Promikoch Kotaska gestehtIn Köln fiel er auf eine besondere Spezialität rein

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Mario Kotaska beim EXPRESS-Interview

Köln – Kein öffentliches Kochen, keine Kochkurse, keine Vorträge – für den Kölner Sterne- und TV-Koch Mario Kotaska (46) ist zurzeit beruflich fast alles auf Null, sein Einsatzort hat sich komplett geändert: Seine Frau geht arbeiten, er bleibt zuhause, betreut die Kinder, wäscht die Wäsche, bereitet drei Mahlzeiten am Tag zu – und im Garten bastelt er einen „Kotaska-Grill-Wagen“ für seinen Online-Shop.

Arbeit in einer neuen Welt – wie fühlt sich das an? Im EXPRESS-„Köln-Gespräch“ gibt er Antworten.

EXPRESS: Wie ist es für einen Koch, am Herd den Wünschen der ganzen Familie gerecht zu werden?

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Mario Kotaska: Es ist nicht einfach, es ist eine à-la-Carte-Situation, denn jeder möchte was anderes essen und meist nicht das, was ich vorschlage. Unser Kompromiss: Damit alle zu ihrem Recht kommen, müssen alle mal alles probieren.

Ihre Kinder sind 10 und 14. Wie klappte das mit Homeschooling?

Beim Großen erstaunlich gut. Bei der Kleinen ist es nicht ganz so, sie ist erst in der vierten Klasse, und ich merke, wie sehr sie sich von vielen Dingen ablenken lässt. Jetzt sehe ich, wie wichtig ein gutes Schulsystem ist. Das haben die Kinder wohl auch gemerkt – sie freuen sich drauf, wenn sie wieder in die Schule können. Diese Freude gab es vor der Krise nicht.

Sie haben das Glück, dass Sie im idyllischen Rondorf wohnen und nicht in einem Wohnsilo irgendwo in der Stadt…

Stimmt, durch dieses Fast-Ländliche fällt mir die Decke nicht auf den Kopf. Wenn ich die Tür aufmache, stehe ich im Garten, der in diesem Jahr geleckt wie noch nie aussieht. Ich habe mit meinem Nachbarn das „Projekt Hühnerstall“ gestartet – wir sind stolze Halter von vier Hühnern, die jetzt ein neues Haus bekommen.

Wie sind Sie auf Hühner gekommen?

Ich bin auf dem Land groß geworden, wir hatten unseren Ackerbau, ein Schweinchen im Stall, viel Gemüse im Garten und natürlich Hühner auf dem Hof. Ich habe damals gelernt, dass Tiere, die man selber hält, und Früchte vom Strauch besser schmecken als gekaufte. Ich habe aber auch nie vergessen, dass Ehrfurcht vorm Produkt wichtig ist. Es ist egal, ob man ein Huhn oder eine Karotte verarbeitet – es ist beides aus der Natur, man muss jedem Lebensmittel den notwendigen Respekt zollen.

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Sonnige Aussicht: Mario Kotaska vor blauem Himmel.

Rondorf ist etwas weg vom Schuss – leben Sie da trotzdem gern?

Rondorf ist der Glücksfall. Wir hatten vorher in einer Dachgeschosswohnung in Bayenthal gewohnt und mit den Kindern festgestellt, dass ein bisschen außerhalb viel besser für uns wäre. Ich bin hier auf dem Dorf und trotzdem relativ schnell in der Stadt, der Bus braucht eine halbe Stunde zum Dom. Wir haben Lokale, zwei Apotheken, eine Bank, eine Post – alles, was man braucht.

Haben Sie hier auch ein Stammlokal?

Wenn man mich in Rondorf sucht, bin ich oft bei der Terrasse bei Dimi, den ich seit 15 Jahren kenne – damals hatte er das „Rosebud“ im Kwartier Latäng. Sein Stammtisch – die sogenannte „100“ – ist einer der wichtigsten Punkte im Dörfchen. Innerhalb einer halben Stunde weiß ich alles, was gerade los ist – und noch mehr. 

Sie kommen aus Nordhessen, eine Gegend, die nicht als Feinschmecker-Paradies gilt. Wie wird man da zum Sterne-Koch?

Dass ich so gern koche, liegt an meiner Oma, die so lecker gekocht hat. Ich wollte schon als Kind so kochen können wie sie. Aber natürlich wollte ich auch weg von zu Hause. Ich habe einen Ausbildungsplatz im Badischen gefunden, im damaligen 5-Sterne-Haus Schloss-Hotel Bühlerhöhe im Schwarzwald. Und so ging alles los.

