Hier wird's heiß! Wer bei Pornos nur an schlechte Dialoge und billige Kulissen denkt, hat Paulita Pappel noch nicht gesehen! Die Berliner Regisseurin und Produzentin krempelt die Branche um: mit echten Paaren, echtem Begehren und einem klaren Ziel: weniger Klischees, mehr Konsens! In ihrem neuen Format House of Love and Lustery treffen Reality-TV und echte Lust aufeinander. Was Paulita antreibt, warum sie Voyeurismus liebt und weshalb Porno auf Netflix laufen sollte? Das alles verrät sie im Gespräch mit EXPRESS-Reporterin Louisa Noack.
Porno, aber andersPaulita Pappel bringt uns die Lust zurück

Copyright: Louisa Noack / Canvas Montage
Paulita Pappel setzt ganz neue Massstäbe in der Pornoindustrie. Was femininster Porno eigentlich genau bedeutet und welche Pläne sie für die Zukunft hat, hat sie uns im Interview verraten.
Und ganz plötzlich ist eine neue Pornokultur am Start
Die Pornobranche verändert sich und mittendrin: Paulita Pappel. Sie ist eine der bekanntesten Stimmen für eine neue Pornokultur, die Lust ernst nimmt, Vielfalt zeigt und Machtverhältnisse hinterfragt. Die gebürtige Spanierin lebt und arbeitet in Berlin – als Regisseurin, Darstellerin, Produzentin und Intimitätskoordinatorin. In ihrem Alltag dreht sich alles um Sex. Oder besser gesagt: um die Art, wie wir über Sexualität erzählen – und wie nicht.
Im Interview mit „Let’s Talk About Sex“ spricht Paulita über feministische Pornos, echte Paare vor der Kamera, Intimitätsarbeit hinter den Kulissen und die Zukunft einer Branche, die noch immer stark stigmatisiert ist. Ihr Ziel: Eine Pornoindustrie, die Körper feiert, statt sie zu missbrauchen. Und eine Gesellschaft, in der Sexualität kein Tabu mehr ist.
„Ich wollte eine Alternative zur romantischen Komödie schaffen“
Paulita Pappel ist keine, die sich wegduckt. Trifft man sie in einer Bar, stellt sie sich ganz selbstverständlich als Regisseurin und Pornoproduzentin vor. Die Reaktionen darauf? Mal neugierig, mal skeptisch. „Viele denken, sie wissen, wie Pornografie funktioniert – dabei ist das meiste, was uns Medien zeigen, schlichtweg falsch.“
Lange war auch für sie selbst der Weg in die Pornoindustrie mit Scham belegt. „Ich bin nicht hetero, nicht monogam – ich habe mich nie in den Bildern von Liebe und Sex wiedergefunden, die mir Medien vorgegeben haben.“ Vor allem romantische Komödien seien für sie toxisch, weil sie ein völlig absurdes und normatives Bild von Sexualität und Beziehung transportieren. „Ich wollte eine Alternative bieten – einen Ort, an dem Sexualität gefeiert wird. Und genau deshalb mache ich Pornos.“
Von Madrid nach Berlin: Eine Berufung wird Realität
Als Kind wollte Paulita Biochemikerin werden. Sie begann ein entsprechendes Studium – und merkte schnell: Die Freiheit, die sie suchte, lag nicht im Labor. Sondern in ihrer Sexualität. In Berlin fand sie schließlich das, was sie heute als ihre Berufung bezeichnet: die künstlerische, feministische Arbeit mit expliziten Bildern.
„Ich habe queere Frauen kennengelernt, die Pornografie als Teil ihrer feministischen Praxis verstanden haben – da wurde mir klar: Ich kann feministisch sein und trotzdem Pornos machen.“ Das sei ein Befreiungsschlag gewesen. „Berlin hat mir diese Freiheit gegeben – in Madrid hätte ich dafür viel länger gebraucht.“
Feministischer Porno – was ist das eigentlich?
Paulita betont: „Feministische Pornografie ist kein Stil, sondern eine Haltung.“ Sie verweist auf die Wurzeln der Bewegung in den 1980er-Jahren in den USA, als Darstellerinnen wie Annie Sprinkle oder Candida Royalle begannen, ihre eigene Vision auf die Leinwand zu bringen – jenseits von männlicher Lustfixierung, patriarchalen Strukturen und Stereotypen.
Heute umfasst feministische Pornografie viele Perspektiven: „Für manche bedeutet es, die Lust der Frau in den Mittelpunkt zu stellen. Für andere, queere Identitäten abzubilden. Für mich geht es vor allem um die Anerkennung von Vielfalt – und um Produktionsbedingungen, die auf Konsens, Transparenz und Respekt basieren.“
Was sehe ich in deinen Pornos? – Vielfalt statt Vorlage
„Pornografie ist ein Filmgenre“, sagt Paulita nüchtern. In ihren Produktionen sieht man deshalb alles – von inszenierten Szenen mit Kostüm und Drehbuch bis hin zu dokumentarischem Material, das echte Paare beim Sex zeigt. Letzteres ist zum Beispiel das Konzept hinter der Plattform Lustery.
