In Köln ist es 1971 zu einem historischen Kriminalfall gekommen: Es war der erste bewaffnete Banküberfall mit Geiselnahme überhaupt in der Stadt.
Historischer ÜberfallAls es in Köln am Dom brenzlig wurde: „Frechster Bankraub der Kriminalgeschichte“

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Bandenboss Kurt Vicenik (l.) steht mit einem sogenannten Revolvergewehr bewaffnet vor der Deutschen Bank in Köln. Neben ihm steht Schutzpolizei-Oberrat Hans Krauss.
Auch noch in den 70er Jahren gilt Köln wegen seiner beschämend hohen Kriminalitäts-Statistik als das „Chicago am Rhein“.
Aber nicht von Prostitution, von Hehlerei und Unterweltgrößen wie „Dummse Tünn“ und „Schäfers Nas“ ist hier die Rede. Sondern vom ersten bewaffneten Raubüberfall mit Geiselnahme. Passiert am 27. Dezember 1971 in der Deutschen Bank neben dem Dom-Hotel.
Köln in den 1970ern: Der „frechste Bankraub der Kriminalgeschichte“
„Schwerbewaffnete Banditen am helllichten Tage auf dem Domplatz zu Köln“, titelt der „Spiegel“. Im Fernsehen ist vom „frechsten Bankraub der Kriminalgeschichte“ die Rede. Und EXPRESS berichtet mit einer Sonderausgabe über den ersten bewaffneten Banküberfall mit Geiselnahme überhaupt in Köln.
Am 27. Dezember stürmen gegen 10.20 Uhr drei bewaffnete Männer in die Deutsche Bank. Schon wenige Minuten später sitzen sie in der Falle: Der benachbarte Juwelier hat Alarm geschlagen, schon stehen die ersten Polizeiwagen vor der Tür. Und das Fluchtauto, ein grau-grüner VW, hat einen durchschossenen Reifen.
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In der Bank befinden sich sechs Mitarbeiter, aber keine Kunden. Schnell beschließen die Bankräuber, ihre Flucht durch die Mitnahme von zwei Geiseln zu sichern. Die Wahl fällt auf ein Lehrmädchen und einen Kassierer, der gerade bei seinem Frühstückskaffee sitzt. Er berichtet später: „Die Bankräuber haben erst mal in die Decke geschossen und dann sofort alle an die Wand gestellt.“ Die Bankräuber seien extrem angespannt gewesen, er und die anderen Geiseln hätte Todesangst gehabt.
Draußen verfolgen Hunderte Schaulustige die Szenerie auf der Domplatte. Hinter Blumenkübeln versteckt sich eine Einsatz-Hundertschaft, bewaffnet mit Maschinenpistolen. Dann bieten sich Kriminaldirektor Hans Werner Hamacher und Schutzpolizei-Oberrat Hans Krauss zum Austausch an. Dafür sollen die Geiseln frei gelassen werden.

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Im Saarland stoppte die Polizei die Gangster. Kurt Vicenik liegt auf dem Boden.
Die Nerven aller sind zum Zerreißen gespannt, die Verhandlungen ziehen sich. Per Megafon mahnt Krauss die Schaulustigen: „Bitte halten Sie völlige Ruhe, die Bankräuber sind sehr nervös.“
Endlich lassen sich die Räuber auf den Austausch ein, die ausgewählten Geiseln müssen nicht mit. Die beiden Polizisten müssen sich bis auf die Unterhosen ausziehen, um zu beweisen, dass sie unbewaffnet sind. Bandenboss Kurt Vicenik führt sie zu dem geforderten Fluchtauto, einem Ford-Transit-Transporter.
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Mit 322.000 Mark in einem Koffer setzt sich das räuberische Trio in Bewegung: auf den Vordersitzen die Polizei-Geiseln, auf der Ladefläche die Gangster. Von der Domstraße biegt der Wagen auf die Nord-Süd-Fahrt, es geht Richtung Bonn. Glück für die Geiseln: Kriminaldirektor Hans Werner Hamacher und Polizeioberrat Hans Krauss werden nach rund acht Stunden bei Koblenz freigelassen.
Die Flucht der Räuber geht weiter. Sie endet erst bei Baltersweiler im Saarland. Hier wird Anführer Vicenik erschossen. Die Komplizen ergeben sich nur Sekunden später. Hamacher und Krauss erhalten nach ihrer Freilassung ein Telegramm von Bundespräsident Gustav Heinemann. Er beglückwünscht sie und spricht ihnen seine „dankbare Anerkennung für ihren selbstlos-mutigen Einsatz“ aus. Die beiden Räuber, die die Geiselnahme überlebt haben, werden im Juni 1972 am Kölner Landgericht zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt.
Der Artikel von Inge Wozelka erschien am 28. Dezember 2016 im EXPRESS in der Reihe „Kölner Zeitreise“.