Die neue Session steht an – doch können sich die Jecken in den Kölner Veedeln auch auf ihre geliebten Karnevalszüge freuen? In einigen Fällen ist diese Frage immer schwieriger zu beantworten.
„Wir bluten aus“Verantwortlicher schlägt Alarm: Viele Kölner Veedelszüge in Gefahr
Wie geht es weiter mit den vielen Kinder- und Veedelszöch in Köln? Viele Verantwortliche der kleinen Karnevalszüge machen sich Sorgen um die Zukunft, vor zwei Wochen berichtete EXPRESS.de bereits über die finanziellen Probleme rund um den Merheimer Zug.
In Zollstock sind die Probleme ähnlich gelagert, Michael Siegenbruck von den Freunden des Zollstocker Dienstagszugs e.V., die den Umzug organisieren, hat im Gespräch mit EXPRESS.de eine düstere Aussicht gezeichnet. „Wir, die kleinen Veedelszüge, bluten aus“ – Worte, die sitzen!
Karnevalszüge in Kölner Veedeln: Vor allem Kinder als Teilnehmende
Der Karnevalszug in Zollstock blickt auf eine lange Tradition zurück: 65 Jahre lang wird er dienstags bereits veranstaltet, seit 15 Jahren sind die Freunde des Zollstocker Dienstagszugs für die Durchführung verantwortlich. Jährlich laufen rund 1500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit, verteilen Kamelle und Strüssje im Veedel – und vor allem sind es die kleinen Jecken, die den Menschen am Straßenrand ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
„Rund 1000 der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Kinder aus den hiesigen Schulen und Kitas. Das war uns schon immer ein besonderes Anliegen, den Kleinen einen Zugang zum Karneval zu verschaffen“, sagt Michael Siegenbruck.
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Er selbst kommt aus Ostfriesland, ist also nicht gerade mit jeckem Blut in den Adern geboren. „Aber als ich vor vielen Jahren hier nach Zollstock kam, wurde ich so toll aufgenommen, dass ich mich dazu entschieden habe, mich an der Organisation zu beteiligen und dem Veedel etwas zurückzugeben.“ Allerdings wird das immer schwieriger.
Weniger Einnahmen, höhere Kosten – Karnevalszüge in Gefahr
Denn der Zollstocker Zug hat ebenfalls mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, große Sponsoren sind über die Jahre weggebrochen oder verstorben. Das selbst organisierte Herbstfest im Veedel, bei dem jährlich bekannte Größen wie Kasalla, Miljö oder die Domstürmer auftreten, spülte in diesem Jahr ebenfalls zu wenig in die Kassen.
„Bei der Veranstaltung haben wir immer Kosten, die sich so im Rahmen von rund 10.000 Euro bewegen. Bislang konnten wir immer mit einem Plus von einigen tausend Euro herausgehen, die wir dann für den Karnevalszug und zur Unterstützung der teilnehmenden Schulen und Kitas genutzt haben. In diesem Jahr war der Umsatz trotz einer ordentlichen Besucherzahl jedoch so katastrophal, dass wir aus der Veranstaltung ohne Gewinn herausgegangen sind“, sagt Siegenbruck.
„Statt wie bislang rund 2000 Liter Kölsch haben wir in diesem Jahr nur 1200 Liter verkauft“ – laut Siegenbruck merke man, „dass das Geld bei den Menschen nicht mehr so locker sitzt, wie vielleicht noch vor zwei, drei Jahren“. Höhere Gema-Kosten, höhere Energiekosten, höhere Kosten für Sicherheitsdienste – die kleinen Kölner Karnevalszüge gehen auf dem Zahnfleisch.
„Es geht ja nicht nur uns so, neben den Merheimern weiß ich von vielen weiteren Verantwortlichen, dass sie ähnlich große Probleme haben“, sagt Siegenbruck.
Auch die Bezuschussung durch ein Sicherheitspaket, das es in den vergangenen Jahren in Höhe von 90.000 Euro von der Stadt Köln und dem Land NRW gab und auf die jeweiligen Züge in den neun Stadtbezirken verteilt wurde, entfällt in diesem Jahr. Michael Siegenbruck sagt: „Das sind weitere 2000 Euro, die uns nun fehlen.“
„Stadt Köln muss aufwachen“ – wie geht es mit den Veedelszügen weiter?
Die Freunde des Zollstocker Dienstagszugs haben vor einigen Tagen einen Spendenaufruf ins Leben gerufen, um die Durchführung für den Zug in der kommenden Session irgendwie realisieren zu können. Von den benötigten 5000 Euro sind bislang 890 Euro (Stand: 17. Oktober 2023, 13 Uhr) zusammengekommen – wenn du den Zollstocker Veedelszug unterstützen möchtest, geht das hier.
Michael Siegenbruck sagt: „2024 werden wir es wohl irgendwie gewuppt bekommen. Aber wo ist dabei die Nachhaltigkeit? Wie sieht es 2025, 2026 und die weiteren Jahre aus? Das vermag ich nicht zu sagen, da sehe ich aktuell schwarz.“ Die Veedelszüge seien für ihn ein Kulturgut, das es zu schützen gilt.
Michael Siegenbruck appelliert: „Die Stadt Köln muss aufwachen. Die Streichung der Fördergelder wird auf den Rücken der Kinder ausgetragen, die in den nächsten Jahren in ihrem Veedel vielleicht kein Karneval mehr feiern können. Der Kölner Karneval besteht nicht nur aus dem 11.11. auf der Zülpicher Straße und den Veranstaltungen in den großen Sälen, wofür viel Geld ausgegeben wird – der wahre Geist des Karnevals ist in den vielen Veedeln der Stadt zu finden.“