Kölns Stadtkämmerin Prof. Dr. Dörte Diemert (45)„Finanzen sind nicht immer sexy“

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Kann auch klare Ansagen machen, wenn es um die Finanzen der Stadt geht: Stadtkämmerin Prof. Dr. Dörte Diemert.

Köln – Köln Rund fünf Milliarden Euro – so hoch ist der Jahresetat der Stadt Köln. Und dafür zuständig ist seit 24. Januar 2019 Prof. Dr. Dörte Diemert. Sie ist Kölns Stadtkämmerin, Finanzministerin der Stadt. Mit EXPRESS sprach die promovierte Juristin und Honorarprofessorin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster über Kölns Finanzlage, Wohnungsnot, marode Infrastruktur und den Rhein.

Diemert lebt im Agnesviertel

EXPRESS: Frau Diemert, sind Sie schon in Köln angekommen?Dörte Diemert: Ich bin zwar gebürtige Düsseldorferin, lebe aber mit meinem Mann seit 2008 im Agnesviertel. Hier sind wir mit Überzeugung zu Hause! Wir haben uns für Köln entschieden, weil ich damals beim Deutschen Städtetag angefangen habe...

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Akten, Akten, Akten: Stadtkämmerin Dörte Diemert ist quasi Kölns Finanzministerin – und verantwortlich für einen Jahresetat von knapp fünf Milliarden Euro.

...da waren Sie für die Kommunalfinanzen zuständig!Ich habe für den Städtetag alle finanzpolitischen Großvorhaben der Bundes- und Landesregierung begleitet, denn die Entscheidungen der Regierungen haben oft unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzen der Städte und Gemeinden. Auch die Begleitung von Verfassungsgerichtsprozessen gehörte zu meinen Aufgaben.

Was hat Sie von der Uni zum Städtetag gebracht?Ich war erst nur Wissenschaftlerin, wollte aber auch in der Praxis arbeiten.

Dörte Diemert: „Finanzen sind nicht immer sexy“

Warum haben Sie sich ausgerechnet Finanzen ausgesucht?Finanzen sind nicht immer sexy. Aber ich finde es spannend. Deshalb bin ich ja dann auch als Stadtkämmerin nach Duisburg gegangen.

Riesiges Haushaltsloch, kaum handlungsfähig……einfach kann jeder.

Ist es um die Kölner Finanzen besser bestellt?Köln ist eigentlich in einer ganz guten finanziellen Lage: Es bestehen derzeit Investitionskredite von 1,8 Milliarden Euro – für die aber Werte geschaffen werden. Der Stand bei den Krediten zur Liquiditätssicherung – vergleichbar mit dem Dispokredit – liegt bei 870 Millionen Euro. Letzteres ist nicht schön, aber im Vergleich zu anderen eher überschaubar.

Was ist eine beliebte Frage an eine Kämmerin?Wo wollen Sie sparen?!

Wo wollen Sie sparen?Der Stadtrat entscheidet, wofür Geld ausgegeben werden soll und wofür nicht.

Dörte Diemert: „Köln ist nicht Wolkenkuckucksheim“

Aber Sie bringen doch den Haushalt ein, über den der Rat diskutieren und entscheiden muss. Da müssen Sie doch eigene Akzente setzen.Mir ist es wichtig, das gemeinsam mit der OB und den Kolleginnen und Kollegen auf den Weg zu bringen. Klar ist: Köln ist nicht Wolkenkuckucksheim! Man kann jeden Euro nur einmal ausgeben. Wir müssen alle darauf achten, kostenbewusst zu arbeiten.

Der Haushalt soll im August eingebracht, vor Jahresende beschlossen werden – und dann gleich für die Jahre 2020 und 2021 gelten. Wieso?Der Rat hat dies beschlossen. Ohne einen Doppelhaushalt bestünde die Gefahr, dass der Haushalt für das Jahr 2021 – wegen der Kommunalwahl im Herbst 2020 und der dann notwendigen Neubildung des Stadtrates – nicht mehr rechtzeitig beschlossen werden könnte. So haben alle bis Ende 2021 Planungssicherheit.

