Zwangsräumung drohtNach Protestaktion vor Veedels-Rathaus: Jetzt ist Kölns OB Reker gefragt

Mehrere Teilnehmende einer Protestaktion stehen vor dem Bezirksrathaus Mülheim. Auf Plakaten steht „Mieten Stopp!“

Vor dem Bezirksrathaus Mülheim fand am Montagnachmittag (22. Mai 2023) eine Protestkundgebung statt. Teilnehmenden droht die Zwangsräumung.  

Nach einer Protestkundgebung vor der Bezirksvertretung Köln-Mülheim gibt es für die Teilnehmenden einen Hauch von Hoffnung. Ihnen droht die Zwangsräumung. 

Dieser Fall sorgt in Köln für viel Aufsehen. Mieterinnen und Mieter des Hauses Wallstraße 31 in Köln-Mülheim haben erst Ende März durch einen Brief vom Bauaufsichtsamt erfahren, dass sie dort illegal wohnen – und das zum Teil bereits seit 13 Jahren! 

Grund: Es gibt für das Haus keine Baugenehmigung. Daher sollen alle raus, eine Zwangsräumung droht. Am Montagnachmittag (22. Mai 2023) protestierten Bewohnerinnen und Bewohner vor dem Bezirksrathaus Mülheim erneut dagegen. Jetzt ist Kölns Oberbürgermeisterin gefragt. 

Haus in Köln-Mülheim: Drohende Räumung Thema in Bezirksvertretung

In der Sitzung der Bezirksvertretung war die drohende Zwangsräumung am Montagnachmittag Thema in einer Aktuellen Stunde. Es kam allerdings erst nach einem Antrag der Linken-Fraktion am Sonntag auf die Tagesordnung – als Nachtrag. Dabei war ein entsprechender Bürgerantrag fristgerecht gestellt worden.

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Immerhin gibt es nach der Sitzung für die Betroffenen einen Hauch von Hoffnung. Denn am Ende stand der einstimmige Beschluss, dass die Mülheimer Bezirksvertretung die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker bittet, ihren verwaltungsmäßigen Einfluss auf das zuständige Bauamt auszuüben und alle Möglichkeiten – wie zum Beispiel Verhandlungen mit dem Vermieter – ausschöpft, damit die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses Wallstraße 31 in ihren Wohnungen bleiben können. 

Auch Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs wandte sich am Montag (22. Mai) in einem Schreiben, das EXPRESS.de vorliegt, an Reker. Darin erklärte er, dass für die Betreffenden die Situation schockierend und existenziell bedrohlich sei, zumal diese in dem Gebäude seit über zehn Jahren mit gültigen Mietverträgen leben würden.

„Aus den Gesprächen mit den Bewohnerinnen und Bewohner stellt sich die Situation für mich so dar, dass die Hauseigentümer seit Jahrzehnten versäumt haben, eine Nutzungsänderung von Hotel- und Gaststättennutzung auf Nutzung zu Wohnzwecken zu beantragen“, schrieb Fuchs weiter. Dies könne aber nicht zulasten der derzeitigen Mieterinnen und Mietern gehen. 

„Die Mieterinnen und Mieter haben keine Zeit zu warten, denn sonst verlieren sie bald ihr Zuhause und stehen auf der Straße“, hatte auch Kalle Gerigk, der in Köln bekannt ist, weil er regelmäßig auf Leerstände und Geisterhäuser aufmerksam macht, am Montag (22. Mai) gegenüber EXPRESS.de erklärt. Bereits am 22. April hatte es eine Protest-Kundgebung gegeben. Für alle Betroffenen ist die drohende Zwangsräumung und der Verlust ihres Zuhauses kaum zu ertragen ...

Wolfgang Bergmann (67) lebt mit seiner Partnerin schon seit 13 Jahren in dem Gebäude an der Wallstraße. Der Rentner ist fest verwurzelt in seinem Veedel, ist ehrenamtlich aktiv als Vorstand im Verein „Mütze e.V.“, der etwa das Second-Hand-Möbellager an der Markgrafenstraße betreibt.

Ende März hatte er – wie seine Nachbarinnen und Nachbarn aus dem Haus mit insgesamt zehn Parteien – einen Brief vom Bauaufsichtsamt der Stadt Köln erhalten. Darin stand, dass er in einem Gebäude lebt, das keine Baugenehmigung zu Wohnzwecken hat. Obwohl die Menschen dort Mietverträge haben, leben sie rein rechtlich illegal in dem Haus.

Angst, in Köln-Mülheim keine andere bezahlbare Wohnung zu finden

Die Mieterinnen und Mieter wie Wolfgang Bergmann befürchten, bei einem möglichen Auszug keine bezahlbare Wohnung zu finden – erst recht nicht in ihrem Umfeld in Mülheim. „Hier was zu finden, ist ja illusorisch. Die ganzen Neubauten haben die Preise hochgetrieben. Für uns würde ein Umzug zudem bedeuten, dass wir unser soziales Umfeld verlassen müssen und auch etwa neue Ärzte suchen müssten“, sagte der Bewohner im Gespräch mit EXPRESS.de.

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Bei der ersten Kundgebung im April wurden die Mieterinnen und Mieter von mehr als 50 Nachbarinnen und Nachbarn sowie Leuten aus dem Veedel unterstützt. Auch die Initiative „Recht auf Stadt Köln“ und der Verein „Sozialistische Selbsthilfe Mülheim“ (SSM), der sich für soziale Themen, etwa bezahlbaren Wohnraum, einsetzt, waren vor Ort.

Wolfgang Bergmann hoffte nun auf Unterstützung aus der Politik. Er hatte den Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs, die Bezirksvertretung Mülheim, den Stadtrat und Oberbürgermeisterin Henriette Reker um Hilfe gebeten.

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Rein rechtlich sieht es so aus, dass ein Antrag auf eine Baugenehmigung zu Wohnzwecken durch den Eigentümer die Situation für die Mieterinnen und Mieter entschärfen würde. Auf Anfrage von EXPRESS.de erklärte die zuständige Hausverwaltung, keine Auskünfte im Namen des Eigentümers erteilen zu können.

Die Zukunft der Menschen aus dem Haus an der Wallstraße: ungewiss. Wolfgang Bergmann hatte sich auch Hilfe beim Mieterverein Köln gesucht. Dessen Sprecher Hans-Jörg Depel erklärte, dass die Menschen unverschuldet in diese Lage geraten sind.

Er sagte: „Hier stehen sich Ordnungsrecht und vertragliches Schuldrecht gegenüber, denn die Mieter besitzen schon seit Jahren wirksame Mietverträge. Das sollte seitens der Stadt Köln im Rahmen ihrer Ermessensausübung mit ausreichend Fingerspitzengefühl beachtet werden. Liegt denn wirklich eine akute Gefahr vor? Und was bedeutet eine Untersagung der Nutzung für die Mieter? Wo sollen diese ausgerechnet in Köln so schnell eine Wohnung finden? Hier bestünde vielleicht sogar die Gefahr einer unverschuldeten Obdachlosigkeit.“