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Kölner ZeitzeugnisFoto zeigt Hitler auf Venloer Straße/Gürtel

Eine Menschenmenge begrüßt Adolf Hitler in Köln

Adolf Hitler passiert am 26. August 1934 die Kreuzung Venloer Straße/Ehrenfeldgürtel. 

Wie aus dem Nichts tauchen über 60 Jahre nach ihrem Entstehen zeithistorische Fotos aus Köln auf – eine damals 18-jährige junge Frau aus dem Agnesviertel rettet die Negative vor der Vernichtung. Davon handelt die erste Folge einer Reihe auf EXPRESS.de über erstaunliche Geschichten aus der Stadt.

Als der Kölner Josef Neufeind, wohnhaft am Ehrenfeldgürtel 155, später Fridolinstraße 4, am Morgen des 26. August 1934 auf der Kreuzung Venloer Straße/Ecke Ehrenfeldgürtel auf den Auslöser drückt, hat er den „Führer“ im Kasten. Adolf Hitler, Reichskanzler und Chef der NSDAP, blickt in Richtung des Amateurfotografen.

Unscharf erscheint eine sich zum Hitler-Gruß streckende Hand unmittelbar vor der Linse. Den größten Teil der Bildfläche nimmt ein Wohn- und Geschäftsgebäude ein, das Haus Venloer Straße 350a. An einem der Balkone ist eine Hakenkreuzfahne angebracht. Eine Uhr an der Hausfassade zeigt: Es ist 9.44 Uhr.

Bei der späteren Erforschung des Zeitdokuments scheint die örtliche Zuordnung zwischenzeitlich unklar gewesen zu sein. „Hitler in München?“ hat jemand auf die Rückseite des Abzuges geschrieben, den Ibrahim Basalamah, Archivar im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, am damaligen Schauplatz der Fotografie in der Hand hält. Überhaupt ist die ganze Geschichte abenteuerlich.

Aus der überschaubaren Anzahl von Fotos, die Hitler in Köln zeigen – er besuchte die Stadt insgesamt 20-mal – ragt das Motiv aus Ehrenfeld heraus, weil es den Diktator inmitten einer euphorischen Menge im „Veedel“ zeigt. Die Venloer Straße ist gesäumt von teilweise uniformierten Menschen, die den rechten Arm recken, als der Konvoi mit Hitler im offenen Wagen stehend die Menge passiert. Auch Kinder sind auf dem Bild zu sehen.

Im großen Eckhaus haben sich an jenem Sonntag Bewohner an den Fenstern versammelt, um den „Führer“ zu begrüßen. Der war, aus München kommend, um 9.20 Uhr in Begleitung von Propagandaminister Joseph Goebbels auf dem Flugplatz Butzweilerhof gelandet. Auf dem Programm stand ein Besuch der Saarausstellung in der Kölner Messe. Der „Westdeutsche Beobachter“ berichtete von einem „Triumphzug durch die Stadt“ bei „strahlender Sonne“. Die „vielhunderttausend Heilrufe“ schwollen demnach „zu einem Orkan“ an.

„Als wir im NS-DOK Material für einen Bildband über Köln im Nationalsozialismus zusammensuchten, ist mir die Aufnahme mit dem Hitler-Konvoi aufgefallen und dass sie noch nicht lokalisiert worden war. Und doch war deutlich zu erkennen, dass der Konvoi das Kaufhaus van Exel passiert“, erinnert sich Ibrahim Basalamah zurück. Das 1923 von Gerhard van Exel gegründete Geschäft im 1895/1896 erbauten Haus verkaufte anfangs Glas- und Porzellanwaren, später auch Haus- und Küchengeräte.

NS-DOK- Archivar mit historischem Foto von Hitler-Besuch in der Hand

Ibrahim Basalamah, Archivar im NS-DOK Köln, steht an der Stelle, an der der Hitlerkonvoi 1934 die Ehrenfelder Kreuzung passierte.

„Nach dem Krieg befand sich an der Adresse ab 1948 das Herrenbekleidungsgeschäft Albert Wallpott“, erklärt Dr. Dieter Brühl vom Ehrenfelder Bürgerverein den Bezug des Hauses zu einer namhaften Ehrenfelder Kaufmannsfamilie. Im Krieg war der Komplex zum größten Teil erhalten geblieben, die oberen Etagen des am Gürtel liegenden Gebäudeteils existieren allerdings nicht mehr.

