Mietwucher bei FlüchtlingenWarum zahlt die Stadt Köln die Horror-Mieten?

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Ein Teil der irakischen Familie Qaidi: Die schwangere Frau lebt mit Mann und sechs Kindern in dem Zimmer im „Boarding Home am Schokoladenmuseum“ – 6800 Euro zahlt die Stadt dafür jeden Monat.

Köln – 6800 Euro zahlt die Stadt Köln für die Unterbringung einer achtköpfigen Flüchtlingsfamilie aus dem Irak – für ein 35 Quadratmeter großes Appartement im „Boarding Home am Schokoladenmuseum“. Jeden Monat!

Das sind 194,29 Euro pro Quadratmeter. Lesen Sie hier, wie der EXPRESS über den Fall berichtete.

Ein Blick auf die Internetseite des Boarding Home zeigt: Selbst für eine Suite verlangt die Betreiberin „nur“ 2250 Euro pro Monat – inklusive Flachbildfernseher, fertig eingerichteter Küche, Waschmaschine, WLan und wöchentlicher Reinigung.

Für ein Appartement, wie es die irakische Familie bewohnt, werden sogar „nur“ 950 Euro verlangt. Die Stadt zahlt das Siebenfache. Horror!

Aber warum zahlt die Stadt Köln diese Wuchermieten?

„In der Hochphase der Zugangszahlen hat die Stadt Unterbringungs-Möglichkeiten jeglicher Art gesucht und dringend gebraucht“, sagt Josef Ludwig als Chef des Wohnungsamtes. „Um Flüchtlinge möglichst nicht in Notaufnahmen und Turnhallen unterzubringen, hat man auch auf angebotene Hotels zurückgegriffen. Da die Hotels so auf ihren »normalen« Kundenstamm verzichten und ihre Zimmer aus Online-Portalen herausnehmen mussten, war eine Belegung nur durch eine Garantie der Platzzahl sowie Laufzeit möglich.“

Derzeit gibt es einen Aufnahmestopp

In der Hochphase der Flüchtlingsströme zwischen September 2015 und Herbst 2016 wurden Köln von der Bezirksregierung Arnsberg wöchentlich bis zu 500 Flüchtlinge zugewiesen. Aktuell gibt es einen Aufnahmestopp.

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Flüchtlingshelfer Kleinöder mit Familienvater Qaidi.

Die Stadt plant und baut in 2018 neue Flüchtlingshäuser mit insgesamt 3000 Plätzen. Aktuell leben noch 2247 Geflüchtete in Hotels. 2016 waren es noch gut 3000. Mit 3000 neuen Plätzen könnte man alle Hotels leerziehen – und hätte trotzdem noch 753 Plätze in Reserve. „Wann auf die Hotelunterbringung ganz verzichtet werden kann, hängt auch von der Entwicklung der Flüchtlingszahlen ab“, sagt Ludwig.

Ein Hotelier bekommt seit 2011 Geld

Der am längsten gültige Vertrag läuft mit einer Appartement-Unterkunft in Mülheim – hier zahlt die Stadt seit 2011 rund 600.000 Euro pro Jahr. Macht über die Jahre 4,2 Millionen Euro für den Besitzer – dafür könnte man es kaufen.

SPD-Fraktionschef Martin Börschel meint: „Es ist empörend zu sehen, wie skrupellos sich einige Geschäftsleute an der Not anderer Menschen bereichern und sich die Taschen mit den Einnahmen aus horrenden Wuchermieten vollstopfen. Die Stadtverwaltung muss nun schnellstmöglich alle Verträge überprüfen und nach Möglichkeit frühzeitig kündigen. Diesen miesen Geschäften muss ein Riegel vorgeschoben werden.“

Zahlen und Fakten zum Thema:

  • Eine Person hat in einer Unterkunft Anspruch auf elf bis 14 Quadratmeter, jede weitere (einer Familie) auf sechs bis acht. Macht bei acht Personen 52 bis 70 Quadratmeter. „Aufgrund der hohen Zugangszahlen konnten diese Maßstäbe nicht immer eingehalten werden“, sagt Josef Ludwig. 
  • Je nach Hotel verlangen die Hoteliers zwischen 20 und 35 Euro pro Platz. 
  • Die Überwachung der hygienischen Zustände der Hotels übernehmen Mitarbeiter des Sozialen Dienstes des Amtes für Wohnungswesen.
  • Mit Stichtag 31. März 2018 hat das Amt für Wohnungswesen 9653 Geflüchtete wie folgt untergebracht. Notaufnahme (345), weitere Notunterkünfte (959), Leichtbauhallen (300), mobile Wohneinheiten (1251), Systembauten (1220), abgeschlossene Wohneinheiten (1194), Mehrfamilienhäuser (1658), Einfamilienhäuser (165), Einzelwohnungen (314), Hotels (2247).

(exfo)