Weihnachts-WunderHeiligabend 1945: Köln schaut auf den Dom und hält den Atem an

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Nur der Dom ragt als Zeichen der Hoffnung aus den Trümmern: Köln im Jahr 1945

von Bastian Ebel (bas)

Köln – Heiligabend vor 75 Jahren in Köln: Alles liegt in Trümmern, Familien kämpfen ums Überleben, unzählige Väter und Söhne gelten nach dem Zweiten Weltkrieg als vermisst.

Als die Dämmerung hereinbricht über der zerstörten Stadt, hält Köln den Atem an. Plötzlich ertönt ein Zeichen der Hoffnung, man rückt zusammen, und es fließen Tränen.

Köln 1945: Decke Pitter läutet erstmals wieder

Wenn Zeitzeuge Reinold Louis (80) heute darüber erzählt, wird er andächtig. „Der decke Pitter! Der decke Pitter es widder do!“, haben sich die Erwachsenen damals zugerufen.

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Was er als fünfjähriger Junge vor exakt 75 Jahren schon sehr genau mitbekommen hat anhand der Reaktionen der Erwachsenen: „In diesen Minuten war so etwas wie eine Prophezeiung: Köln wird nicht untergehen und hält zusammen.“

Köln war gerührt: Erstmals seit den Wirren des Krieges hatte die Glocke im Kölner Dom, der „Decke Petter“, am 24. Dezember 1945 wieder geläutet. Louis weiß es noch wie heute, die Familie traf sich bei der Großmutter in der Eintrachtstraße in der Altstadt.

„Hier versammelten sich außer uns vier Kindern auch noch die Oma und zwei ihrer Töchter, Tante Agnes und Tante Else, die mit ihr im Haus wohnten und unverheiratet waren“, berichtet er.

„Dazu auch Enkelin Margot, die, wie auch ihre Mutter, nach einem Bombenangriff auf Köln verschüttet war, aber gerettet werden konnte, während ihre Mutter zu Tode kam. Tante Agnes, Lehrerin, war im Krieg in Russland als Rote-Kreuz-Schwester und hatte schwere Erfrierungen an beiden Füßen, Tante Else hatte durch einen Bombenangriff ein zerstörtes Trommelfell. Omas Sohn Hans, also Onkel Hans, kam noch hinzu, später auch meine Mutter.“

Eine vom Krieg gebeutelte Familie, die in diesen Sekunden alles um sich herum vergessen hat, denn der „decke Pitter“ schenkte auch den Louis‘ an Weihnachten ein Zeichen der Hoffnung.

Kölner Brauchtumsforscher Louis: Vergleich mit Corona von heute

Wenn der Kölner Brauchtumsforscher an diese Zeit zurückdenkt, zieht er auch Parallelen mit der heutigen Corona-Krise.

„Auch wir hatten eine Ausgangssperre: Die britische Kontrollkommission für Deutschland hatte angeordnet, dass es in der ganzen britischen Zone keine Ausgangssperre gab. Das galt für die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember und für die Nacht vom ersten zum zweiten Weihnachtsgag sowie für Silvester.“

Klar, die Zeiten seien nicht vergleichbar. Aber vielleicht doch ein wenig: „Es ist immer Hoffnung da. Das kann man daraus vielleicht mitnehmen.“

Deshalb macht sich Louis an Heiligabend 2020 gedanklich noch einmal auf den Weg von 1945. Von seiner Wohnung in der Elsaßstraße in der Südstadt quer durch Köln zu seiner Oma in die Eintrachtstraße in die Kölner Altstadt. „Nur die Hohe Straße war einigermaßen begehbar, sonst gab es nur Trampelpfade zwischen den Trümmern.“

Weihnachten 1945 in Köln: Geburtsstunde von „Am Dom zo Kölle“

Zwischendurch kommt Reinold Louis in Gedanken am Dom vorbei. Dort stand 1945 übrigens auch ein gewisser August Schnorrenberg und bekam die „Auferstehung“ des „decken Pitter“ mit. Voller Freude textete der Komponist danach das Lied „Am Dom zo Kölle“, wie er Jahre später Reinold Louis erzählte.

Und der junge Reinold Louis? Er legte sich am Abend des 24. Dezember 1945 in sein Bett und betete. „Liebes Christikind, schick uns den Papa nach Hause". Auch diese Hoffnung erfüllte sich: 1947 kehrte Papa Josef aus der Kriegsgefangenschaft zurück…