Hitler blieb an jenem Augusttag 1934 nicht lange in Köln: „Gegen 11.45 Uhr erfolgte vom Messegelände die Abfahrt auf einer Motorjacht nach Koblenz zur großen Saartreuekundgebung auf dem Ehrenbreitstein“, schrieb der „Westdeutsche Beobachter“, der dem Führerbesuch drei Seiten widmete.

Dass das Foto vom Hitler-Rausch in Ehrenfeld überhaupt erhalten geblieben ist, ist einem geradezu ungeheuerlichen Zufall zu verdanken: Das dazugehörige Negativ wurde im Herbst 1990 von einer jungen Frau im Sperrmüll entdeckt – in einem Konvolut von insgesamt 227 Aufnahmen. Das Material lag in einer an der Ecke Weißenburgstraße/Ewaldistraße im Kölner Agnesviertel abgestellten Kiste.

Die damals 18-jährige Yvonne Garborini hatte den auf einem Stromkasten platzierten Karton bereits auf dem Hinweg gesehen. Als er auf dem Rückweg noch immer da war, nahm sie das Behältnis an sich. Zusammen mit ihrer Mutter inspizierte sie den Inhalt. Bald war klar: Yvonne Garborini hatte einen außergewöhnlichen Fund gemacht. Mutter und Tochter informierten das NS-DOK darüber. Das ließ im August 1991 Abzüge der Bilder reproduzieren.

Eine Firmenbroschüre des Unternehmens Erb & Co, die neben den Negativen gelegen hatte, führte bei weiteren Recherchen des NS-DOK auf die Spur des Fotografen. Josef Neufeind war Prokurist und Mitinhaber des Modehauses Erb & Co. am Neumarkt.

Von diesem zentralen Kölner Platz stammen mehrere Fotos, die Adolf Hitler bei einem weiteren Besuch in Köln zeigen – am 28. März 1936. Das NS-Dokumentationszentrum konnte rekonstruieren, dass Neufeind an jenem Tag aus einem Fenster im 3. Stock seines Arbeitsplatzes an der Ecke Neumarkt/Zeppelinstraße fotografiert hatte. Die insgesamt 43 Aufnahmen zeigen eine große Menschenmenge und ein Straßenspalier, das der Hitlerkonvoi - mit Joseph Goebbels, NS-Spitzenfunktionär Robert Ley und Gauleiter Josef Grohé - in Richtung Schildergasse passiert.

Menschenmenge und Hakenkreuzschmuck auf der Schildergasse

Menschenmenge am Eingang der Schildergasse während Hitlers Besuch in Köln, auch der angrenzende Neumarkt war am 28. März voller Menschen. (Fotograf: Josef Neufeind)

Staats- und Parteichef Hitler hielt anschließend eine Rede im Veranstaltungssaal Gürzenich, dann eine weitere in der Messe. Ein Großer Zapfenstreich der Wehrmacht beendete den Hitler-Tag mit aufwendiger Fackelzeremonie. Das NS-Regime hatte wenige Wochen zuvor mit einem Bruch des Versailler Vertrags das entmilitarisierte Rheinland durch Wehrmachtstruppen besetzen lassen.

Nach Auffassung des NS-DOK geben Josef Neufeinds Aufnahmen – gerade wegen ihres privaten Charakters – einen aufschlussreichen Einblick in die Stimmung der Bevölkerung bei Hitlers Köln-Besuchen. „Sie widerlegen damit auf anschauliche Weise das heute noch vielfach vorhandene Stereotyp, die Kölner hätten dem Nationalsozialismus und Hitler prinzipiell ablehnend gegenübergestanden.“

Cover Kölner Geheimnisse Band 2 von Ayhan Demirci und Maira Schröer

Cover Kölner Geheimnisse Band 2 von Ayhan Demirci und Maira Schröer

Diese Geschichte stammt aus dem neuen Köln-Buch „Kölner Geheimnisse Band 2/ 50 neue spannende Geschichten aus der Dom-Metropole“, die im Bast-Verlag erschienen ist (192 Seiten, 24 Euro). Sieben Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes sind es diesmal die Autoren Ayhan Demirci und Maira Schröer, die sich auf die Spuren Kölner Geschichte begeben haben und ausgehend von Objekten und Relikten in der Stadt von außergewöhnlichen Begebenheiten erzählen.