Nägel im Fleisch, Gift im Futter: Im Kölner Agnesviertel geht unter Hundebesitzerinnen und Hundebesitzern die Angst um. Jeder Spaziergang wird zur Zitterpartie.
Todes-Fallen für HundeKölner Veedel in Angst
Aktualisiert
„Ich habe jedes Mal Angst, dass ich mit einem toten Tier zurückkomme“, sagt Karina Krimmel und ihre Stimme zittert. Eigentlich liebt ihr kleiner Mischling Milow (5) die Hundewiese im Lohsepark mitten im Kölner Agnesviertel.
Doch daran ist nicht mehr zu denken. Die Angst vor heimtückischen Giftködern macht jeden Spaziergang zum Albtraum.
Seit Tagen finden Hundebesitzerinnen und -besitzer im Veedel immer wieder präparierte Fleischstücke, Hundefutter mit Rattengift oder sogar Würstchen, die mit Schrauben gespickt sind, berichtet der „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eine tödliche Gefahr für die Vierbeiner.
Auch Milow hat es vor einem halben Jahr erwischt. Er fraß im Park am Fort X etwas vom Boden. Karina Krimmel reagierte geistesgegenwärtig. „Ich bin sofort zur Tierärztin. Sie hat ihn erbrechen lassen – es war eine Handvoll Wiener Würstchen. Wäre ich eine halbe Stunde später gekommen, wäre er tot gewesen.“ Milow überlebte, doch der Schock sitzt tief. Er war tagelang apathisch, hatte blutigen Durchfall. „Er wollte nicht mehr raus.“
Die Anspannung im Agnesviertel ist mit Händen zu greifen. In WhatsApp-Gruppen mit über 100 Mitgliedern warnen sich die Menschen gegenseitig vor neuen Funden. Immer wieder ploppen Schreckensnachrichten auf: Giftköder im Lohsepark, neben der Alhambra, bei den Fußballplätzen!
Sonja Klemmstein meidet den Lohsepark ebenfalls. „Die Hunde haben so eine gute Nase. Die finden jeden Krümel, den wir gar nicht sehen. Eine winzige Menge reicht“, erklärt sie. Trotzdem geht sie in die Parks – aber nur, um andere zu warnen. Sie sucht Büsche ab und hängt Zettel auf: „Achtung, Giftköder! Für Tiere und Kinder tödlich!“ Denn die perfiden Fallen liegen teils direkt neben Spielplätzen.

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Karina Krimmel (l.) und Sonja Klemmstein (r.) warnen vor den Ködern.
Die Tierklinik Stommeln im Kölner Norden bestätigt: Giftköder sind ein Dauerproblem. Die Folgen sind verheerend und reichen von Desorientierung über epileptische Anfälle bis hin zum qualvollen Tod. Eine Sprecherin der Klinik warnt, dass es nicht immer leicht zu erkennen ist. „Erst diese Woche wurde ein Hund eingeliefert, der versehentlich Menschenkot gefressen und dadurch Drogen aufgenommen hatte“, erzählt sie. Sind die Köder mit Nägeln oder Scherben versehen, sind die inneren Verletzungen oft erst spät bemerkbar – manchmal zu spät.
Während die Sorge im Veedel kocht, spiegeln die offiziellen Zahlen der Polizei das Problem kaum wider. Für 2025 lägen die Fälle im „mittleren einstelligen Bereich“ – keine Zunahme feststellbar. Karina Krimmel hat eine traurige Vermutung für die Diskrepanz: Viele haben resigniert. Eine Anzeige gegen Unbekannt, so der Tenor, bringe ja doch nichts.
Wie schnell es gehen kann, erlebte Marie Gauthier am 17. Oktober. Ihr Hund Jules zerrte an der Leine, verschwand kurz im Gebüsch am Lohsepark. Als sie ihn erreichte, kaute er schon auf rötlichen Fleischbrocken. Zuhause ließ sie der Gedanke nicht los: ein Giftköder! 20 Minuten später war sie in der Tierklinik. Ein Wettlauf gegen die Zeit.
Die Tierärztin löste Erbrechen aus. „Nach drei Stunden sei es dafür zu spät“, erklärte man Gauthier. Dann wäre das Gift im Darm. Am nächsten Tag die schreckliche Gewissheit: Jules’ Blutgerinnungswerte waren dramatisch schlecht. Akute Vergiftung, Lebensgefahr! In der ersten Nacht wachte sie stündlich über ihn, aus Angst, er könnte innerlich verbluten. Jules hat überlebt.
Was also tun im Ernstfall? Die Stadt Köln rät Betroffenen dringend, sofort die Polizei zu informieren. Potenzielle Giftköder sollten fotografiert oder vorsichtig eingesammelt werden, um andere Tiere oder auch Kinder zu schützen. Apps wie „Dogorama“ helfen, gefährliche Orte im Blick zu behalten – Köln liegt hier mit rund 130 Meldungen in 2024 bundesweit auf einem traurigen vierten Platz.
Für Karina Krimmel reicht das nicht. Sie fordert mehr Engagement von der Stadt. „Ich würde mir wünschen, dass das Ordnungsamt nicht nur auf Leinenpflicht und Marke kontrolliert, sondern tatsächlich auch auf die Köder achtet.“ Ihre Forderung: regelmäßige Kontrollen und Warnschilder in den Parks. „Wir zahlen Hundesteuer, kümmern uns – und trotzdem fühlen wir uns alleingelassen.“ (red)
