Streiks in den US-LigenWichtiges Signal, aber Vereine machen sich erpressbar

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Proteste in den USA: Spieler der San Francisco Giants tragen ein Black-Lives-Matter-Shirt.

Köln – Die Black-Lives-Matter-Proteste haben in den USA neues Feuer erhalten. Im US-Bundesstaat Wisconsin war der 29-jährige Jacob Blake durch vier Schüsse eines Polizisten schwer verletzt worden. Nach anfänglich symbolischen Gesten wie dem Niederknien vor einer Partie und dem Spielen unter dem Slogan „Black Lives Matter“ streiken nun zahlreiche US-Ligen. Dies ist ein wichtiges Zeichen, aber macht den Sport auch erpressbar. Ein Kommentar.

Anstehende Präsidentschaftswahlen, Black-Lives-Matter-Proteste, Hurrikan „Laura“ und die Coronakrise: Die USA befindet sich mitten in zahlreichen Krisen und aufgeheizten Lagern. Nun mischt sich der Sport stärker ein als je zuvor: Nach den Schüssen auf den schwarzen Familienvater Jacob Blake haben NBA, WNBA, NHL, MLB und NFL Spiele aus Protest verschoben.

US-Profiligen streiken nach Schüssen auf Jacob Blake

US-Basketball-Legende Magic Johnson (61) meldete sich zu Wort, um seine Sympathie für das Vorgehen zu bezeugen. „Ich unterstütze die Handlungen der NBA, WNBA, MLB und MLS im Zuge des Protests gegen die Schüsse auf Jakob Blake, einem unbewaffneten, dunkelhäutigen Amerikaner, ausgeübt durch diejenigen, die eigentlich allen Amerikanern dienen und sie schützen sollen [...] Wir sind es leid und wollen Gerechtigkeit.“

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Wird der Sport nun politisch? Ein Thema, das zahlreichen Fans ein Dorn im Auge ist – zu divers sind die Meinungen, zu stark die Angst, seinen Sport nicht mehr unbekümmert verfolgen zu können. Doch das Zeichen, welches die großen US-Ligen in diesen Tagen setzen, ist kein politisches, denn viel mehr ein gesellschaftliches. Rassismus und Diskriminierung sind keine Meinung, die es politisch zu diskutieren gilt, sondern  Verbrechen, die mit Zivilcourage bekämpft werden müsssen.

New York Mets und Miami Marlins schweigen und verlassen das Feld

Genau diese Zivilcourage zeigen nun die großen Ligen der Vereinigten Staaten. Ein besonders großes Zeichen setzten die Baseballer der New Yorks Mets und der Miami Marlins, die zu ihrer Partie antraten, eine Schweigeminute hielten und anschließend geschlossen den Platz verließen. Das Zeichen: Nicht mit uns!

Doch die Streiks der Ligen und Vereine machen eben diese auch erpressbar. Denn was passiert, sollte es in naher Zukunft erneut zu Extremfällen kommen, wie bei George Floyd oder nun Jacob Blake? Vereine und Verbände könnten wohl kaum jedes Mal ihren Betrieb aussetzen, ohne mit starken wirtschaftlichen Einbußen rechnen zu müssen. Die Ernsthaftigkeit der Zivilcourage muss sich daran messen lassen, ob auch zukünftig der Sport bei derartigen Vorkommnissen pausieren wird. Ansonsten müssen sich alle Beteiligten trotz ihrer guten Absicht den Vorwurf gefallen lassen, einen Tod eines schwarzen Mitbürgers unterschiedlich zu bewerten.

Ligen haben sich seit erstem Niederknien von Colin Kaepernick weiterentwickelt

Eine heikle Lage, da jeder ahnt, dass die US-Ligen mit ihrem Streik die einzige Patrone verschossen haben, die sie im Kampf gegen Diskriminierung und Polizeigewalt hatten.

Ein Ziel haben die US-Ligen erreicht: Sie haben gezeigt, dass sie zu mehr als einer symbolische Geste vor Anpfiff bereit sind. Mit ihrem Streik wird deutlich, wie sehr sich der US-Sport seit dem ersten Niederknien des Footballers Colin Kaepernick (32) weiterentwickelt hat. „Ich werde nicht aufstehen und Stolz für eine Fahne demonstrieren, die für ein Land steht, das Schwarze und andere Farbige unterdrückt“, sagte Kaepernick 2016, nachdem er sich nicht zur Hymne vor einem Trainingsspiel der San Francisco 49ers erhob.

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Colin Kaepernick kniet während die US-Hymne läuft. Das Foto wurde am 2. Oktober 2016 am Rande der Begegnung der 49ers und den Dallas Cowboys aufgenommen.

Während Kaepernick von Amnesty International als „Botschafter des Gewissens“ ausgezeichnet wurde und Teil einer Anti-Rassismus-Kampagne des amerikanischen Sportartikelherstellers Nike wurde, bekam der Quarterback im Spielbetrieb keinen Fuß mehr auf den Boden und ist seit dem Jahr 2016 als Free Agent, also ohne Verein gelistet.

Inzwischen protestieren zahlreiche Sportler aller Sportarten. Die Formel 1 fährt unter dem Slogan „We race as one“, auch in der Bundesliga knieten vor dem Anstoß Spieler und Schiedsrichter, um ihre Unterstützung im Kampf gegen Rassismus zum Ausdruck zu bringen. Mit dem Bestreiken von Partien wurde nun die nächste Proteststufe gezündet. Doch ob sich diese halten kann, wird sich erst bei einem nächsten Vorfall zeigen, den niemand herbeisehnt.