Behinderten-MissbrauchStaatsanwalt ermittelt: Ekel-Taten in Brühl und Bergheim

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Die Behindertenwerkstatt der Reha Erftland in Brühl-Vochem.

  • In den Behinderten-Werkstätten in Brühl und Bergheim soll es zu Missbrauchs-Fällen gekommen sein
  • Drei verdächtigen Gruppenleitungen wurde bereits gekündigt
  • Auch andere Fälle werfen ein schlechtes Licht auf die Einrichtungen

Brühl/Bergheim/Köln – Sie sind erwachsen, aber geistig und/oder körperlich schwer behindert – zum Teil so schwer, dass sie sich selbst nicht äußern können. Selbst einfachste Tätigkeiten brauchen oft viel Zeit.

Viele dieser Menschen arbeiten in Behindertenwerkstätten, beispielsweise für Zulieferer in der Autoindustrie. Eltern, Angehörige oder gerichtlich bestellte Betreuer vertrauen darauf, dass die Behinderten in den Werkstätten mit Respekt behandelt und gut betreut und versorgt werden.

Missbrauch und Misshandlung von Behinderten

Doch das ist nicht immer der Fall: Dem EXPRESS wurde bekannt, dass behinderte Menschen in zwei Werkstätten der „REHA-Betriebe Erftland gemeinnützige GmbH für Rehabilitation“ (Reha Erftland) in Brühl und Bergheim misshandelt und missbraucht worden sein sollen.

Die Staatsanwaltschaft Köln bestätigt dem EXPRESS entsprechende Ermittlungen.

Gruppenleiter missbraucht geistig Behinderte sexuell

Demnach hatte die gesetzliche Betreuerin einer geistig behinderten Frau im Januar 2018 Strafanzeige erstattet, weil ein Gruppenleiter die geistig behinderte Frau in einer Toilette in der Behindertenwerkstatt in Brühl sexuell missbraucht habe. Die Polizei leitete ein Ermittlungsverfahren ein und informierte Reha-Erftland-Geschäftsführer Ingo Ziehm.

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Die Behindertenwerkstatt der Reha Erftland in Brühl-Vochem.

Ziehm erklärt gegenüber EXPRESS: „Die Reha-Betriebe Erftland haben sich von dem Gruppenleiter getrennt, nachdem sich der Verdacht erhärtet hatte. Er wurde sofort freigestellt und gekündigt. Nach derzeitigen Erkenntnissen handelt es sich um einen Einzelfall."

Schwerstmehrfachbehinderte Menschen fixiert

Doch es gibt noch weitere, anders gelagerte Vorfälle: In der Behindertenwerkstatt am Reha-Erftland-Standort Bergheim waren im Mai 2018 Vorfälle bekannt geworden, wonach zwei Gruppenleiterinnen in einer Gruppe mit schwerstmehrfachbehinderten Menschen diese Schutzbefohlenen durch Befestigen der Stühle an den Tischen unzulässigerweise fixiert und ihnen gegen ihren Willen Nahrung und Getränke verabreicht haben.

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In der Bergheimer Behindertenwerkstatt der Reha Erftland haben zwei Gruppenleiterinnen ihre schwerstmehrfachbehinderten Schutzbefohlenen misshandelt, etwa durch Fixierung oder Verabreichung von Nahrung oder Getränken gegen deren Willen.

Reha-Angestellte informierten Geschäftsführung

„Wir bedauern diesen Vorfall außerordentlich und sind darüber zutiefst betroffen“, sagt Ziehm. „Tatsache ist: Wir – Geschäftsführung und Soziale Dienste – hatten keine Kenntnis von den Verdachtsmomenten, bis uns einige Angestellte über Vorkommnisse in der Gruppe informiert haben. Seien Sie versichert: Wir tolerieren derartige Handlungen und Verhaltensweisen ausdrücklich nicht und werden alles unternehmen, dass solche Übergriffe gegenüber den uns anvertrauten behinderten Menschen in unserer Einrichtung nicht mehr passieren!“

Geschäftsführer: betroffen, fassungslos, wütend

Der Geschäftsführer betont: „Solche Vorfälle machen uns zutiefst betroffen, fassungslos und wütend. In unseren Einrichtungen dulden wir solch inakzeptables Verhalten nicht. Für die Vorkommnisse habe ich mich als Verantwortlicher bei den Betroffenen, ihren Eltern oder gesetzlichen Betreuern ausdrücklich entschuldigt“, sagt Ingo Ziehm.

Behinderte in dunkle Räume gesperrt

Die beiden Gruppenleiterinnen sollen Behinderte zur Disziplinierung auch in dunklen Räumen eingesperrt oder ihnen Nahrung und Getränke verweigert haben. Gegen die beiden Frauen (ihre Namen sind der Redaktion bekannt) wird unter anderem wegen des Verdachts der Misshandlung Schutzbefohlener, Nötigung und Körperverletzung ermittelt.

Landschaftsverband Rheinland eingeschaltet

Auch der Landschaftsverband Rheinland (LVR) – als Kostenträger für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung – wurde eingeschaltet.

„Die zuständige Regionalabteilung des LVR hat in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit – die neben dem LVR-Sozialdezernat Kostenträger für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung in Werkstätten ist – in den vergangenen Monaten mehrere Gespräche mit dem Geschäftsführer der Werkstatt geführt“, teilt LVR-Sprecherin Birgit Ströter auf Anfrage mit.

LVR fordert verbesserte Gewaltschutzprävention

In diesen Gesprächen seien Maßnahmen erörtert und Erwartungen formuliert worden, die die beiden Kostenträger an die Werkstatt-Geschäftsführung richten.

„Dabei ging es um kurzfristige Maßnahmen zum Umgang mit der aktuellen Situation ebenso wie um einen Prozess der strukturellen Veränderung in Bezug auf eine verbesserte Gewaltschutz-Prävention“, so Ströter. „Unter anderem wurde die Werkstatt verpflichtet, durch eine räumliche Überprüfung Gefährdungsbereiche zu beseitigen, eine entsprechende Gewaltschutz-Konzeption zu erarbeiten und Schulungen für das Personal und Selbstbehauptungs-Kurse für Beschäftigte mit Behinderung anzubieten. Der Fortschritt der Maßnahmen wird regelmäßig überprüft und besprochen.“

Angehörige und Betreuer beklagen Hygiene-Zustände

Eltern, Angehörige und Betreuer der geistig Behinderten kritisieren auch die hygienischen Zustände der Toilettenanlagen oder dass es in bestimmten Bereichen der Werkstätten im Sommer extrem heiß werde, weil es keinen Sonnenschutz oder Klimaanlagen gebe.

„Wir achten sorgfältig auf die Einhaltung der Arbeitsstättenverordnung und der darin geregelten Temperaturen. In den Werkstätten ist Sonnenschutz vorhanden. Unabhängig davon arbeiten wir auch stetig daran, die Arbeitsbedingungen zu verbessern“, erklärt Ingo Ziehm indes.

900 Behinderte bei der Reha Erftland

900 Behinderte arbeiten in den beiden Werkstätten der Reha Erftland in Brühl und Bergheim, viele von ihnen schwerstmehrfachbehindert. Im Oktober 2018 habe die Geschäftsführung alle Eltern, Angehörigen und gerichtlich bestellten Betreuer zu einer Eltern- und Betreuerversammlung eingeladen, in der über die Vorfälle informiert und auch das Gewaltpräventionskonzept vorgestellt worden sei, sagt Ziehm.