+++ EILMELDUNG +++ Michael Verhoeven ist tot Schauspielerin Senta Berger trauert um ihren Ehemann

+++ EILMELDUNG +++ Michael Verhoeven ist tot Schauspielerin Senta Berger trauert um ihren Ehemann

Leben in der Antarktis bei minus 80 GradLockdown unter Extrembedingungen

Neuer Inhalt

Spaghetti bleiben bei 70 Grad minus in der Luft stehen. 

Antarktis – Es gibt wohl wenige Menschen, die einen Lockdown so wegstecken können wie Carmen Possnig (32). Denn die Allgemeinmedizinerin forschte 13 Monate lang im Herzen der Antarktis.

  • Forscher leben abgeschottet in der Antarktis unter extremen Bedingungen 
  • Alltag im ewigen Eis ist extrem beschwerlich 
  • Forscherin gibt Tipps für die Zeit im Lockdown

An einem Ort im schneeweißen Nichts, wo im viermonatigen Winter noch nicht einmal Flugzeuge landen können, weil der Treibstoff gefrieren würde. Wo sie mit ihrem Team ganz auf sich allein gestellt war ...

Forschungsstation in der Antarktis: Körper und Geist in der Isolation

Jedes Jahr sucht die ESA Mediziner, die ein Team in die Antarktis begleiten und anhand von Experimenten feststellen, wie Körper und Geist sich in der Isolation verändern und den extremen Bedingungen anpassen. Wichtige Erkenntnisse, sollte es gelingen, Menschen zu einer langen Expedition auf den Mars zu schicken.

Neuer Inhalt (4)

Lustige „Experimente“: Kochend heißes Wasser gefriert zu Kristallen.

Was für eine tolle Herausforderung, dachte sich Carmen Possnig, als sie am Ende ihrer Ausbildung stand. Die Innsbruckerin musste ein extremes Auswahlverfahren durchlaufen. Denn wichtiger noch als die medizinischen Kenntnisse sind die psychologischen Eigenschaften, um in einer 13-köpfigen Gruppe am Rande der Welt zu überleben.

„Du darfst nicht zu extrovertiert sein, musst dich gut mit dir selbst beschäftigen und dich in andere hineinversetzen können“, sagt sie im Gespräch mit dem EXPRESS. Traf offensichtlich alles auf die Österreicherin zu, die 2018 das Abenteuer ihres Lebens startete.

Das Atmen fällt schon schwer

Acht Stunden ging’s mit dem Flieger von Neuseeland aus bis zur Küste des Südpols, über malerische Gletscher und Eisberge hinweg. Dann noch mal vier Stunden weiter mit einer kleinen Maschine. Und plötzlich ist da nur noch blauer Himmel und eine weiße, scheinbar unendliche Weite.

Neuer Inhalt

Ihrem Kollegen Marco Buttu gelang ein eindrucksvolles Bild: Die Türme der deutsch-italienischen Forschungsstation Concordia unter dem Licht der Milchstraße.

„Als ich den ersten Fuß in den Schnee gesetzt habe, habe ich mich gefühlt, als würde ich einen anderen Planeten betreten“, schwärmt sie. „Der Schnee ist so anders, trocken, knarzig.“ Und dann die dünne Luft auf dem 3250 Meter hochliegenden Plateau in der Eiswüste. Der Sauerstoffgehalt liegt gerade mal bei 60 Prozent. Da fällt das Atmen schwer.

Antarktis: Temperaturen bis zu minus 80 Grad

Aber vor allem ist da diese Kälte. Eiseskälte, im Winter bis zu minus 80 Grad. Das könne man nicht beschreiben, das müsse man erlebt haben, sagt sie. „Wer die Forschungsstation verließ, hatte zig Fleecepullis, fünf paar Handschuhe, schwere Polarschuhe, drei Skimasken und eine Skibrille an. Er kontrollierte im Spiegel neben der Eingangstür dennoch, ob irgendwo ein Fitzelchen Haut zu sehen war, denn das würde sofort erfrieren.“ 

Einmal erwischte es ihr Ohr, des Öfteren die Finger, weil sie nur ein Paar Handschuhe ausgezogen hatte, um besser schreiben zu können. „Das waren unglaubliche Schmerzen, wenn die langsam wieder auftauten“, sagt sie.

