Mit 100 Jahren vor die Tür? Eine Kölnerin soll ihre Wohnung räumen!
„Das wäre das Todesurteil“Schock-Brief für 100-jährige Kölnerin

Copyright: Hans-Willi Hermans
Trotz Räumungsklage einigermaßen optimistisch: Lilly Rostock (2. v. l.) im Kreise ihrer Kinder Karl-Heinz und Brigitte Rostock (r.) sowie Schwiegertochter Jildas (l.).
Aktualisiert
„Das wäre das Todesurteil für meine Mutter!“ Die Worte von Karl-Heinz Rostock sind voller Wut und Verzweiflung. Seine Mutter, Lilly Rostock, ist 100 Jahre alt. Und sie soll aus ihrer Wohnung in der Kölner Feltenstraße raus!
Nachdem sie Ende Mai ihren 100. Geburtstag gefeiert hatte, flatterte der Schock-Brief ins Haus: die Kündigung zum 30. November. Das berichtet der „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Dahinter steckt die Eigentümerin, die WS Immobilien Verwaltungs GmbH & Co KG. Doch die Familie wehrt sich. Sie legte Einspruch ein – und kassierte prompt eine Räumungsklage. Für den Sohn ein unfassbarer Vorgang: „Meine Mutter kann wegen eines Unfalls nicht mal mehr alleine gehen, es wäre ihr unmöglich, sich in einer neuen Wohnung zurechtzufinden.“
Seit 1969 ist die Wohnung in dem ehemaligen Offiziershaus das Zuhause der Familie Rostock. Lilly leidet an Demenz und will auf keinen Fall in ein Heim. Ihre Tochter Brigitte ist extra wieder bei ihr eingezogen, um sie zu pflegen. Nun der Schock: Das ganze Haus soll abgerissen werden, zusammen mit den beiden Nachbarhäusern.

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Die drei Häuser in der Feltenstraße.
Der Grund für den Abriss: Die Eigentümerfirma WS will an dieser Stelle moderne Neubauten mit 26 behindertengerechten Wohnungen errichten. In Juristendeutsch heißt es, man werde durch das Festhalten am Mietvertrag an einer „angemessenen wirtschaftlichen Verwertung“ gehindert und erleide „erhebliche Nachteile“.
Jochen Blöse, der Anwalt der Firma, betont, man wisse um die „besondere Belastung“ eines Umzugs für eine 100-Jährige. Man habe der Seniorin deshalb schon im März eine Ersatzwohnung angeboten, nur „wenige Schritte entfernt“.
Laut Blöse hätte die Tochter mit einziehen können und die Miete wäre sogar günstiger gewesen. Der Anwalt: „Leider haben wir auf dieses Angebot keine Reaktion erhalten.“ Tochter Brigitte kontert: „In dem Schreiben stand ja noch nicht einmal, wie groß diese Wohnung war, oder wie teuer, und ob ich dort ebenfalls hätte einziehen können.“ Bruder Karl-Heinz macht unmissverständlich klar: Ein Umzug stand nie zur Debatte. „Das wäre für meine Mutter unzumutbar.“
Die angebotenen Wohnungen sind mittlerweile weg. Anwalt Blöse zeigt dafür Verständnis: „Das kann man verstehen, es gibt ja genug Leute, die eine Wohnung suchen.“
Sohn Karl-Heinz: „Die Häuser sind ja gut in Schuss“
Einige der neun Mieterinnen und Mieter sind bereits ausgezogen, Wohnungen stehen leer. Sohn Karl-Heinz erklärt: „Aber das waren meist jüngere Leute, die hatten nur einen befristeten Mietvertrag.“ Doch der Widerstand bleibt: Nach seiner Kenntnis wollen vier Parteien, die seit Jahrzehnten hier leben, ebenfalls nicht weichen. Für Rostock ist klar: „Die Häuser sind ja gut in Schuss, die bräuchten nicht abgerissen werden, das ist reines Profitstreben des Eigentümers.“
Trotz allem blickt Familie Rostock kämpferisch auf den Prozess. „Unser Anwalt sagt, dass ein Umzug für hochbetagte und körperlich behinderte Menschen eine unzumutbare Härte ist“, so Karl-Heinz Rostock. Seine Frau Jildas will an eine Niederlage gar nicht denken: „Auf dem Wohnungsmarkt ist derzeit doch überhaupt nichts zu finden.“ (red)
