Ausweis-BoomWarum alle auf einmal heiß auf den kölschen Pass sind

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Die Einbürgerung ist derzeit hoch im Kurs.
Köln – Bei der Landtagswahl werden hier ganz besondere Erstwähler ihre Stimme abgeben können.
Denn im vergangenen Jahr wurden in Köln 2781 Menschen eingebürgert. Das sind so viele wie in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr, wie das Landesamt für Statistik ermittelt hat.
Allein zum Vorjahr gab es einen Anstieg auf den „kölschen Pass“ um 10,5 Prozent. Mit den deutschen Papieren haben die eingebürgerten Kölner alle Pflichten und Rechte erhalten.In der Nationenwertung machten die Briten den mit Abstand größten Sprung: In Kölner Amtsstuben werden die Folgen des Brexit konkret. 51 Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs haben sich hier einbürgern lassen.
Der Boom kam nach dem Brexit
In den Jahren zuvor waren es zwei, mal drei, höchstens fünf Briten, die diesen Schritt wagten. Das ist mal eben eine Verzehnfachung. Nicht auszudenken, was bei einem Wahlsieg von Marine Le Pen und dem Fraxit zu erwarten gewesen wäre…
Die Liste der Herkunftsländer führt die Türkei traditionsgemäß an. Und das Ranking ist immer auch ein Spiegelbild der weltpolitischen Entwicklungen.
Durch die Einbürgerungen bleibt Köln jung. Nahezu zwei Drittel waren unter 40 Jahre alt.
Die Vorgaben für eine Einbürgerung sind je nach Konstellation höchst unterschiedlich. Die Stadt bietet eine umfangreiche Beratung an. Wer den Schritt gehen möchte, muss eine Gebühr von 255 Euro zahlen, für Kinder werden 51 Euro fällig.
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, lädt die Stadt zur feierlichen Übergabe der Einbürgerungsurkunde ein.
Dabei müssen alle ein „mündliches Bekenntnis auf das Grundgesetz in Form eines feierlichen Eides“ leisten, so die Stadt. Erst danach können sie den neuen, kölsch-deutschen Pass beantragen.
Mr. Sutherland ist jetzt Deutscher

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Graham Sutherland (63) lebt seit 1980 in Köln. Wegen des Brexits ließ sich der Sprachlehrer jetzt einbürgern.
Graham Sutherland (63) ist eigentlich der perfekte englische Gentleman: Und so begrüßt er die Schüler in seiner kleinen Sprachschule am Sudermanplatz auch stilecht mit englischem Tee.
Doch seit dem 23. März ist alles anders: Denn aus „Mister“ wurde „Herr“ Sutherland. Und das kam so: „Der konkrete Auslöser war der Brexit im Juni 2016. Denn ich möchte gerne hierbleiben – und nach der Entscheidung trieb mich die Frage um, ob ich hier weiterarbeiten kann.“
Große Erleichterung
Umso größer war seine Erleichterung, als er vier Monate nach dem Einbürgerungstest von der zuständigen Sachbearbeiterin im Rathaus Mülheim seine Einbürgerungsurkunde mit einem Handschlag ausgehändigt bekam.
„Das hat was ausgemacht. Ich denke und fühle mich mehr als Deutscher. Jetzt kann ich wählen, beschäftige mich mit deutscher Politik.“
Ein paar Unterschiede zwischen Briten und Deutschen stechen ihm aber nach wie vor ins Auge: „Ich bin immer noch unpünktlich“, so der 63-jährige Cambridge-Absolvent, der lange in London lebte, lachend. Und beim Schlange-Stehen gäbe es einen kleinen Unterschied zwischen Insel und Kontinent: „Engländer stehen auch ungern an, sind aber disziplinierter.“
Einen direkten Vorteil des „Deutsch-Seins“ hat der Sprachlehrer schon erfahren: „Wenn du sagst, dass du Engländer bist, wollen immer alle Deutschen ihre Englischkenntnisse an dir ausprobieren“, so Sutherland.
Jetzt kann er einfach sagen: „Sorry, ich bin Deutscher.“
Einen massenhaften Ansturm seiner Landsleute erwartet Sutherland übrigens nicht: „Aber ich bin schon gespannt, ob jetzt noch der eine oder andere auch einen deutschen Pass beantragt.“
(exfo)