Antarktis: Luftdruck lässt Zahn von Forscher  explodieren

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Wohl nirgendwo wird der Satz so beherzigt wie auf der französisch-italienischen Forschungsstation im weißen Kontinent. „Es bereitet einem schon psychologischen Stress, zu wissen, dass man im Notfall, insbesondere im Winter, wirklich nicht gerettet werden kann“, sagt die Ärztin.

Neuer Inhalt (5)

Die Vorratskammer auf der Forschungsstation war anfangs gut gefüllt. Links geht es zur Alkoholhöhle, rechts weiter in den auf -20 Grad Celsius „aufgeheizten“ Gefrierraum. 

Sie und ihr Kollege, ein Notfallmediziner und Gynäkologe, hatten bereits nach wenigen Tagen die erste Bewährungsprobe zu bestehen. „Einem Teammitglied war ein Zahn explodiert. Unentdeckter Kariesherd, der unterschiedliche Luftdruck, die Kälte, da war es halt passiert. Wir waren via Skype mit einem italienischen Zahnarzt verbunden und mussten versuchen, ihm einen Zahn zu basteln.“

Antarktis: Vier Monate absolute Finsternis

Heute kann sie darüber lachen, auch über so manchen Zwist mit ihren Mitbewohnern, insbesondere in der dunklen Winterzeit. „Es ist wirklich vier Monate stockfinster. Man sieht das Eis in dunklen Lilatönen leuchten, die Milchstraße, dieses unglaubliche Sternenmeer. Das sind Bilder, die ich nie vergessen werde. Aber diese Zeit ist auch zermürbend. Viele verlieren ohne Licht völlig das Zeitgefühl, verfallen in das Winter-Over-Syndrom. Die einen wurden aggressiv, die anderen depressiv, viele – auch ich – etwas verwirrt. Kein Wunder: Die Sinneseindrücke werden einfach zurückgeschraubt.“

Sie sei nur glücklich, dass sie Tagebuch geschrieben habe. Manche Kollegen hätten überhaupt keine Erinnerung mehr an diese vier Monate. Umso lieber denken sie alle an die schönen Erlebnisse. Im T-Shirt kurz vor die Tür laufen z. B., als es im Sommer einmal „warme“ minus 24 Grad waren. Spielereien mit Spaghetti, Spiegeleiern und Wasser an der frischen Luft. Radtouren auf dem Fatbike im Schnee.

Was sie nach ihrer Heimkehr besonders genossen hat? Sie muss nicht lange nachdenken: „Allein und unbeobachtet zu sein, Spaziergänge im Grünen, nur im Shirt.“ Dennoch würde sie „sofort wieder losfahren“.

Forscherin gibt Tipps für den aktuellen Corona-Lockdown

  • „In der Concordia hat uns der Abstand zum Internet (nervenzerreibend langsam) geholfen. Am besten Zeiträume einplanen, um Nachrichten abzurufen, ewiges Nachschauen macht unkonzentriert.“
  • „Behalten Sie den üblichen Tag/Nacht-Rhythmus bei. Ich habe zum Beispiel für jede Woche einen Zeitplan aufgestellt, jeden Tag in 30-Minuten-Takte aufgeteilt und festgehalten, was wann erledigt werden soll.“
  • „Erlernen Sie neue Fähigkeiten – eine Sprache, Zeichnen, Stricken, ein Musikinstrument. Jedes Erfolgserlebnis hilft. Wir haben uns zum Beispiel eine Kletterwand gebaut.“
  • „Duschen, sich richtig anziehen? Ja! Tatsächlich ist es ein großes Problem in Isolationsmissionen, das meist einer dabei ist, der Hygieneangewohnheiten über Bord wirft. Das stinkt zum Himmel, zieht einen selbst runter.“
  • „Setzen Sie sich während des Homeoffices an den Tisch, nicht aufs Sofa.“
  • „Bewegen Sie sich. Das verbessert Stimmung, Stresslevel, Schlafqualität.“
  • „Ab an den Herd! Nichts hat unsere Gruppe so zusammengeschweißt wie gemeinsames Kochen und gutes Essen.“
  • „Reden Sie mit dem Partner. Spannungen zu ignorieren, machte bei uns die Situation stets schlimmer.“
  • „Schaffen Sie sich Raum für Rückzüge.“