Fass-Trick soll helfenKölner Politiker fordert Unterstützung für Kölsch-Brauereien

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Viele Bierfässer, wie hier in einer Veltins-Brauerei in NRW, stehen rum, weil die Gastronomie aufgrund der Corona-Pandemie nicht öffnen und kein Bier ausschenken darf. Das Foto wurde am 10. Oktober 2020 aufgenommen.

Köln – Wenn nach dem Ende des Lockdowns Kneipen und Gaststätten irgendwann wieder öffnen können, dürften viele Wirte noch seit Monaten eingelagerte Bierfässer im Keller haben. Damit das Bier nicht weggeschüttet werden muss, haben sich einige Brauereien etwas einfallen lassen. Und auch die Politik will gerade den kleinen und mittelgroßen Kölsch-Brauereien helfen.

  • Kölner Politiker fordert Hilfe für Kölsch-Brauereien
  • Große Bierbrauer behelfen sich mit Fass-Trick
  • Corona: Gastro-Öffnung noch nicht absehbar

Tausende gefüllte Bierfässer stehen in den Kellern von Kneipen und Restaurants, denn schon seit Monaten sind die Gaststätten dicht. Das eingelagerte Bier erreicht jetzt in vielen Fällen sein Mindesthaltbarkeitsdatum. Um die Fässer nicht vor der erhofften Wiederöffnung der Lokale zurückholen und das Bier wegschütten zu müssen, verlängern Brauereien das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) nachträglich.

Köln: Brauereien verlängern Mindesthaltbarkeitsdatum von Bierfässern

Der Branchenführer Radeberger und die Warsteiner Brauerei haben an Großhändler Banderolen für die Bierfässer geschickt, auf denen die zugesicherte Qualitätsgarantie um zwei Monate ausgeweitet wird, wie die Unternehmen jetzt bestätigten.

„Fassbier ist infolge der Lockdowns praktisch unverkäuflich geworden“, klagt eine Sprecherin der Radeberger Gruppe, zu der Marken wie Jever, Radeberger Pils und Brinkhoff’s No. 1 gehören. Schon im ersten Lockdown hätten die Brauereien große Mengen des produzierten Fassbiers entsorgen müssen. Obwohl die Fassbierabfüllung seit Beginn des zweiten Lockdowns im November 2020 ruhe, habe dies jetzt erneut gedroht.

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Die Kölner Gastronomie bleibt weiterhin geschlossen. Das Foto zeigt zusammengestellte Tische auf dem Kölner Altermarkt im November 2020.

„Die Vernichtung dieses aus besten Rohstoffen und wertvollen Ressourcen aufwendig hergestellten, weiterhin bedenkenlos genießbaren Lebensmittels schmerzt jeden Brauer“, so Radeberger-Sprecherin Birte Kleppien. Nach der Prüfung von Rückstellproben habe sich der Braukonzern deshalb entschlossen, das auf den Fässern ausgewiesene Mindesthaltbarkeitsdatum von sechs Monaten um zwei Monate zu verlängern: „Denn das Mindesthaltbarkeitsdatum ist keineswegs ein Verfallsdatum.“

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Auch auf dem Heumarkt gibt es keine Außengastronomie. Und das seit über einem Jahr, wie unser Foto vom 14. März 2020 zeigt.

Auch die Warsteiner Brauerei hat zur Verlängerung des Mindesthaltbarkeitsdatums um zwei Monate gegriffen. Bei sachgemäßer Lagerung könne das Bier „einwandfrei ausgeschenkt und ohne Qualitätsverlust genossen werden“. Dieser „unbürokratische Lösungsweg, der nur geringfügige Mengen betrifft“, sei mit dem Getränkegroßhandel besprochen und dort begrüßt worden, versichert Warteiner-Sprecherin Sinje Vogelsang. Sie verwies auf die Kampagne „Zu gut für die Tonne!“ der Bundesregierung gegen Lebensmittelverschwendung.

Köln: Keine Gastro-Öffnung in absehbarer Zeit aufgrund der Corona-Pandemie

Offen ist, ob auch die kleinen und mittelständischen Kölsch- und Altbrauereien an dem MHD drehen wollen. Die Branche in Köln hatte ja gehofft, dass es in absehbarer Zeit zu Öffnungen der Gastronomie kommt – zumindest draußen, etwa in Biergärten.

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Noch im Februar 2019 sah es auf dem Heumarkt so aus. Diesen Anblick ersehnen sich nicht nur die Gastronomen in Köln.

Es ist nicht verboten, die Haltbarkeitsfrist nachträglich zu verlängern. „Lebensmittel dürfen über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus verkauft und dafür umetikettiert werden“, stellt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit klar. Die Unternehmen müssten aber vorher prüfen, ob die Produkte weiter sicher seien.

Auch aus Sicht der Verbraucherzentrale ist die nachträgliche MHD-Verlängerung unproblematisch. „Von der Mikrobiologie her sehe ich da kein Problem“, sagte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Kleinere Aromaveränderungen“ könne es aber eventuell geben. Das Bier müsse jedenfalls dunkel und kühl gelagert werden.

Unumstritten ist die Verlängerung der Mindesthaltbarkeitsfrist in der hart umkämpften Bierbranche nicht. „Für uns kommt das Umetikettieren nicht in Betracht, denn es geht um Frische“, sagte ein Sprecher der Veltins-Brauerei. Um die Wirte vor dem Neustart mit frischem Bier beliefern zu können, habe Veltins die alten Fässer zurückgenommen.

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SPD-Fraktionschef Martin Börschel, hier im NRW-Landtag im Mai 2020, fordert Hilfe für Kölsch-Brauereien.

Und warum zeichnen die Brauereien ihr Fassbier nicht gleich mit einer Neun-Monats-Haltbarkeitsfrist wie ihr Flaschenbier aus? Bei Radeberger verweist man auf logistische Gründe: „In Zeiten ohne Pandemie sind wir darauf angewiesen, dass unsere Fässer schnell zu uns zurückgeführt werden, um der Nachfrage gerecht werden zu können“, sagte Sprecherin Kleppien. Das sei mit dem kürzeren MHD zu erreichen.

Köln: SPD-Politiker Martin Börschel fordert Hilfe für Kölsch-Brauereien

Die SPD im Landtag fordert, dass die kleinen Brauereien unterstützt werden. Der Kölner Landtagsabgeordnete Martin Börschel: „Denn durch die noch vorhandenen Umsätze im Lebensmittel- und Getränkehandel sind die meisten Brauereien von den Wirtschaftshilfen für Gastronomie und ihre Zulieferer bis heute ausgeschlossen. Die NRW-Landesregierung muss sich beim Bundeswirtschaftsminister dringend dafür einsetzen, das zu ändern. Denn vor allem regional ausgerichtete und oft familiengeführte Mittelstandsbrauereien, wie sie gerade hier in Köln zahlreich vertreten sind, sind negativ betroffen.“ Er fordert außerdem, die Biersteuer für kleinere und mittlere Brauereien für die kommenden drei Jahre auszusetzen.