Sie waren danach sehr viel unterwegs, haben in den besten Häusern gekocht – wie kam es, dass Sie 2002 in Köln hängen geblieben sind?

Reiner Zufall. Ich war stellvertretender Küchenchef in Berlin, wollte auch mal richtiger Küchenchef werden und hörte, dass Peter Hessler für sein „La Societé“ im Kwartier Latäng einen suchte. Ich habe mich beworben, er wollte mich haben, ich stellte mich auf zwei, drei Jahre Köln ein, dann wollte ich weiterzuziehen. Schon deswegen, weil das Kwartier Latäng und das La Societé auf den ersten Blick nicht den besten Eindruck auf mich machten.

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Dennoch sind aus den zwei, drei Jahren bisher 18 geworden…

…und es werden wohl noch viel mehr. Ich bin in ein Räderwerk geraten, das nicht mehr aufzuhalten war. Meine jetzige Frau kam aus Berlin nach, das Restaurant erhielt seinen ersten Stern, mein Sohn kam im Klösterchen zur Welt, wir haben geheiratet, dann kam die Tochter, auch im Klösterchen – und es ging immer weiter, und ich bin geblieben.

Kannten Sie Köln vorher?

Nur durch meinen Patenonkel und dessen Liebe zu Pierre Littbarski. Mein Onkel sah seine größte Erziehungsaufgabe darin, mir jahrelang Handtücher, Bettwäsche und Fußball-Trikots des FC zu schenken. Und weil ich meinen Onkel mochte, entwickelte sich auch eine Sympathie für Köln und den FC, obwohl ich beides nur von weitem kannte.

Stelli und K.

EXPRESS-Reporter Horst Stellmacher (links) traf Mario Kotaska zum Köln-Gespräch.

Hat die Pierre-Littbarski-Bettwäsche die Liebe zum FC entfacht?

Leider nicht. Beim Fußball schlägt mein Herz weiter für Schalke. Aber ich bin absoluter Haie-Fan. Überzeugt hat mich vor zehn Jahren der jetzige Geschäftsführer Philipp Walter: „Komm einfach mit. Warste einmal da, gehste immer hin!“ Er hat recht behalten. Mich faszinieren die Härte, die Schnelligkeit und die Präzision. Und dass sich die Aggressivität auf der Spielfläche nicht auf die Zuschauer überträgt. Ich kann meine Kinder mitnehmen, die können überall rumrennen, und ich weiß, es passiert nichts.

Wie war Ihre erste Begegnung mit Kölner National-Gerichten?

Es war ein Erlebnis wie aus einem Touristen-Handbuch. Als meine Frau mich erstmals in Köln besuchte, sind wir ins Haus Unkelbach gegangen. Ich habe mir einen Halven Hahn bestellt - und wirklich ein halbes Hähnchen erwartet! Das Käse-Brötchen hat mich vollkommen überrascht! Aber fand ich gut: Ich habe dann fürs La Societé „kölsche Tapas“ als „Gruß aus der Küche“ eingeführt: Halver Hahn, Erbsensuppe mit Würstchen, Flönz mit Kartoffelpüree und ein Kölsch – alles in Mini-Größe. Ein Riesen-Erfolg!

Sie entwickeln gerade für Ihren neuen Online-Shop „mariokotaska.com“ eine Grillwagen-Serie. Gibt es nicht schon genug Geräte dieser Art?

Mein Grillwagen ist anders. Im Schneidebrett ist ein kleines Loch, das mit einem Mülleimer verbunden ist. Ich kann also die Schneidereste noch während des Schneidens sofort darin verschwinden lassen, ohne was wegzutragen, von dem mir dann meist was auf den Boden fällt. Finde ich genial! Das Ganze habe ich mit meinem Freund, dem Schreiner Michael Advena, entwickelt.

War es eigentlich Ihr Ziel, eines Tages Fernsehkoch zu sein?

Ich bin dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Ich habe 2005 an einem Casting in München teilgenommen, weil ich mal wieder meinen Freund Ralf Zacherl treffen wollte, der auch eingeladen war. Das Casting war uns vollkommen egal. Dennoch haben wir wohl so überzeugt, dass wir im nächsten Jahr bei RTL2 „Die Kochprofis“ starteten. Vier Sendungen waren geplant, und es wurden fast 100 draus – der Anfang der TV-Karriere.