Loveparade-ProzessStöckelschuh tötet Clara – Eltern: „Sie soll nicht nochmal sterben“

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Paco Zapater und Núria Caminal haben ihre Tochter Clara beim Loveparade-Unglück verloren.

von Martin Gätke (mg)

Düsseldorf – Ihre Tochter Clara Zapater Caminal war 22 Jahre alt, als sie bei der Loveparade-Tragödie starb. Das war vor 2694 Tagen.

Sechs Jahre lang haben deutsche Gerichte gebraucht, um sich darauf zu einigen, dass jetzt doch ein Prozess klären soll, wer Schuld hat an der Katastrophe (hier mehr zum Prozessauftakt nachlesen).

Wie fühlen sich die Eltern?

Ein Prozess, bei dem wichtige Entscheider nicht auf der Anklagebank sitzen werden. EXPRESS hat die Eltern der jungen Spanierin gesprochen: Wie fühlen sie sich, wenn sie heute das erste Mal auf die Angeklagten treffen?

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Paco Zapater und Nuria Caminal beim Auftakt des Loveparade-Prozesses in Düsseldorf

Clara war inmitten des tödlichen Menschenknäuels, das jeder aus den Bildern und Videos kennt. Die junge Spanierin war kurz davor, ihr Erasmus-Semester in Münster zu beenden. Mit ihrer Freundin Marta und 30 anderen Spaniern wollte sie den Abschluss feiern – auf der Loveparade in Duisburg. Es sollte eine fröhliche Party werden. Doch es wurde zum Albtraum.

Clara starb an inneren Blutungen

Clara wurde überrannt, konnte später reanimiert werden und wurde ins Krankenhaus geliefert. Hier starb sie dann an inneren Blutungen in der Brust, verursacht von einem Stöckelschuh. Clara und Marta sind unter den  acht Männern und 13 Frauen, die am 24. Juli 2010 sterben.

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Blumen und Kerzen in der Uni Münster gedenken der beiden spanischen Erasmus-Studentinnen Clara (r.) und Marta.

Als Clara in der Massenpanik zu Tode getrampelt wird, sind Paco Zapater (70) und Núria Caminal (63) weit weg, in ihrer Heimat Tarragona in Spanien. Am nächsten Tag sehen sie die schrecklichen Bilder im spanischen Fernsehen, dann kommt der Anruf vom Konsul. Erst mit der Nachricht, dass Clara vermisst wird.

Später teilt er den Eltern die traurige Gewissheit mit, dass sie unter den Opfern ist. Noch am Tag vor dem Unglück hat die Mutter mit Clara geskypt. Doch kein Wort darüber, dass sie zur Loveparade gehen will.

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Er vertritt 100 Hinterbliebene: Opfer-Anwalt Julius Reiter (Mitte) zusammen Mitarbeiterin Sarah Behrendt (r.) und Dolmetscherin Sarah Behrendt. 

Das ist über sieben Jahre her. Am 7. Dezember 2017 landeten Paco Zapater und Nuria Caminal in Düsseldorf, um am Tag darauf an einem der größten Gerichtsprozesse dabei zu sein, die Deutschland je gesehen hat. Größer als die Nürnberger Prozesse.

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Sie wollen Gerechtigkeit: Paco Zapater und Núria Caminal verloren ihren Tochter Clara bei der Loveparade-Katastrophe

Lange haben die beiden auf diesen Tag gewartet. Sie treffen an diesem Abend Julius Reiter in der Düsseldorfer Kanzlei von Baum & Reiter, um den ersten Tag des Prozesses vorzubereiten. Der Anwalt vertritt 100 Hinterbliebene des Unglücks, begleitet auch die Spanier juristisch.

Die Hoffnungen sind groß bei Claras Eltern: „Ich wünsche mir eine Erklärung, warum unsere Kinder gestorben sind. Es ist kein Asteroid vom Himmel gefallen. Ich möchte wissen, warum diese Menschen gestorben sind“, erklärt Paco Zapater.

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Einen Tag vor dem Start des Mammut-Prozesses treffen sich Paco Zapater und Núria Caminal (rechts) zusammen mit ihrer Übersetzerin Sol Porto (links vorne) mit Anwalt Julius Reiter (Mitte links) und Mitarbeiterin Sarah Behrendt.

Doch wichtige Akteure dieses Unglücks werden nicht auf der Anklagebank sitzen. Rainer Schaller etwa, Veranstalter der Loveparade 2010. Oder Duisburgs Ex-OB Adolf Sauerland. Oder Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe, der den größten politischen Druck ausgeübt haben soll, um die Party möglich zu machen.

„Mausefalle hätte verhindert werden müssen”

„Ich fühle mich frustriert“, erklärt Vater Paco Zapater. „Alle drei Personen hätten bei dem Prozess dabei sein müssen. OB Sauerland hätte das Zulassungsverfahren stoppen können, Schaller hätte auf Profit verzichten können und nicht so viele Menschen in eine Mausefalle laufen lassen. Die Ordnungskräfte hätten diese Mausefalle verhindern, mehr Ausgänge und Notausgänge schaffen müssen.“

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Zum Prozessauftakt trägt Paco Zapater ein Button mit dem Bild seiner Tochter Clara.

Zehn Mitarbeiter von Veranstalter und Stadt sitzen stattdessen auf der Anklagebank. „Diese Menschen waren bei der Entscheidungsphase bei der Frage «was geht, was geht nicht» nicht einfach dumm. Die Personen, die Druck gemacht haben, Profit daraus geschlagen haben, die werden nicht verurteilt“, erklärt Núria Caminal.

„Ich wäre zutiefst enttäuscht von der Justiz”

Trotzdem wünschen sich beide, dass Urteile gesprochen werden. „Wenn die deutsche Justiz diese Menschen nicht zur Rechenschaft zieht, wäre ich zutiefst enttäuscht von der deutschen Justiz“, so der Spanier.

„Ich würde gern dem Richter sagen: „Bitte machen Sie alles Mögliche und Unmögliche, um eine Verschleppung des Prozesses zu verhindern. Wenn wir genau das erlauben und der Prozess sich zieht, wenn wir also am 27. Juli 2020 keine Verurteilung haben, das wäre für uns, als wenn man unsere Kinder noch einmal töten würde. Das wäre für das deutsche Justizsystem eine Schande.“

(exfo)