Die Aidshilfe Köln hat ihr 40-jähriges Bestehen mit einem Empfang gefeiert. Mit vielen Wortbeiträgen wurde zurückgeblickt. Aber es zeigte sich auch, dass die nächsten Herausforderungen schon da sind.
40 Jahre AidshilfeAlarmierender Ausblick: „Die nächste Sucht-Epidemie steht schon vor uns“

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Elfi Scho-Antwerpes (M.) schilderte bei der Talkrunde mit Georg Roth (l.) und Gerhard Malcherek, wie sie die Anfangsjahre mit den zahlreichen Aids-Infizierten erlebt hat.
Seit 1985 setzt sich die Aidshilfe Köln mit 34 Festangestellten und 200 Ehrenamtlern für Menschen mit HIV und Aids ein. Einer der größten privaten Träger im Gesundheitswesen der Stadt informiert und unterstützt beim Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung.
Gleichzeitig spürt der Verein, dass der Zugang zum Gesundheitssystem und die Versorgung von Menschen in prekären Lebenslagen und mit multiplen Erkrankungsbildern Hürden aufweist. Zudem sorgt der Rechtsruck in der Gesellschaft für eine neue Stigmatisierung.
Kölner Bürgermeister mit scharfer Kritik an Julia Klöckner
Sein 40-jähriges Bestehen feierte der Verein am Freitagabend (20. Juni 2025) im Garten des Wasserturm-Hotels. Viele Menschen, die die Entwicklung der Aidshilfe begleitet haben, und zahlreiche Gäste aus der Politik waren gekommen.
„Ihr seid für viele Menschen in Köln ein Leuchtturm, kämpft gegen Vorurteile, schafft Bewusstsein und helft denen, die keine Lobby haben“, sagte Bürgermeister Andreas Wolter in Vertretung von Oberbürgermeisterin Henriette Reker. „Die Herausforderungen werden nicht weniger. Ihr werdet gebraucht – mehr denn je. Und die Stadt Köln steht dabei an eurer Seite“.
Der Grünen-Politiker erinnerte an die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die sich stark für die Sichtbarkeit und einen menschenwürdigen Umgang mit HIV/Aids eingesetzt habe. „Leider haben wir heute jemanden, der es nicht tut, sich gegen die Regenbogenflagge auf dem Reichstagsgebäude in Berlin stellt und Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung untersagt, am Christopher Street Day teilzunehmen“, sagte er mit scharfem Ton in Richtung von Julia Klöckner. „Wir waren schon mal weiter“.
Eine Politikerin, die immer an der Seite der Aidshilfe Köln stand, ist Elfi Scho-Antwerpes. Die frühere Bundestagsabgeordnete sprach mit Tränen in den Augen und stockender Stimme über die Erlebnisse in den Anfangstagen von Aids. „Menschen wurde damals aussortiert und isoliert, wenn sie sich infiziert haben. Sie waren allein und starben wie Fliegen an der Wand.“

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Der Vorstand der Aidshilfe Köln mit Jacob Hösl, Matthias Eiting, Lennert Böhm, Jürgen Rockstroh und Kelly Cavalcanti (v.l.) feierte das 40-jährige Bestehen am Hotel Wasserturm.
Selbst Ärzte hätten Berührungsängste gehabt, hätten Türklinken nur mit Schutz angefasst. „Das hat mich so erschüttert“, sagte die 72-Jährige. „Ich habe mitgeholfen, Betten so zu präparieren, als ob Menschen darin liegen würden, damit diese noch einmal ausgehen und feiern konnten. Für solche Dinge habe ich die Verantwortung übernommen. Nichts davon habe ich bereut, weil es ein Stück Leben und Hoffnung vermittelt hat“.
Niemand wollte Anfang der 80er-Jahre mit infizierten oder erkrankten Menschen etwas zu tun haben. Schwule und Lesben taten sich zusammen, haben angepackt und eine Struktur aufgebaut, die für unmittelbare Hilfe, Begleitung und Solidarität stand. Georg Roth, der als „Sister George“ bekannt wurde, erzählte, wie er anfangs mit Buddy-Gruppen Hilfe geleistet habe, ehe die Aidshilfe im Dezember 1985 gegründet wurde.
Vier Jahrzehnte später müssen die Verantwortlichen weiter um Aufmerksamkeit und Anerkennung für ihre Arbeit kämpfen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung kündigte im Vorjahr an, 1,6 Millionen Euro für die Aidshilfe zu streichen. „Dabei kostet die Behandlung einer HIV-Infektion allein 500.000 Euro“, rechnete Patrick Maas von der Aidshilfe NRW vor. „Prävention lohnt sich, nicht nur finanziell, sondern auch menschlich“.

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Oberarzt Jürgen Rockstroh (r.) vom Universitätsklinikum Bonn gab im Gespräch mit Ex-Vorstand Gerhard Malcherek zu: „Es gibt viel Stigmatisierung. Alle hatten Angst.“
Zudem wurde deutlich gemacht, dass die nächsten Herausforderungen schon da sind. Gesundheitsamt-Leiterin Margot Denfeld verwies auf die Infektionskrankheit Mpox (früher Affenpocken). „Wir dürfen nicht wieder in diskriminierende Bereiche kommen. Das ‚Kölner Modell‘ basiert auf Prävention, Zusammenhalt und Versorgung“.
Patrick Maas nannte ein noch viel größeres Problem, vor allem in der schwulen Community: Chemsex – Menschen, die Drogen beim Sex nehmen. „In Köln sind im vergangenen Jahr vier Menschen an den Folgen gestorben. Hier steht die nächste Sucht-Epidemie vor uns, die Menschenleben kosten wird“, sagte er mit eindringlichen Worten.