Nach Missgeschick in KölnGünter Wallraff setzt hohe Belohnung aus

Günter Wallraff hilft vielen - jetzt braucht er selbst Hilfe.

Enthüllungsjournalist Günter Wallraff

Ausgerechnet der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff benötigt jetzt Hilfe.

von Ayhan Demirci  (ade)

Günter Wallraff ist eine Institution – auch im 60sten Jahr seines Berufslebens erreichen ihn in Köln Hilfsanfragen von in Not geratenen Menschen, von politisch Verfolgten, von Mitwissern übler Zustände, manchmal meldet sich auch eine Regierungsstelle. Immer heißt es: Herr Wallraff, bitte übernehmen Sie.

Jetzt aber braucht Deutschlands bekanntester Enthüllungsjournalist selbst Hilfe. Wallraff beklagt einen Verlust, der ihn bitterlich schmerzt. Es ist der Ring, der seine erste große Liebe besiegelte.

1966 hatte der damals 24-Jährige die 19-jährige Birgit Böll, Nichte des späteren Nobelpreisträgers Heinrich Böll, geheiratet. Vor wenigen Monaten, beim Stöbern nach alten Unterlagen, war Wallraff daheim in Ehrenfeld auf eine kleine Dose gestoßen, in ihr der schmale Ehering von Birgit, der erste und einzige seines Lebens.

„In diesem Moment hatte mich die große Liebe wieder eingeholt“, erzählt der 82-Jährige. Damals beschloss er, ihn wieder zu tragen. Doch nach einem Missgeschick steht nun fest: Er hat den Ring verloren.

Birgit und Günter Wallraff nach dessen Freilassung aus der Haft in Griechenland, Ende Juli 1974

Birgit und Günter Wallraff nach dessen Freilassung aus der Haft in Griechenland, Ende Juli 1974

„Ich wollte es nicht wahrhaben“, sagt Wallraff. Am vergangenen späten Sonntagabend hatte er mit dem Fahrrad eine seiner regelmäßigen, etwa einstündigen Fahrten unternommen. An der Antoniterkirche an der Schildergasse legte er einen Halt ein, es war 21.30 Uhr. Noch bei der Abfahrt zurück nach Ehrenfeld hatte er sich mit Blick auf die linke Hand vergewissert, dass der Ring da ist. Doch zu Hause angekommen, folgte der große Schreck: Der Ring war weg.

Günter Wallraff suchte die nähere Umgebung ab, doch der goldene Ring, in dem Birgits Name und die Jahreszahl 1966 eingraviert sind, war nicht zu finden. Es sei kühl gewesen, daher sein Finger schmaler, mutmaßt Wallraff, und es habe geregnet – wohl deshalb sei ihm der Ring vom Finger gerutscht.

„Ich habe dann eine Taschenlampe genommen und bin damit bis 1 Uhr nachts meine Fahrtstrecke zu Fuß abgelaufen“, erzählt Wallraff – hin und wieder zurück.

Doch die Suche entlang Schildergasse, Richmodstraße, Auf dem Berlich, Friesenwall, Friesenplatz und Venloer Straße blieb ohne Erfolg. Der ideelle Wert des Rings sei für ihn groß, der materielle Wert eher klein, aber auch das habe eine ganz persönliche Geschichte.

„Wir hatten damals kein Geld. Wir hatten einen größeren Goldring halbieren und daraus unsere Eheringe fertigen lassen.“ Der junge Journalist, Sohn eines Ford-Arbeiters, hatte eine Buchhändlerlehre bei Gonski am Neumarkt absolviert. Birgit Böll hatte gerade die Schule beendet. Wenige Monate nach der Hochzeit kam Tochter Ruth zur Welt, der eine zweite Tochter, Ines, folgte.

Wallraff-Ehe mit Birgit ging in die Brüche

Zwar ging die Ehe in die Brüche, wofür Wallraff sich allein verantwortlich fühlt, doch ihre tiefe freundschaftliche Bindung blieb erhalten. Noch nach der Scheidung hatte Birgit ihn 1974 in Athen, wo Wallraff bei einer Flugblatt-Aktion gegen   die griechische Militär-Junta von Geheimpolizisten zusammengeschlagen und nach Folterverhören zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt worden war, aufgesucht und unterstützt.

„Wir waren bis zuletzt engstens verbunden“, sagt Wallraff. Birgit, die im Jahr 2000 einem Krebsleiden erlag, ist im Familiengrab neben Wallraffs Eltern auf Melaten bestattet.

Für den Ehering hat Wallraff noch Hoffnung – vielleicht hat ihn jemand gefunden. Dem- oder derjenigen, der ihm den Ring zurückbringt, verspricht er eine hohe Belohnung.