„Die brutale Realität“Nach Sturz-Drama bei Tour de France: Deutscher Star raus

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Die französische Tour-Hoffnung Thibaut Pinot erwischte es drei Kilometer vor dem Ziel bei einem Massensturz.

von Béla Csányi (bc)

Nizza – Dieser Tour-Auftakt war ganz schön schmerzhaft. Wer sich auf ein gemütliches Einrollen zum Start der 107. Tour de France in Nizza eingestellt hatte, der wurde am Samstag eines Besseren belehrt. Die malerische Kulisse der Cote d’Azur wurde, ebenso wie zahlreiche Fahrer, vom Dauerregen regelrecht davongespült.

Erst ein energisches Eingreifen von Tony Martin (35) sorgte dafür, dass sich die Situation vor der letzten Stunde der Etappe beruhigte. Den Sieg bei einer denkwürdigen Etappe holte sich Alexander Kristoff (33), der sich im Massensprint durchsetzte. Der Norweger ist damit der erste Fahrer, der bei der Tour 2020 das Gelbe Trikot des Gesamtführenden tragen wird. Riesiger Frust herrscht dagegen beim deutschen Profi John Degenkolb (31) vom Team Lotto-Soudal, für den die Tour schon nach dem ersten Tag beendet ist.

Zahlreiche Top-Fahrer von Stürzen beim Auftakt der Tour de France betroffen

Angesichts der vielen Stürze rückte das Finale der Etappe aber beinahe in den Hintergrund. Mit Julian Alaphilippe (28), Nairo Quintana (30), Richie Porte (35) und Fabio Aru (30) erwischte es unter anderem vier Fahrer aus dem erweiterten Kreis der Anwärter auf den Gesamtsieg.

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Alexander Kristoff jubelt nach dem Gewinn der Auftakt-Etappe bei der Tour de France.

Drei Kilometer vor dem Ziel kam es dann noch einmal zu einem gewaltigen Massensturz, in den mit Thibaut Pinot (30) auch die große Hoffnung der Franzosen auf den Gesamtsieg verwickelt war. Er kam mit rund vier Minuten Rückstand ins Ziel, wird aber mit der gleichen Zeit gewertet wie der Rest des Feldes. Der deutsche Radprofi Maximilian Schachmann (26), trotz der Folgen eines Sturzes bei der Tour dabei, hatte solche Szenen kurz vor Beginn bereits prognostiziert.

Der Russe Pavel Sivakov (23), einer der Helfer von Titelverteidiger Egan Bernal (23), stürzte gleich zweimal und zog sich blutende Wunden zu. Besonders spektakulär erwischte es Miguel Ángel López (26) vom Team Astana. Nachdem der Reifen blockierte, verlor der Kolumbianer die Kontrolle über sein Rad und steuerte geradewegs in ein Straßenschild. Trotz der besorgniserregenden Bilder kam auch er, wie die meisten seiner gestürzten Kollegen, mit dem Schrecken davon.

Tony Martin forderte Peloton zu mehr Zurückhaltung bei erster Etappe der Tour de France auf

Als in nahezu jeder schärferen Kurve mindestens ein Fahrer zu Boden ging, übernahm Tony Martin Verantwortung. Der frühere Zeitfahr-Weltmeister und eine der großen Autoritäten im Fahrerfeld, setzte sich an die Spitzer des Pelotons und forderte mit energischen Handbewegungen eine ruhigere Gangart.

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Tony Martin (r.) und Teamkollege Tom Dumoulin.

Auch wenn es dabei zunächst teils zu Diskussionen mit anderen Teams, besonders dem Team Astana, kam, fuhr das Hauptfeld das Tempo anschließend deutlich herunter. Mit sichtlich gedrosselter Geschwindigkeit ging es auf die letzten 50 Kilometer Richtung Ziel, auf abschüssigen Stellen tasteten sich die Fahrer förmlich durch die Kurven, dennoch kamen vereinzelt Fahrer zu Fall.

Der befürchtete Fan-Ansturm auf die Strecke blieb auch aufgrund des schlechten Wetters aus. In die Hügel rund um Nizza verloren sich nur vereinzelte Zuschauer, selbst im Zielbereich an der Promenade des Anglais blieb es recht leer. Die Zuschauer wahrten den Abstand untereinander und zu den Fahrern, eine der Sorgen rund um die Corona-Tour bestätigte sich damit zumindest zum Auftakt nicht.

Tempo erhöht sich erst 25 Kilometer vor dem Ziel – Massensturz vor dem Sprint-Finale

Erst als die Straßen 25 Kilometer vor dem Ziel flacher und breiter wurden, erhöhte sich auch das Tempo wieder. Alle zwischenzeitlich abgehängten Fahrer hatten es wegen der zwischenzeitlichen Bummelfahrt des Pelotons zurück ins Feld geschafft, sodass sich die Top-Sprinter im Ziel das erwartete Finale lieferten.

An einer Stelle, an der sich zuvor bereits zwei Stürze ereignet hatten, kam es an der Drei-Kilometer-Marke zum folgenschweren Massensturz. Es waren Szenen, die es beim größten Radrennen der Welt in dieser Form bislang nur selten gab.

Tour de France für John Degenkolb beendet

Degenkolb war ebenfalls gestürzt – und erreichte das Ziel daraufhin außerhalb des Zeitlimits. Obendrein zog er sich bei dem Crash Schürfwunden und Prellungen zu. Eine genaue Diagnose steht noch aus. „Manchmal gewinnst du, manchmal verlierst du. Heute habe ich alles verloren“, schrieb Degenkolb bei Facebook. „Es ist fürchterlich frustrierend. Aber das ist die brutale Realität des Radsports“, so Degenkolb weiter. (bc)