Die Familie Vietz lebte sechs Jahre in einem Hotel in der Weidengasse. Wie geht das? Die Stadt Köln erklärt das System.
KündigungKölner Familie kann sich Wohnung nicht leisten und lebt im Hotel: Wie geht das denn?
Die Geschichte um die Wohnungskündigung der Familie Vietz sorgt für Diskussionen. Am Dienstag (16. Mai 2023) musste Maria Vietz mit ihren vier Kindern nach sechs Jahren die Bleibe in der Weidengasse am Eigelstein verlassen.
Bei der Unterkunft handelt es sich offiziell um ein Hotel – von Luxus ist hier aber nicht die Rede. Mäuse, Dreck, eigentlich ist das Appartement unbewohnbar. Trotzdem stellt sich die Frage: Kein Geld für eine Wohnung, aber auf Kosten der Stadt im Hotel wohnen – wie geht das?
1550 Personen in Köln in Hotels untergebracht
Stadtsprecherin Sabine Wotzlaw stellt auf EXPRESS.de-Nachfrage klar: „Es handelt sich in diesem Fall nicht um ein Mietverhältnis, sondern um eine Nutzungsvereinbarung zwischen einem Hotelgast und einem Hotelier.“
Wotzlaw weiter: „Wenn es zu einer Beendigung eines solchen Verhältnisses kommt und eine erneute Unterbringung gewünscht wird, dann vermittelt die Fachstelle Wohnen eine alternative Unterkunft.“
In diesem Fall hat der Hotelier als Eigentümer des 70-Quadratmeter-Appartments von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und das Mietverhältnis gekündigt.
EXPRESS.de hakte bei der Stadt Köln nach und ließ sich das Hotel-System erklären ...
Wie viele Menschen sind zurzeit in Einfachhotels, Hotelbasis untergebracht?
Aktuell sind rund 1550 Personen untergebracht (hierbei ist von ordnungsbehördlicher Unterbringung von Wohnungslosen die Rede und nicht von der Unterbringung Geflüchteter).
Wie viele solcher Unterkünfte gibt es in Köln?
Aktuell stellen 51 Hotelbetreiber oder Hotelbetreiberinnen der Stadt Köln ihre Beherbergungsbetriebe für die Unterbringung von Wohnungslosen zur Verfügung, die ordnungsbehördlich notuntergebracht werden müssen.
Stadt Köln zahlt im Durchschnitt 41 Euro pro Nutzungstag
Welche Pauschalen zahlt die Stadt den Betreibern?
Die Pauschalen variieren abhängig von der Lage, der Ausstattung, der Größe und Leistung des Hotelbetreibers oder der Hotelbetreiberin und liegen inzwischen im Durchschnitt bei circa 41 Euro pro Nutzungstag.
Ist das juristisch haltbar, wenn die Pauschalen für die Unterbringung in Einfachhotels (umgerechnet auf den Monat) deutlich höher sind als die aktuell geltenden Mietrichtwerte?
Die Kosten für eine ordnungsbehördliche Notunterbringung sind mit Mieten für regulären Wohnraum nicht vergleichbar. Die Hotelbetreiber und Hotelbetreiberinnen haben eigenes Personal für die Verwaltung des Beherbergungsbetriebes, Hausmeister, Reinigungskräfte. Es werden z.B. Waschmaschinen und Wäschetrockner gestellt, ebenso die Küchenausstattung, Bettwäsche und Handtücher werden überwiegend von Hotelbetreibern und Hotelbetreiberinnen gestellt und gewaschen.
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Warum erfolgt überhaupt die Unterbringung in Einfachhotels, wenn laut Verwaltung die Unterbringung in städtischen Wohnheimen, die von sozialen Trägern im Auftrag der Stadt betrieben werden, günstiger ist?
Die Stadt Köln braucht eine gewisse Ressource an Unterkünften in Beherbergungsbetrieben (Einfachhotels), weil sie flexibel, kurzfristig und temporär Menschen unterbringen muss, um Obdachlosigkeit abzuwenden. Für das Projekt „Housing First“ ist geeigneter Wohnraum eine Grundvoraussetzung. Leider ist der Wohnungsmarkt in Metropolen wie Köln sehr angespannt.
Adressiert ist diese besondere Unterstützungsform „Housing First“ an Menschen in Straßenobdachlosigkeit mit besonderen individuellen Hemmnissen, häufig starken psychischen Beeinträchtigungen. Diese Zielgruppe zeichnet sich dadurch aus, dass sie aufgrund dieser besonderen Beeinträchtigungen nicht in der Lage ist, andere Unterstützungsangebote anzunehmen und deshalb in der Straßenobdachlosigkeit verbleibt.
„Housing First“ ist zwar ein wichtiger Baustein im Gesamtgefüge der Hilfen für wohnungslose Menschen, aber zugleich auch ein Nischenprodukt für eine relativ kleine Teilzielgruppe.
Fachstelle Wohnen der Stadt Köln: „Es droht keine Obdachlosigkeit“
Wie es konkret mit dem Fall Vietz weitergeht, bleibt abzuwarten. Am Dienstag mussten sie die Wohnung räumen.
Ein Sprecher der Fachstelle Wohnen der Stadt Köln versicherte gegenüber EXPRESS.de: „Es droht keine Obdachlosigkeit. Eine anderweitige Unterbringung ist geplant.“