Bonns Gerichts-Präsident WeismannEin Denkmal für Niklas? Für mich keine gute Idee

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Präsident Dr. Stefan Weismann (59) vor „seinem“ Gericht in der Bonner Wilhelmstraße

Bonn – Dr. Stefan Weismann ist seit Juli Chef des Bonner Landgerichts. Der 59-jährige Jurist lebt in Bonn und ist sechsfacher Vater, hat drei leibliche und drei Stiefkinder.

Vier Monate sind Sie jetzt Präsident. Ein erstes Fazit, bitte.

Es ist ein sehr schönes Gericht und ein sehr schöner Bezirk. Hier gibt es andere Herausforderungen als in Aachen (dort arbeitete Weismann zuvor zehn Jahre, d. Red.) – jede Stadt und ihre Umgebung ist eben individuell mit ihren eigenen Vorzügen und Problemen. Wie ich mir das auch schon dachte, ist Bonn eher „eine Insel der Glückseligen“.

Das klingt irgendwie negativ…

Nein, ich meine das durchaus positiv. Bonn ist eine Stadt mit einer recht homogenen Bevölkerung, bei allen Unterschieden, Armut und sozialen Brennpunkten. Es ist auch geprägt von seiner Rolle als Universitäts- und UNO-Stadt. Im Landgerichtsbezirk haben wir sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die in Bonn studiert haben, in Bonn wohnen. Das ist in Aachen ganz anders.

Wo sehen Sie dadurch in der Arbeit des Gerichts Vorteile?

Es hat nicht nur Vorteile. Wenn Menschen aus anderen Umfeldern hineinkommen, kann das sehr bereichernd und öffnend wirken. Der Vorteil ist natürlich, dass die Leute sich hier auskennen, sie verstehen sich untereinander und haben oft dieselbe Sozialisation.

Wie steht es um die personelle Ausstattung des Landgerichts und der Gerichte im Bezirk?

Sie ist, gemessen an den Aufgaben, in Ordnung.

Sind Sie eigentlich selbst noch als Richter tätig?

Ja. Und das will ich auch weiter sein, denn das ist mein richtiger Beruf, und den habe ich immer gerne gemacht.

Warum ist Ihnen das sonst noch wichtig?

Die Verantwortung unabhängiger richterlicher Tätigkeit kann man nur nachempfinden, wenn man das auch selbst macht und so der Funktion als Präsident gerecht werden.

Was sagen Sie zu den Herausforderungen der Migration?

Die Migration wird, neben der Digitalisierung, die Herausforderung für unsere Stadt, für die Region, aber auch für den Staat sein. Auf die Gerichte kommt das natürlich auch zu. Auch in den Strafverfahren machen sich die Auswirkungen unterschiedlicher kultureller Sozialisationen deutlich bemerkbar. Damit müssen wir uns sehr intensiv beschäftigen. Zu sagen, wir bauen Mauern um unser Land und dann ist alles gut – das wird niemals funktionieren.

Einer der aufsehenerregendsten der letzten Zeit ist der Fall Niklas. Was halten Sie vom Vorschlag, ein Denkmal für ihn zu errichten?

Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Dass der Junge zum Opfer geworden ist, ist eine Katastrophe. Man versteht nicht, warum der liebe Gott, wenn es einen gibt, das zugelassen hat. Leider gibt es auch in Bonn und Umgebung sehr schlimme Straftaten, wie Mord und Totschlag oder  auch  brutale Vergewaltigungen, wie zuletzt den furchtbaren Fall in der Siegaue.  Wir alle als Gesellschaft schulden den Opfern unsere Aufmerksamkeit, Empathie und Unterstützung, und zwar sowohl ganz praktisch im Alltag als auch als gelebte Solidarität. Ich persönlich glaube jedoch nicht, dass hierzu Denkmäler hilfreich sind.

Sie sind in Würzburg geboren, in Bonn aufgewachsen: Fühlen Sie sich als Bonner oder als Würzburger?

Als Bonner!

Welche sind Ihre Lieblingsorte?

Da gibt’s ein paar. Ich bin in Oberkassel aufgewachsen, und am Dornheckensee war ich früher viel, der gefällt mir auch heute noch gut. Inzwischen wohne ich schon lange in Ückesdorf, und der Kottenforst gefällt mir auch besonders gut. Leider habe ich durch meine 29 Jahre Berufstätigkeit außerhalb Bonns die Innenstädte von Aachen, Düsseldorf und Duisburg deutlich besser kennengelernt als die von Bonn. Wenn ich jetzt durch die Stadt gehe, erlebe ich sie neu und es gefällt mir ausgesprochen gut, was ich sehe. Die Musikszene vor allem. Ich bin viel in der Harmonie, weil es da guten Jazz gibt, oder im kleinen Musiksaal vom Beethovenhaus.

Was tun Sie in Ihrer Freizeit?

Meine Kinder bereiten mir viel Freude. Ich bin gerne mit Freunden zusammen. Mit meinem besten Freund Marco gehe ich schon seit vielen, vielen Jahren in die Sauna. Vor 18, 20 Jahren hat er eine Sauna in sein Haus eingebaut. Am Anfang war es ein bisschen komisch, wenn man im Bademantel im Wohnzimmer saß. Inzwischen ist das für mich eines der schönsten Dinge: Nach der Sauna sitzt man zusammen, trinkt Tee, Kaffee oder ein Glas Wein, und dann fährt man nach Hause und geht mit dieser wohligen Wärme ins Bett  und schläft ein – das ist für mich Entspannnung.

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Das Rondell in der Rheinallee: Nach dem Tod des Schülers Niklas gedachten viele Bürger des 17-Jährigen mit Blumen,  Kerzen.

Der Fall Niklas Pöhler

In der Nacht zum 7. Mai 2016 wurde Niklas (17) bei einem Streit niedergeschlagen. Er starb einige Tage später: Eine  Schädigung der Hirngefäße hatte in Kombination mit einem Schlag gegen den Kopf zu irreparablen Schäden geführt.

Zwei Männer (21) kamen vor Gericht: Der mutmaßliche Haupttäter wurde wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Es gibt Gerüchte, dass ein Godesberger, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht, der Schuldige sein könnte. Die Ermittlungen im Fall Niklas  seien nicht abgeschlossen, betont die Staatsanwaltschaft.