Der Kölner Onkologe Michael Hallek kritisiert den jüngsten Vorstoß von Hendrik Streeck.
„Gefährliches Fahrwasser“Kölner Arzt mit heftiger Kritik an Streeck

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Hendrik Streeck (CDU) löste mit seinem Vorschlag eine heftige Debatte aus.
Aktualisiert
Der Vorstoß von CDU-Politiker Hendrik Streeck, teure Therapien für sehr alte Patientinnen und Patienten zu begrenzen, sorgte für einen Aufschrei.
Besonders deutlich wird der renommierte Kölner Krebsforscher Michael Hallek.
„Gesellschaftlich und ethisch geraten wir in ein gefährliches Fahrwasser, wenn wir über Therapien zuerst unter ökonomischen Gesichtspunkten sprechen“, warnt der Direktor der Klinik I für Innere Medizin der Uniklinik Köln im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das Alter dürfe niemals ein Grund sein, eine Behandlung abzulehnen.
Ausgelöst hatte die Debatte Streeck selbst. Bei „Welt TV“ sprach der Bonner Bundestagsabgeordnete über das Sterben seines Vaters und zog daraus seine Schlüsse: „Es wurde in den letzten Wochen, wo er gestorben ist, so viel Geld ausgegeben, und es hat nichts gebracht. Es wurden die neuesten Therapien aufgefahren, es hat nichts gebracht.“
„Das ist sachfremd“
Seine provokante Frage: Muss man bei Hundertjährigen mit fortgeschrittenem Krebsleiden wirklich noch die neuesten Therapien anwenden? „Es gibt einfach Phasen im Leben, wo man bestimmte Medikamente auch nicht mehr einfach so benutzen sollte“, so Streeck.
Eine Haltung, die Mediziner Hallek scharf zurückweist. „Den Sinn einer Behandlung am Alter festzumachen, ist sachfremd“, stellt er klar.
Viel wichtiger seien die medizinische Notwendigkeit und der Wille des einzelnen Menschen. „Der Patient muss im Zusammenwirken mit den Ärztinnen und Ärzten festlegen, was für ihn relevant ist.“

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Der Kölner Mediziner Prof. Michael Hallek widerspricht Hendrik Streeck vehement.
Hallek, der auch dem wichtigen Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen vorsitzt, sieht durchaus Sparpotenzial – aber an anderer Stelle.
Statt überflüssiger Maßnahmen und durch mehr ambulante Behandlungen ließe sich Geld sparen. Oft sei die beste Therapie sogar die günstigste.
Mit seiner Meinung steht Streeck ziemlich allein da. Auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kritisierten den Vorschlag.
Eine Rationierung nach Alter sei „ethisch unhaltbar und unnötig“, so Lauterbach.
Kritik kommt auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Vorstand Eugen Brysch wirft Streeck vor, vom eigentlichen Problem abzulenken: dass in der geplanten Krankenhausreform die Schmerz- und Palliativmedizin vernachlässigt werde.
Halleks Fazit ist eine düstere Warnung: Wenn Kosten über die Würde am Lebensende gestellt werden, wäre das „fatal – für die Patienten, aber auch für das Vertrauen der ganzen Gesellschaft in unser Gesundheitswesen.“ (red)
