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SS-MannKölner Promi erzählt: Als ich Günsche im Freibad auf Hitler ansprach

Otto Günsche 1999

Otto Günsche (l.) 1999 bei einer Lesung in der Galerie des Waffen-SS-Veteranen Gottfried Funk (96, nicht im Bild) in dessen Galerie in Bergisch Gladbach.

von Ayhan Demirci (ade)

Köln  – Er war einer der wichtigsten Zeugen der dramatischen Ereignisse im Führerbunker: Otto Günsche (1917-2003), Adolf Hitlers letzter Adjutant, erlebte 1945 den Tod des Nazi-Diktators und verbrannte den Leichnam. Nach 1956 baute der SS-Mann im Rheinland ein neues Leben auf. Er lebte erst in Köln und Bergisch Gladbach und zog 1966 nach Lohmar.

Auf den EXPRESS-Bericht, der Günsches Nachkriegslaufbahn erstmals rekonstruierte (hier lesen Sie mehr), gab es zahlreiche Reaktionen. Viele Leser sind erstaunt über die Biografie des engen Hitler-Vertrauten in der Region.

Otto Günsche und Dietmar Schott: Die Männer lernten sich im Freibad kennen

Bereits zuvor hatte EXPRESS mit einem prominenten Bewohner des Bergischen Landes über seine Begegnungen mit dem Ex-SS-Offizier gesprochen: Die WDR-Sportreporter-Legende Dietmar Schott (82) plauderte mit dem hochgeschossenen, in seinem Alter noch sehr sportlichen Zeugen des „Dritten Reiches" regelmäßig im Freibad von Rösrath-Hoffnungsthal. Ohne zu wissen, wer „Herr Günsche" wirklich war. 

„Ein netter, älterer Herr, dachte ich, er sprang immer kopfüber ins Wasser und schwamm kraulend seine Bahnen, das war imponierend. Eine Sommersaison lang sprachen wir über alltägliche Dinge, Sport zum Beispiel, eher allgemeines. Eines Morgens habe ich ihn aus einer Laune heraus spaßeshalber mit 'Hallo, Dr. Günsche', begrüßt. 'Moment mal', hat er gesagt: 'Ich bin kein Doktor'."

Eines Tages, sagt Schott, sei der Bademeister zu ihm gekommen und habe ihn gefragt, ob er denn wisse, mit wem er da schwimme und rede. Schott: „Ich war sehr erstaunt und erschrocken. Plötzlich wirst du mit der ganzen Vergangenheit Deutschlands und dieser so dramatischen Geschichte in Berlin konfrontiert."

Er habe Otto Günsche bei einer Gelegenheit darauf angesprochen, ihm erläutert, er habe von dessen Vergangenheit erfahren und er glaube schon, dass er gar nicht gerne darüber rede  – aber dennoch habe er Günsche die Frage nach Hitler und seiner Zeit in der Nazi-Diktatur gestellt.

Schott erzählt: „Ich will nicht sagen, dass er konsterniert war, aber schon überrascht. Und er hat sehr zurückhaltend reagiert. Er wolle über diese Zeit nicht reden." Danach seien sie sich nicht mehr begegnet.

Otto Günsche äußerte sich zur Kriegsgefangenschaft in Russland

Günsche hielt sich naturgemäß bedeckt. Als ihn der Journalist Joe F. Bodenstein, heute Besitzer von Schloss Nörvenich bei Düren, einmal am Telefon befragte, was ihn denn „in eine ländliche Region nach Nordrhein-Westfalen” verschlagen habe, habe Günsche, der zehn Jahre in russischer Haft saß, geantwortet: „Wer in über zehn sehr harten und hoffnungslosen Jahren dem Tod entronnen ist, der wollte Ruhe und endlich Normalität im Alltag."

Das war nur ein Teil der Wahrheit. Es ist bekannt, dass sich SS-Angehörige nach 1945 in der Bundesrepublik gegenseitig halfen und auch offiziell organisiert waren (Hiag, Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der Waffen-SS).

Im Falle Günsches war es ein Kölner SS-Kamerad (der Name ist der Redaktion bekannt), der Hitlers letzten Adjutanten ins Rheinland holte und in der Firma Rowa in Bergisch Gladbach im Management als Kollegen unterbrachte.

Literatur zur SS und zu Otto Günsche

„Die SS nach 1945", Jan Erik Schulte, Michael Wildt (Hrsg.), (Vandenhoeck & Ruprecht, 2020), „Die SS in der Bundesrepublik", Andreas Eichmüller (De Gruyter/Oldenbourg, 2018), „Acht Tage im Mai", Volker Ullrich (C.H. Beck, 2020), „Das Buch Hitler" (Günsches Verhörprotokolle), Henrik Eberle, Matthias Uhl (Hrsg.), (Lübbe, 2005)

Die Großstadt Köln hat Otto Günsche meist gemieden. Einmal, es war 1973, besuchte er gemeinsam mit jenem SS-Kameraden die Beerdigung eines verstorbenen Rowa-Kollegen auf dem Westfriedhof in Ehrenfeld. Die Nazis mit dem Gardemaß überragten den Rest der Trauergemeinde und salutierten dem Toten in Manier von Soldaten.