Das erraten Sie nie, oder?Aus fleißigem Teenie wurde Kölns größter Serien-Star

die 16-jährige Marie-Luise schreibt in Bayreuth eine Karte an ihrer Adoptiveltern

Hier schreibt Kölns Serien-Star als 16-Jährige einen Brief aus dem fränkischen Bayreuth.

Köln – Sie kocht sich lieber selbst etwas zu Hause, als auswärts essen zu gehen. Das kann man verstehen, wenn man sich mit Marie-Luise Marjan (79) im „Fährhaus“ in Rodenkirchen trifft: Die Gäste erkennen sie sofort, tuscheln, werfen heimliche Blicke.

Auch ein Jahr nach dem Ende der „Lindenstraße“ ist „Mutter Beimers“ Popularität ungebrochen. Fit, witzig und nachdenklich ist Marie-Luise Marjan im Köln-Gespräch mit dem EXPRESS. Kaum zu glauben, dass sie kommenden Sonntag (9. August) 80 Jahre alt wird!

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Marie-Luise Marjan spielte in der „Lindenstraße” die „Mutter Beimer” und feiert am kommenden Wochenende ihren 80. Geburtstag.

Frau Marjan, Sie wohnen seit 31 Jahren in Rodenkirchen. Was hat Sie nach Köln gelockt?

Marie-Luise Marjan: Als die „Lindenstraße“ losging, hatte ich zunächst nur ein Zimmer, weil man nicht wusste, wie lange die Serie läuft. Trotzdem habe ich mich für eine Wohnung gezielt im Süden Kölns interessiert, weil ich an die Langlebigkeit der „Lindenstraße“ von Hans W. Geißendörfer glaubte. Ich wohne lieber am Rand einer Großstadt als mittendrin. Dank der „Lindenstraße“ habe ich die Wohnung auch bekommen.

Wieso das denn?

Es gab damals, 1988, über 30 Bewerber. Deshalb rechnete ich mir keine Chancen aus. Aber dann rief die Vermieterin an: „Meine Mutter hat gesagt: Mutter Beimer kriegt die Wohnung.“ Und jetzt wohne ich immer noch dort.

Ausgerechnet Sie, die „Mutter der Nation“, sind nicht verheiratet und haben keine Kinder. Wieso?

Weil ich immer meine ganze Kraft ins Theater oder das Fernsehen gesteckt habe. Seit 60 Jahren bin ich Schauspielerin. Da blieb keine Zeit, eine Familie zu gründen.

Eine Ihrer Stationen war von 1965 bis 1967 das Theater in Bonn ...

Und ich habe mich da sehr wohl gefühlt. Ich habe auf der Schäl Sick, also in Beuel, gewohnt. Mein erstes Auto war eine Renault Dauphine. Später kaufte ich mir eine gebrauchte Isabella Borgward Coupé. Die hat mich an Reparaturen arm gemacht.

Wie kam es dann zum Wechsel ans Schauspielhaus in Bochum?

Der damalige Intendant, Professor Hans Schalla, sah mich in Bonn in dem irischen Stück „Ein wahrer Held“ und engagierte mich vom Fleck weg nach Bochum. Diesem Schauspielhaus blieb ich zwölf Jahre treu, erst unter der Leitung von Schalla und später sechs Jahre unter Peter Zadek. Noch in der Amtszeit Schallas gab es in den 1970er Jahren verstärkt Angebote vom Fernsehen. Das missbilligte der Professor: „Was willst du denn da? Bist du Schauspielerin oder Gesichtsvermieterin?!“

Nach verschiedenen TV-Produktion für den WDR wie „Smog“, die Serie „Tour de Ruhr“ oder „Johannes“ engagierte Sie Geißendörfer für die „Lindenstraße“.

Das war für mich ein Volltreffer. Denn als TV-Mutter hatte ich schon reichlich Erfahrung. Die „Mutter Beimer“ war meine 25. Mutterrolle. Darüber war ich froh, denn das Fach der Mutter kann man bis ans Lebensende spielen, im Gegensatz zur feschen Lola. Ich mochte die Rolle sehr, obwohl ich oft viel Trauer spielen musste. Ich bin von Natur aus ein heiterer, fröhlicher Mensch. Nicht von ungefähr bin ich an einem Sonntag geboren.

Sie haben über drei Jahrzehnte lang in Köln-Bocklemünd gedreht. Ist dadurch Köln für Sie zur neuen Heimat geworden?

Auf jeden Fall. Die kommunikative Art der Kölner und ihr Miteinander, das gefällt mir. Die Menschen vieler Nationen, die hier leben, machen Köln sehr lebendig. Eine weitere enge Bindung an Köln ist meine Mitarbeit bei UNICEF, dem Malteser Hilfsdienst und bei der Kinderhilfsorganisation „PLAN international“. Die 30-jährige Arbeit mit diesen Organisationen hat meine Persönlichkeit sehr geprägt und mich gelehrt, über den Tellerrand hinauszuschauen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Mit UNICEF war ich in Brasilien auf den Müllbergen in Recife und habe miterlebt, wie die Menschen dort hausen müssen. Wenn man das mitbekommt, dann wird man sehr demütig und ist froh, in Deutschland zu leben. Wir haben wirklich keinen Grund, uns zu beklagen. Ich bin auch gerade in der Corona-Krise heilfroh, dass ich in einem Land wie unserem leben darf. Und wenn alle vernünftig sind und Abstand halten, haben wir alle eine Chance.

Frau Marjan, Sie werden am Sonntag 80 Jahre alt: Wie mobil sind Sie?

Ein Leben ohne Auto kann ich mir gar nicht vorstellen. Mein Toyota-Hybrid ist mein zwölftes Auto, mit dem bin ich täglich zu den Dreharbeiten nach Bocklemünd gefahren. Ich möchte einfach unabhängig sein.

Wie bleiben Sie im Alter fit?

Gegenfrage: Warum sind wir gegen Viren nicht mehr so resistent wie früher? Weil wir uns beim kleinsten Wehwehchen zuknallen mit Antibiotika. Ich vertraue lieber auf die Selbstheilungskräfte der Natur. Und die aktiviert man am besten durch Ruhe, gute Ernährung und Bewegung. Mit meinem E-Bike fahre ich gerne den Rhein entlang und durch die Felder und Wälder. Und ich gehe für mein Leben gern im Forstbotanische Garten spazieren, denn der ist mein zweites Wohnzimmer. Außerdem erfreue mich der Blumenpracht der Flora.

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Nach 80 Jahren Leben: Wie gehen Sie mit dem Thema Tod um?

Ich bin 1940 im Krieg geboren. Vor unserer Haustür lagen die Toten. Meine Mama schickte mich runter und sagte: „Leg eine Plane über die Toten.“ Ich bin damit groß geworden. Der Tod hat für mich nichts Erschreckendes. In meiner großen Adoptivfamilie kam alle paar Monate eine Todesnachricht von einem Onkel oder einer Tante, die gestorben war. Die Beerdigungen waren immer Familienfeste, bei denen viel gegessen und getrunken wurde. Man sprach gut über den Toten und trank ein paar Schnäpschen auf ihn. Danach lagen sich alle in den Armen, denn wir feierten nicht den Tod, sondern das Leben.