Er kommt, wenn das Schlimmste passiert ist: Albi Roebke ist evangelischer Pfarrer und Notfallseelsorger. Im „Kölner Treff“ teilt er seine bewegenden Erfahrungen.
Bewegender Bericht im „Kölner Treff“Dieser Bonner kommt, wenn das Schlimmste passiert

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Der Notfallseelsorger Albi Roebke zu Gast im „Kölner Treff”.
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„Erste Hilfe für die Seele“ – so nennt der evangelische Pfarrer aus Bonn das, was er tut. Seelische Soforthilfe. Menschen wieder festen Halt geben nach dem Albtraum, den sie erleben mussten. Wenn nichts mehr so ist, wie es war.
Albi Roebke ist Notfallseelsorger, begleitet Menschen und Angehörige also durch die dunklen Stunden, wenn das Unfassbare geschehen ist. Am Freitagabend (12. Dezember) teilt er seine bewegenden Erfahrungen und Berichte im WDR-Talk „Kölner Treff“.
Gerade am Anfang, kurz nach solch einer Katastrophe, seien die einfachen Dinge wichtig, erklärt Roebke, der die Notfallseelsorge Bonn/Rhein-Sieg koordiniert. Es gehe darum, Kontrolle zurückzugeben. Da stelle sich die Frage: „Was habe ich in meinem Leben überhaupt noch unter Kontrolle. Wir versuchen dann, gegen die akute Ohnmacht vorzugehen.“ Es gebe dann so etwas wie „Werkzeuge“, um den Menschen ihre Entscheidungsgewalt wiederzugeben.
„Das geht ganz simpel los: ,Möchten Sie etwas trinken?' Da geht es gar nicht darum, dass Trinken sinnvoll ist in einer Stresssituation, aber die Menschen merken: Ich kann zwar nicht mehr über das Leben meines Partners oder meiner Partnerin entscheiden, aber ob ich etwas trinke oder nicht trinke – das ist eine Entscheidung.“
Wie eine Pizza Salami nach einem Schicksalsschlag wichtig wurde
Roebke sei es wichtig, dass Menschen so wieder in die Lage kommen, sich selber zu helfen. Im „Kölner Treff“ geht er auf einen schweren Schicksalsschlag ein – und welche Rolle eine banal wirkende Pizza Salami darin spielte, die aber „extrem wichtig“ wurde, wie Roebke erklärt.
„Das war ein sehr heftiger Einsatz. Der Vater eines Mädchens war psychisch krank, ist auf die Mutter losgegangen und hat sie dann auch getötet.“ Das Mädchen habe daraufhin mit der Polizei telefoniert, die habe dem Kind dann gesagt, sie solle sich in ihrem Zimmer verbarrikadieren. Es bestand die Gefahr, dass der Vater auch sie bedroht – das aber ist zum Glück nicht geschehen.
Die anderen Gäste, darunter Schlagerstar Beatrice Egli oder Comedian Mario Barth, hörten gebannt zu.
„Ein Beamter und eine Beamtin aus Bonn haben den Vater dann überwältigt“, erklärt Roebke weiter. „Und dann wurde ich gerufen, um mich um das Kind zu kümmern.“ Die Beamten haben bereits versucht, dem Mädchen wieder eine Art Normalität zu geben – ein Polizist habe dem Kind sein Handy gegeben, auf welchem es spielen konnte. Ein Spiel, das es kannte. Eine gute Idee, befand Roebke.
Dann kam die Frage, ob das Mädchen Hunger hat, der Beamte habe gefragt, was das Kind essen möchte. Und ihm eine Pizza vorgeschlagen. „Da hatte ich die Sorge, dass das Kind eine Pizza versprochen bekommt und keine bekommt.“ Doch der Beamte habe den Pfarrer beruhigt: „Albi, wenn ich als Polizist etwas weiß, dann, wo ich nachts eine Pizza herbekomme.“ Das Mädchen habe dann entscheiden könne, welche Pizza es möchte – die Wahl fiel auf Salami. „Und dann kam das dann auch.“
Katastrophen wie das schreckliche Zugunglück in Eschede oder das Flugunglück von Ramstein hätten gezeigt, wie wichtig solch eine Notfallseelsorge ist für Menschen, die zwar nicht körperlich verletzt wurden, aber dennoch Narben davon tragen. Vor allen Dingen die beiden Kirchen haben dann seelsorgerische Angebote aufgebaut.
Und auch Roebke selbst hatte in seinem Leben „die Seiten wechseln“ müssen, wie er sagt, musste ebenfalls einen Schicksalsschlag verkraften, als er schon Seelsorger war. Seine Eltern und sein Bruder sind vor rund zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Nachdem er von dem Unfall erfahren hatte, habe ihm eine Sache geholfen: „Mein erster Gedanke in dem Moment war: Ich habe denen letzte Woche Mangos vorbeigebracht, die werden jetzt schlecht. Ich muss die Mangos holen.“ Wäre er nicht Notfallseelsorger gewesen, hätte er gedacht: „Jetzt drehst du durch“. So aber habe er verstanden, dass er überhaupt keine Kontrolle mehr gehabt habe. „Meine Seele hat verzweifelt etwas gesucht, das ich noch kontrollieren kann.“ Und so habe er die Mangos geholt.
Über Schicksalsschläge, aber auch Hoffnung hat Albi Roebke in diesem Jahr ein Buch herausgebracht: „Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war“ (Fischer Verlag). Das Buch steht auf der „Spiegel“-Bestsellerliste.

