „Hein“ mit einem Schmunzeln, „Die älteren kennen das „Klein Köln“ eben noch anders. Die Zeiten haben sich natürlich geändert, aber den Kultfaktor auf der Friesenstraße kann uns keiner nehmen.“