Bei einzelnen Dezernaten hatte man in der Vergangenheit den Eindruck, dass sie mehr Finanzbedarf angemeldet haben, als sie jemals ausgeben konnten.Meine Vorgängerin hat dies gemeinsam mit der OB auf ein realistisches Maß reduziert. Man kann als Stadtkämmerin durchaus planerische Vorgaben machen – und ich werde dies, wenn notwendig, tun.

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Rote Jacke an und den Rotstift in der Hand: Stadtkämmerin Prof. Dr. Dörte Diemert.

Sie sind aber immer abhängig von den jeweiligen Mehrheiten im Rat. Ist das nicht hinderlich?Dass sich Mehrheiten ändern ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Ich setze auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen demokratischen Fraktionen und Gruppen.

Dörte Diemert: „Ich bin den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet“

Ist Parteilosigkeit ein Vorteil?Ich bin parteilos und wurde in Duisburg auf Vorschlag der SPD und in Köln auf Vorschlag der Grünen jeweils mit breiter Mehrheit gewählt. Ich habe mich über das große Vertrauen sehr gefreut und gebe es gern zurück. Klar ist aber auch: Ich bin als Chefin der Finanzverwaltung vor allem der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet.

Die oft an ihrer Stadt verzweifeln! Wo sehen Sie die Herausforderungen Kölns?Köln wächst rasant. Mehr Menschen heißt: Wir brauchen mehr Wohnungen. Und mehr Kita- und Schulplätze – allein hier investieren wir zwischen 2019 und 2021 rund 472 Millionen Euro in 146 Maßnahmen. Wir müssen unsere Infrastruktur sanieren, erweitern und instand halten.

Es gibt einen enormen Sanierungsstau in Köln.Nicht nur in Köln! Aber hier wirkt es sich besonders gravierend aus, dass man bei vielen Bauwerken, wie zum Beispiel der Mülheimer Brücke, zu lange gewartet hat. Wir müssen dazu kommen, Bauwerke in kürzeren Intervallen instand zu halten.

Wie viel Geld wird denn in die größten Projekte nach derzeitigem Stand investiert?Wir reden von insgesamt rund einer Milliarde Euro für die Mülheimer Brücke, Jüdisches Museum mit Archäologischer Zone, die dritte Baustufe der Nord-Süd-Stadtbahn…

Und in zwei Jahren reden wir für dieselben Projekte von 1,5 Milliarden Euro, wegen unvorhergesehener Probleme, allgemeiner Kostensteigerungen…?Auch dieses Problem wollen wir in den Griff kriegen. Deshalb soll es in der Zukunft ein Baukostencontrolling direkt bei der Stadtverwaltung geben.

Dörte Diemert geht manchmal zu Fuß zur Arbeit

Fahren Sie Auto, Bahn oder Fahrrad?Wie es gerade passt beziehungsweise notwendig ist. Hin und wieder gehe ich sogar zu Fuß zur Arbeit oder von dort nach Hause. Vom Agnesviertel runter zum Rhein und dann zum Heumarkt. Oder zurück. Der Blick auf den Rhein ist gut zum Ausspannen.

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Aktuell hat die Stadtkämmerin ihr Büro am Heumarkt, um den Kopf freizukriegen geht sie schonmal für ein paar Minuten an den Rhein.

Womit spannen Sie noch aus?Mit Musik oder gemeinsam mit guten Freunden…

Sie sind gebürtige Düsseldorferin und leben in Köln. Kölsch oder Alt?Wein. Rot oder weiß, je nachdem, was gegessen wird oder wie das Wetter ist. Und im Karneval gern auch ein Kölsch.

Ist Karneval in Köln für Sie ein notwendiges Übel – oder löst das jedes Jahr Freude aus?Freude! Denn der Kölner Karneval ist wirklich einmalig.

Wohin reisen Sie gern – und was ist Ihnen im Urlaub besonders wichtig?Im Sommer gerne ans Wasser. Zuletzt viele Jahre an die Nord- und die Ostsee. Der frische Wind um die Nase tut gut und pustet den Kopf frei.

Dörte Diemert liest gern – Haushaltspläne

Was lesen Sie gern oder sehen Sie gern? Blutrünstige Thriller oder romantische Komödien?Na Haushaltspläne! (lacht)

Was mag denn die Stadtkämmerin besonders?Alles, was mein Mann kocht – der kocht nämlich hervorragend. Besonders gerne Pasta. Extrem lecker.