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Abschied in Kölner VeedelGeschäft macht nach 20 Jahren dicht

Das Feinkostgeschäft „Seemann“ in Köln-Bayenthal schließt (Archivfoto).

Das Feinkostgeschäft „Seemann“ in Köln-Bayenthal schließt (Archivfoto).

Das beliebte „Feinkost Seemann“ in Köln-Bayenthal macht dicht. Die Inhaberin ist nach 20 Jahren am Ende ihrer Kräfte.

„Heute habe ich weinen müssen“, erzählt Sabine Seemann (56) mit brüchiger Stimme. Der Grund sind die emotionalen Reaktionen ihrer Stammkundschaft. „Als eine Kundin sagte, wir hätten so viel Gutes gesät und würden sicher viel Gutes ernten, war es um mich geschehen.“

Nach 20 Jahren ist für sie und ihren Mann Ernst (59) nun Schluss. Ende Oktober schließen sie ihren Laden „Feinkost Seemann“ in der Goltsteinstraße. Ein riesiger Einschnitt für das Paar: „Da bricht ein großes Stück unseres Lebens weg“, sagt Ernst Seemann gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Für viele im Veedel war der kleine Laden eine Institution, ein Stück Österreich in Köln. Mit Topfkuchen, Julius-Meinl-Kaffee, Kaiserschmarrn und Almdudler brachten die Seemanns Alpenflair nach Bayenthal.

„Wir waren eine Art österreichischer Tante-Emma-Laden“, beschreibt Sabine Seemann. Doch es war mehr als nur ein Geschäft. Hier wurde geplaudert, Freundschaften entstanden, ein Paar lernte sich sogar kennen. „Wir waren immer Ansprechpartner, es ging bei uns stets sehr persönlich zu“, erinnert sich Sabine.

„Feinkost Seemann“ in Köln: Traumjob hatte einen hohen Preis

Doch der Traumjob hatte einen hohen Preis. Der Laden forderte alles von den Seemanns – und irgendwann zu viel. „Ich habe seit Jahren Bluthochdruck, Anfang des Jahres kam eine Lungenentzündung dazu“, erzählt Sabine. Als sie ausfiel, stand ihr Mann allein im Laden. „Das war hammerhart“, sagt sie. Die Hausärztin habe schon länger geraten, kürzerzutreten.

Der Knochenjob: Sechs Tage die Woche, von vor sieben Uhr morgens bis abends im Geschäft. Kochen, bedienen, einkaufen, aufräumen. Sonntags dann die Buchhaltung. „Urlaub war selten. Es hat sich eigentlich immer alles um den Laden gedreht“, erzählt Ernst. Als seine Frau krank wurde, wurde ihnen die bittere Wahrheit klar: „Wir stehen auf sehr dünnem Eis.“

Als der Mietvertrag auslief und hohe Investitionen nötig gewesen wären, stellte sich die entscheidende Frage: Weitermachen oder aufhören? Nach einem intensiven Gespräch fiel die schwere Entscheidung. „Irgendwann sagte Ernst: ‚Wir hören auf‘. Ich gab ihm Recht, und da kam Erleichterung“, erzählt Sabine.

Die Kundinnen und Kunden reagieren mit Verständnis, aber auch viel Wehmut. „Ich werde die Seemanns vermissen“, sagt Stammkundin Yasemin Tanyel. „Hier war’s immer herzlich, ein bisschen wie Urlaub in Österreich.“ Auch Peter Hupertz meint: „Der Laden war wie Österreich – klein, geschmackvoll und voller netter Menschen.“

Im November wird ausgeräumt. Danach zieht das Paar zurück nach Österreich. „Dort können wir die Eltern meines Mannes unterstützen“, sagt Sabine. Ganz ohne Arbeit geht es bei den beiden aber nicht. „Wir suchen schon etwas Neues – nur diesmal mit einer Fünf-Tage-Woche“, sagt Ernst und lacht.

Am Samstag, 8. November, von 10 bis 13 Uhr, öffnen die Seemanns ihren Laden ein letztes Mal. (red)