Kölner Renten-HammerSollen wir alle bis 70 arbeiten?

Ältere Menschen sitzen nebeneinander auf Stühlen.

Der gesetzlichen Rente in Deutschland droht der Kollaps. (Symbolfoto)

Dem deutschen Rentensystem droht der Kollaps! Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie aus Köln. Ein Experte hat deshalb eine radikale Forderung.

Ein katastrophales Zeugnis für unser Rentensystem! Eine neue Studie des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch schlägt jetzt Alarm. Nicht nur, dass der gesetzlichen Rente der Zusammenbruch droht – auch bei der privaten und betrieblichen Vorsorge sieht es im internationalen Vergleich düster aus, warnt Studienautor Sven Ebert.

Wegen der Alterung der Gesellschaft gerät das System immer mehr unter Druck. Wenn die Politik nichts ändert, „wird die Belastung pro sozialversicherungspflichtig Beschäftigtem und Beschäftigter in den nächsten zehn Jahren um rund 70 Prozent steigen“, heißt es in der Studie.

Eine Lösung könnten Betriebsrenten sein, bei denen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusätzlich fürs Alter sparen. Doch die Studie zeichnet ein ernüchterndes Bild: Nur 52 Prozent der Beschäftigten in Deutschland nutzen das. Und auch die staatlich geförderte „Riester-Rente“ ist auf dem absteigenden Ast, die Zahl der Verträge sinkt seit Jahren.

Zu wenig Geburten und steigende Lebenserwartung

Die Gründe für die Misere sind vielfältig. Es gibt zu wenig Geburten und die Menschen leben immer länger. Das setzt das System unter Druck. Studienautor Ebert bringt es auf den Punkt: „Im Jahr 2035 wird ein Ehepaar den Wohlstand für sich selbst, die eigenen Kinder und einen Rentner oder eine Rentnerin erwirtschaften müssen.“

Mehr Produktivität könnte helfen, aber die lässt auf sich warten. Und auch Zuwanderung kann den Druck nur bedingt mildern, da die Teilnahme von zugewanderten Menschen am Arbeitsmarkt begrenzt ist, so die Studie.

Die Politik mache es nicht besser, so Ebert. „Ruhestandsprivilegien verschärfen den Fachkräftemangel und belasten die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft“, kritisiert er. Gleichzeitig sei die Unterstützung für Familien zu schwach und die Belastung für junge Menschen zu hoch.

Eltern, die mit ihren Kindern die Zukunft der Rente sichern, bekommen keinen Rabatt bei den Beiträgen. Sein bitteres Urteil: „Dazu ist Kinderbetreuung in Teilen Deutschlands ein knappes und teures Gut. Insbesondere für die Mittelschicht sind Kinder damit Luxus.“

„Rente mit 63“ – so teuer ist es für die Allgemeinheit

Besonders hart geht der Finanzwissenschaftler mit der „Rente mit 63“ ins Gericht. Diese habe die alten Vorruhestandsregelungen ersetzt und „kostet die Allgemeinheit aktuell rund 20 Milliarden Euro pro Jahr“, so Ebert. Obendrein verstärke sie den Fachkräftemangel.

Durch solche Privilegien sei die Abgabenlast in Deutschland extrem hoch – fast 50 Prozent der Lohnkosten. Das schrecke qualifizierte Zuwanderer und Zuwanderinnen ab, die in Ländern wie Kanada oder Großbritannien deutlich weniger zahlen müssen. Eberts Vorschlag: Wir müssen uns Vorbilder im Ausland suchen.

Dort gehe staatliche Grundversorgung mit privater Vorsorge Hand in Hand. „Die USA zeigen, welche Renditen in der Altersvorsorge bei konsequenter Anlage in Aktien möglich sind“, so Ebert. „In den Niederlanden sieht man die gesellschaftlichen Vorzüge einer flächendeckenden betrieblichen Altersversorgung.“

Damit greift Ebert eine Idee auf, die der frühere Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schon hatte: ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot. Damit sollten die Menschen über den Aktienmarkt besser für ihre Rente vorsorgen können. Lindner nannte es damals einen „Gamechanger“.

Auch Lindner verwies damals auf Vorbilder: „Länder wie Schweden sind uns mit der Aktienrente 25 Jahre voraus. Es ist Zeit, dass auch Deutschland den nächsten Schritt geht“, sagte der FDP-Politiker im September 2024. In Schweden ist die Altersarmut nur halb so hoch wie bei uns – dank einer Kombination aus Basisrente und aktienbasierter Vorsorge.

Am Ende der Studie gibt Finanzwissenschaftler Ebert klare Handlungsempfehlungen für Deutschland. Seine Forderungen haben es in sich: Das Renteneintrittsalter soll auf 70 Jahre steigen und Privilegien wie die „Rente mit 63“ müssen weg. Die gesetzliche Rente solle nur noch eine Basisabsicherung für alle Bürger und Bürgerinnen sein, knapp über dem Bürgergeld.

Die betriebliche und private Vorsorge müsse von Kapitalgarantien befreit werden, um höhere Gewinne zu ermöglichen. „So kann der Lebensstandard weiter Teile der Bevölkerung im Alter gesichert werden“, meint Ebert. Die Idee des Altersvorsorgedepots sollte wieder auf den Tisch. (red)