Stefan Dößereck aus Köln ist Profi-Weihnachtsmann. EXPRESS durfte ihn auf einer langen Tour mit vielen Überraschungen begleiten.
„Bist du echt?!“Unterwegs mit einem, der Weihnachts-Freude verbreitet

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Stefan Dößereck in vollem Ornat in der Beatmungspflege in der Kölner Südstadt – hier kommt er schon seit vielen Jahren hin. Und wurde gleich fürs nächste gebucht...
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Beinahe wäre er aufgeflogen. „Du bist ja nur verkleidet!“, ruft der kleine Junge entrüstet. „Gar nicht echt!“, bekräftigt er seinen Verdacht, dass Stefan Dößereck tatsächlich nicht der wahrhaftige Nikolaus ist, der den Kindergarten „Schmuddelkinder“ in Köln-Westhoven besucht. Stefan Dößereck (57) tourt bis Silvester als Weihnachtsmann (oder Nikolaus) durch Einrichtungen, Privathaushalte und über den Weihnachtsmarkt am Rudolfplatz. 164 Mal dieses Jahr; allein an Heiligabend ist er zu 13 Terminen unterwegs – von 9.30 Uhr in der Früh bis 0 Uhr nachts. EXPRESS durfte ihn einen Tag lang begleiten.
Immer wieder klingelt an diesem Tag Dößerecks Handy – meist sind es andere Weihnachtsmann-/Nikolaus-Darsteller, die organisatorische Fragen haben. „Ich habe die Nacht nur eine Stunde geschlafen, davor gar nicht…“, sagt er. Eine Arbeit, die ihm viel abverlangt. Dößereck spielt nicht nur selbst, er unterhält auch ein Netzwerk mit etlichen Darstellern, die er in einem seiner Seminare ausgebildet hat und die zu über 300 Auftritten fahren – überall dort, wo sie gebucht werden, wie eben etwa im Kindergarten.
Weihnachtsmann-Darsteller erfreut die Kleinen – und die Großen
Dößereck wirft sich vor seinem Auftritt vor etwa 30 Kindern in Schale, sein Kostüm besteht aus knapp 20 Einzelteilen und hat insgesamt rund 750 Euro gekostet, sagt er. Mit dem aufwändigen Outfit – inklusive klobiger Plateauschuhe – macht er bei den Kleinen mächtig Eindruck, eines der Kinder fängt gar zu Weinen an. Der Rest freut sich und löchert den Nikolaus – als dieser ist Dößereck an diesem Tag unterwegs, er spielt aber beide Rollen – gleich mit Fragen wie „Bist du ein Zauberer?!“ und gibt Informationen wie „Ich liebe Schokolade, und Hot Wheels, und selbstgemachte Adventskalender“ preis.

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„Wenn es einen Preis für den bestangezogenen Patienten gäbe, dann würde Karl-Otto ihn bekommen“, steht im Goldenen Buch. Der freut sich auch über das kleine Geschenk.
Seit 30 Jahren ist dieses Schauspiel Dößerecks „Berufung“, wie er es selber nennt. Angefangen habe es damals, als sein Bruder ihn bat, den Weihnachtsmann für dessen Tochter zu spielen. Geld spielt dabei keine Rolle. „Jeder gibt mir, was ihm mein Auftritt wert ist“, sagt der selbstständige Berater. Für die Zeit als Weihnachtsmann/Nikolaus nimmt sich Stefan Dößereck frei. Es sind nicht nur die Auftritte selbst, die Zeit kosten: „Eine Stunde verursacht zwei Stunden – ich muss mich vorbereiten, das Kostüm saubermachen, mir Gedanken machen, wie ich da hinkomme, einen Parkplatz finden“, sagt Dößereck vor dem nächsten Termin.
Der führt ihn in die Beatmungspflegestation Sankt Severinus in der Kölner Südstadt. Die Menschen, die hier gepflegt werden, können nicht mehr oder nicht ausreichend selbstständig atmen. Für den Termin mit dem Nikolaus versammeln sich die Patientinnen und Patienten auf der Flur, sie sitzen in Rollstühlen, nur manche sind ansprechbar.

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Mit dem Nikolaus macht auch die Kölner Polizei gern ein Foto.
Diejenigen, die mit Worten sprechen können, sind bester Laune, als der Nikolaus jedem von ihnen ein paar persönliche Sätze vorliest und ein kleines Deko-Häuschen überreicht. „Angelika“, spricht der Nikolaus eine ältere Dame (Marke „Kölsches Original“) an, „das bedeutet Engelchen ...“ „Ach, dat weiß ich doch, bin isch doch eens“, feixt Angelika und lächelt. Doch so gut wie sie können sich hier die wenigstens ausdrücken, viele können sich kaum bewegen.
Neurologische Erkrankungen sind der Hauptgrund, aus dem sie hier sind, auch junge Menschen. Stefan Dößereck ist überzeugt: „Die Augen sagen unheimlich viel.“ Er sollte es wissen. „Ich lag letztes Jahr einen Monat in der Beatmung im Franziskus-Hospital. Ich habe mir eine Sepsis, Lungenentzündung und Nierenversagen auf einmal eingehandelt. Spätestens jetzt kann ich nachempfinden, was das heißt.“ Überlebenschance: 20 Prozent. Dößereck kämpfte sich zurück und will weiter Freude verbreiten.

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Dößereck am Ende eines langen Tages in Verkleidung. „Ganz schön warm unter Perücke und Bart“, sagt er. Für ihn ist sein saisonaler Nebenjob eine Berufung.
Gelingt auch nicht immer: Er erinnert sich an einen Termin bei einer Firmenweihnachtsfeier vor Jahren – offenbar herrschte viel aufgestauer Frust. Als er im Kostüm auftauchte, rief ein miesgelaunter Mitarbeiter: „Jetzt auch noch die Scheiße!“ – sehr besinnlich...
Das gibt's beim Abendtermin im Nikolausdorf am Rudolfplatz nicht. Hier wird er wie ein Promi gefeiert und nach Selfies gefragt, Kinder staunen ihn mit großen Augen an. „Ich dachte, der Nikolaus wäre vor 3000 Jahren gestorben“, sagt ein Mädchen im Vorbeigehen zu ihrer Mutter. Huch! Weihnachten feiert Single Stefan Dößereck seit Jahren nicht mehr. „Aber so viele geschmückte Bäume wie ich sieht keiner. Wetten?“

