Ein Glukose-Skandal erschütterte im Herbst 2019 Köln. In Kürze steht die angeschuldigte Apothekerin unter anderem wegen versuchten Mordes vor Gericht.
Tragödie in KölnSie glaubten, sie machten einen Zuckertest – kurz darauf sind Mutter und Baby tot

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Im Fall der verunreinigten Glukoseabfüllungen in der Heilig-Geist-Apotheke in Köln-Longerich im Jahr 2019 beginnt Mitte Juni 2023 der Prozess gegen eine Apothekerin.
Eine Kölner Apothekerin (52) muss sich ab Mitte Juni vor dem Landgericht verantworten. Durch die Abgabe verunreinigter Glukoseabfüllungen, die zur Herstellung von Glukosetoleranztests bei Schwangeren verwendet werden, waren zwei Frauen vergiftet worden. Eine Frau sowie ihr Baby starben.
Die Anklage gegen die Apothekerin war bereits im Sommer 2020 erhoben worden. Doch erst jetzt wurde das Hauptverfahren eröffnet – nach besonders sorgfältiger und intensiver Prüfung, wie es am Mittwoch (3. Mai 2023) seitens des Kölner Landgerichts hieß.
Glukoseabfüllungen verunreinigt: Kölner Apothekerin vor Gericht
Die verunreinigten Glukoseabfüllungen waren im September 2019 durch die Heilig-Geist-Apotheke in Longerich abgegeben worden. Die Anklage wirft der Apothekerin zwei Taten vor.
Im ersten Fall der Anklage geht die Kölner Staatsanwaltschaft davon aus, dass sie durch Fahrlässigkeit den Tod beziehungsweise die Körperverletzung von zwei Apothekenkundinnen verursacht hat, indem sie unbewusst durch eine sorgfaltswidrige Verwechselung von Standgefäßen Glukose-Monohydrat mit Lidocainhydrochlorid verunreinigte, das später als Glukoseabfüllung in der Apotheke an Kundinnen ausgegeben wurde.
Ein Glukosetoleranztest soll messen, wie gut der Körper eine größere Menge Zucker verarbeiten kann. Bei werdenden Müttern dient er als Test, ob möglicherweise eine Schwangerschaftsdiabetes vorliegt.
Während eine Kundin am 17. September 2019 in der Praxis ihres Gynäkologen wegen des bitteren Geschmacks nur einen Schluck von der Lösung trank, trank die andere Kundin diese zwei Tage später bei demselben Gynäkologen ganz aus. Mit fatalen Folgen.
Sie wurde bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert, dort reanimiert und gleichzeitig wurde per Notkaiserschnitt ihr Baby zur Welt gebracht. Mutter und Kind starben wenig später. Die erste Geschädigte war ebenfalls in eine Klinik eingeliefert worden, doch sie erholte sich rasch von der Lidocainvergiftung.
Prozess in Köln: Anklage auch wegen Mordversuchs durch Unterlassen
Im zweiten Fall der Anklage bewertet die Staatsanwaltschaft das weitere Verhalten der Angeschuldigten als versuchten Mord durch Unterlassen in zwei Fällen. Sie geht davon aus, dass die Apothekerin pflichtwidrig Mitteilungen an das behandelnde Krankenhaus unterlassen hat, durch die – wären sie getätigt worden – die Mutter und ihr Baby möglicherweise vergiftungsspezifisch hätten behandelt und gerettet werden können.
Warum nur versuchter Mord? „Dass eine solche Mitteilung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Rettung der Verstorbenen geführt hätte, davon geht auch die Staatsanwaltschaft nicht aus. Weil dieser Umstand nicht feststeht, hat sie Anklage wegen versuchten Mordes erhoben, obwohl die beiden Verstorbenen tatsächlich nicht überlebt haben“, hatte Gerichtssprecher Jan Orth bereits nach Anklageerhebung in 2020 erklärt.
Der Prozessauftakt ist für den 15. Juni, 9.15 Uhr festgelegt worden. Insgesamt sind 21 Hauptverhandlungstage vorgesehen, das Urteil wird voraussichtlich am 29. September fallen.
In dem Verfahren werden zahlreiche Zeuginnen und Zeugen sowie Sachverständige zu hören sein. Für die Angeklagte gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. (iri)