Dort filmen sich Paare selbst und zwar ohne Drehbuch, ohne Regie. „Wir coachen sie im Vorfeld, aber was sie sexuell machen, bestimmen sie ganz allein. Das Ziel ist, eine Art Archiv echter Sexualität zu schaffen. Nicht als Ersatz für alle anderen Pornos, sondern als Ergänzung, als neue Perspektive.“
Reality-TV mit echter Lust: House of Love and Lustery
Mit ihrem neuen Format House of Love and Lustery geht Paulita noch einen Schritt weiter. Eine Villa auf Mallorca, mehrere Paare, eine Woche Zeit – und echte Gefühle. Klingt nach Trash-TV? Ist aber das Gegenteil: „Wir wollten Reality-TV machen, das ethisch produziert ist. Kein Drama auf Knopfdruck, keine versteckten Kameras, keine Manipulation.“
Stattdessen geht es um das Zusammenspiel von Authentizität und Lust. „Wir zeigen den ganzen Weg – nicht nur das Flirten, sondern auch den Sex. Und ja, auch das ist Voyeurismus. Aber Voyeurismus ist nichts Schlechtes. Es ist die Lust am Zuschauen. Und das darf auch schön sein.“
Sexszenen am Set: „Einvernehmlichkeit ist ein Muskel“
Neben ihrer Arbeit als Regisseurin ist Paulita auch als Intimitätskoordinatorin tätig; unter anderem für Netflix, Amazon und Warner. Ihre Aufgabe: intime Szenen sicher gestalten. „So wie Stunt-Koordinatorinnen bei Kampfszenen dafür sorgen, dass niemand zu Schaden kommt, tue ich das bei intimen Momenten.“
Dazu gehören Vorgespräche, klare Choreografien, technische Hilfsmittel, aber auch eine Haltung: „Viele Menschen haben nie gelernt, Nein zu sagen. Ich mache manchmal Übungen mit Schauspieler:innen, bei denen sie einfach nur ein Nein aussprechen sollen ohne Erklärung. Und viele weinen. Weil sie merken, wie ungewohnt das ist.“
Und wie steht’s mit KI, Deepfakes und virtueller Lust?
Die technische Entwicklung sieht Paulita kritisch, aber nicht nur. „KI hat Potenzial! Zum Beispiel in der Aufklärung oder für Fantasien, die sich mit echten Menschen nicht umsetzen lassen. Aber der rechtliche Rahmen fehlt.“
Gerade Deepfakes sind für sie ein Problem: „Menschen werden ausgenutzt, ihr Körper wird reproduziert ohne ihre Zustimmung, ohne Profit. Wir brauchen dringend neue Gesetze, um Persönlichkeitsrechte zu schützen.“
Ein Blick in die Zukunft: Porno auf Netflix? Ja, bitte!
Paulita träumt von einer Gesellschaft, in der Sexualität kein Tabuthema mehr ist. In der über Sex genauso offen gesprochen wird wie über Geschichte oder Politik. In der Aufklärung nicht nur im Biounterricht stattfindet. „Eine sexpositive Gesellschaft ist auch eine porno-positive Gesellschaft. Nicht, weil jeder Pornos schauen muss – sondern weil wir lernen müssen, Sexualität als Teil unseres Lebens zu begreifen.“
Ihr Appell: „Zensur ist nicht die Antwort. Wir brauchen offene Gespräche, Repräsentation und Räume für echte Lust.“ Und: „Pornografie gehört nicht ins Versteck – sondern in den Mainstream.“
Kreative Visionärin mit Plänen für die Zukunft
Paulita Pappel ist vieles: kreative Visionärin, politische Stimme, zärtliche Rebellin. Ihre Arbeit zeigt, dass Pornografie weit mehr sein kann als plumpe Reizüberflutung – nämlich ein Raum für Vielfalt, Respekt und echte Erregung. Mit Plattformen wie Lustre und Formaten wie House of Love and Lustery schafft sie neue Sehgewohnheiten und kämpft für eine sexuelle Kultur, die Menschen in ihrer Ganzheit zeigt.
Denn letztlich geht es ihr nicht nur um Sex. Es geht um Freiheit. Und die beginnt, wie Paulita sagt, mit dem Recht, selbst zu entscheiden: „Wie wir lieben, wie wir begehren, und wie wir das zeigen.“
FAQ:
Was ist feministische Pornografie?
Eine Form der Pornoproduktion, die auf Konsens, Vielfalt, faire Bezahlung und sexuelle Selbstbestimmung setzt. Der Fokus liegt nicht auf einer bestimmten Ästhetik, sondern auf Haltung und Verantwortung.
Was macht eine Intimitätskoordinatorin?
Sie sorgt dafür, dass intime Szenen in Filmen oder Serien sicher und respektvoll gedreht werden – ähnlich wie Stunt-Koordinator:innen bei Actionszenen.
Was ist Lustery?
Eine Plattform, auf der echte Paare sich beim Sex selbst filmen – ohne Drehbuch, ohne Druck, mit echtem Spaß. Ziel ist, authentische Sexualität zu zeigen.
Was unterscheidet House of Love and Lustre von anderen Reality-Shows?
Es wird echter Sex gezeigt – aber ohne Manipulation. Statt Trash gibt’s Ethik, Kommunikation und ehrliche Gefühle.
Was wünscht sich Paulita für die Zukunft der Pornografie?
Mehr Sichtbarkeit. Mehr Vielfalt. Und endlich einen selbstverständlichen Platz in der Popkultur inklusive Porno auf Netflix und Co.


