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Kölner Gastro-KriseWirt packt aus: „Lohnt sich immer weniger“

Ein Köbes serviert frisch gezapftes Kölsch.

Ein Köbes serviert frisch gezapftes Kölsch.

Die Lage in der Kölner Gastronomie ist dramatisch. Ein Wirt spricht Klartext und verrät, warum er trotz vollem Haus Existenzängste hat.

„Es lohnt sich immer weniger, die Tür aufzumachen“, sagt Heiko Hörnecke, Wirt des Brauhaus „Quetsch“ am Rodenkirchener Rheinufer. Ein Satz, der die dramatische Lage vieler Kölner Gastronominnen und Gastronomen auf den Punkt bringt.

Hörnecke bringt das Dilemma auf den Punkt: „Wir haben Arbeit ohne Ende, wir haben Zulauf ohne Ende, aber trotzdem haben wir Sorgen.“ Sein Brauhaus ist voll, doch die Kasse am Ende des Tages immer leerer.

Der negative Trend wird von offizieller Seite bestätigt. „Wir nähen schon über die Naht“, warnt Matthias Johnen, stellvertretender Geschäftsführer des Dehoga Nordrhein. Nur 20 Prozent der Gastronominnen und Gastronomen hätten keine Umsatzrückgänge zu beklagen. Aus Kölner Brauereikreisen heißt es sogar: Wenn sich nichts ändert, sind Teile der Gastronomie nicht mehr überlebensfähig.

Kosten-Explosion frisst alle Gewinne auf

Die Branche steckt in einer Dauerkrise. Nach der Corona-Pandemie kam der Ukraine-Krieg und mit ihm eine Preisspirale, die sich unaufhaltsam dreht. Die Personalkosten sind laut Dehoga in den letzten dreieinhalb Jahren um über ein Drittel gestiegen, die Energiekosten um fast 28 Prozent.

„Wir erleben aktuell in vielen Bereichen steigende Einkaufspreise“, bestätigt auch Dennis Lieske, Geschäftsführer des „Gaffel am Dom“ gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Besonders deutlich ist das beim Fleisch.“

Das kann auch Wirt Hörnecke nur bestätigen. Die Preise für „Olivenöl, Tierfett, Fleisch“ seien explodiert. Und auch Franz Gruber, Inhaber des „Gruber’s“ im Agnesviertel, rechnet vor: „Binnen zehn Jahren ist der Preis für den für uns so wichtigen Kalbsrücken von neun auf heute 22 Euro angestiegen.“

Preise rauf – doch Gäste sparen schon am Kaffee

Die Konsequenz: Die Preise auf den Speisekarten klettern. Im Schnitt um zehn bis 15 Prozent habe er erhöhen müssen, sagt Hörnecke. Sein Schweineschnitzel kostet jetzt rund 20 Euro. „Das ist schon viel Geld. Aber anders ist es nicht mehr darstellbar.“ Doch die Wirtinnen und Wirte wissen: Ewig geht das nicht so weiter. „Mehr kann man den Gästinnen und Gästen auch nicht zumuten“, so Hörnecke.

Tatsächlich spüren viele Gastronominnen und Gastronomen, dass die Kundinnen und Kunden preissensibler werden. „Die Gäste lassen den Digestif weg, den Kaffee nach dem Essen, oder sie fragen nach einer kleineren Portion“, berichtet Dehoga-Experte Matthias Johnen.

Filippa Luca Padiglia vom italienischen Restaurant Etrusca

Filippa Luca Padiglia vom italienischen Restaurant Etrusca

Diese Sorge treibt auch Filippa Padiglia um, die seit 45 Jahren das „Ristorante Etrusca“ an der Zülpicher Straße betreibt. Sie fürchtet: „Ich glaube, es wird irgendwann keine Familienbetriebe in der Gastronomie mehr geben. Wir kochen mit Herz, aber die Leute gehen zu Systemgastronomen, zahlen ein bisschen weniger und sind zufrieden.“

Letzter Strohhalm Mehrwertsteuer-Senkung?

Die große Hoffnung der Branche ruht nun auf der Politik. Während der Corona-Pandemie war die Mehrwertsteuer für Speisen auf sieben Prozent gesenkt worden, seit Januar 2024 gilt wieder der alte Satz von 19 Prozent. Im Koalitionsvertrag wurde eine dauerhafte Senkung versprochen – darauf pocht die Branche nun.

Doch wer glaubt, dass die Preise dann wieder sinken, wird enttäuscht. Wird die Senkung an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben? „Auf gar keinen Fall“, stellt „Quetsch“-Chef Hörnecke klar. Für ihn und viele andere ist es die einzige Chance, die gestiegenen Kosten aufzufangen. „Das ist unser letzter Strohhalm, um wieder in die Gewinnzone zu kommen. Wir brauchen die sieben Prozent dringend zum Überleben.“ (red)