Seit März Quarantäne auf MalleKölner Radlegende: Nur mit kölschem Humor zu ertragen

Wüst arbeitet

Der Kölner Radsport-Star Marcel Wüst kann seine Finca auf Mallorca nicht verlassen seit dem 13. März, er vertreibt sich die Zeit mit Handwerksarbeiten.

von Uwe Bödeker (ubo)

Palma de Mallorca/Köln – Vor 20 Jahren raste der Kölner Radprofi Marcel Wüst zu Beginn der Tour de France als Sprinter sensationell ins Bergtrikot. Heute betreibt der 52-Jährige eine Radsport-Finca (Casa Ciclista) auf Mallorca. Seit 13. März sitzt er auf der Insel in häuslicher Quarantäne fest. Wir sprachen mit ihm über die Lage:

Wie geht es Ihnen auf Mallorca?

(lacht) Ich war noch nie im April so braun und so dick. Seit dem 13. März war ich nicht mehr draußen zum Sport, höchstens mal Lebensmittel einkaufen. Aber mir ist nicht langweilig, ich mache die Casa fein, habe die Fassade gestrichen, den Garten und die Terrasse schön gemacht und kümmere mich um mein Rad-Material. Trotzdem, die Tage sind 24 Stunden lang. Ich schlafe morgens, bis ich wach bin, und wenn ich mich bewegen will, fahre ich eine Stunde auf der Rolle Rad.

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Wie war das Anfang März, war es keine Option heim zu fliegen nach Köln?

Am 15. März hatte meine Saison schon begonnen, die Teilnehmer des nächsten Camps haben dann aber komplett abgesagt. Da saß ich hier mit allen eingekauften Lebensmitteln. Es war auch noch nicht klar, was passiert. In Deutschland wurden die Schulen geschlossen, da ist meine Frau Susanne mit ihrer Tochter auch nach Mallorca gekommen.. Zudem ist unsere Freundin Franzi, die Anfang März in einem Radcamp war, auch da geblieben, somit sind wir hier zu viert. Die Ausgangssperre wurde dann immer für zwei Wochen verlängert, aber mittlerweile heißt es, dass wir ab Mai wieder spazieren gehen oder alleine Radfahren dürfen. Anfang Mai wollen wir wegen des Schubeginns in NRW aber wieder nach Hause fliegen. Es ist noch etwas ungewiss, aber wir hoffen das der Flieger nicht gestrichen wird.

Geduld und Solidarität in Spanien sind unglaublich

Halten sich alle an die strengen Regeln auf der Insel?

Ja, selbst Familien mit fünf Kindern in einer 80 Quadratmeter-Wohnung ohne Balkon nehmen die Situation an. Die Geduld und die Solidarität in Spanien ist schon außergewöhnlich, obwohl es hier die härtesten Ausgangssperren der Welt gibt. Es gab aber auch 12.500 Verstöße auf Mallorca, zum Beispiel sind Leute mit dem Cabrio spazieren gefahren. Das kostet dann zwischen 601 und 30.000 Euro, bis hin zu einer Gefängnisstrafe. Hier fahren Militärjeeps und Polizisten rum und kontrollieren sehr streng.

Warum sind die Regeln auch auf Mallorca so streng? Die Insel ist doch schon abgeschottet.

Hier gab es nie mehr als 2000 Corona-Infizierte. Und es kommen nur noch Güter auf die Insel, kein öffentlicher Personenverkehr. Aber in Madrid sterben Tausende. Und da Spanien zentralregiert wird, läuft es so. Wenn die Ausgangssperre in Madrid beschlossen wird, dann gilt das eben für jeden im Land. Ich kann auch nicht verstehen, warum in Deutschland so gejammert wird. Prävention ist nie populär und Politiker können es eh nie richtig machen, aber die Maßnahmen in Deutschland sind doch auszuhalten und schützen die Menschen.

Wie geht es mit Ihrer Finca weiter?

Als Ein-Mann-Betrieb kann man ja kaum Rücklagen bilden. Und so wie es aussieht, findet bei mir die komplette Saison nicht statt. Zumindest bis Ende Juli habe ich keine einzige Radveranstaltung mehr, auch nicht in Deutschland. Die Bank bucht trotzdem weiter jeden Monat die Raten für die Finca ab. Da kann es gut sein, dass man vor die Wand fährt, wenn das noch länger dauert. Ich habe echt keine Ahnung, wie es weiter geht.

Was bedeutet die Corona-Pandemie für Mallorca mit all den Hotels und der Tourismusbrache?

Für viele wird es eng. Aber die Frage ist: Wann und wie geht es weiter? Vielleicht können ja bald wieder Hotels öffnen, nur dann weniger Gäste aufnehmen. Es werden sicherlich wieder bessere Zeiten kommen. Meine kölsche Mentalität und mein Sportlerherz helfen mir momentan unheimlich, diese Situation anzunehmen. Wir dürfen auch den Humor nicht verlieren. Man kann die Situation derzeit nicht ändern, muss aber das Beste daraus machen. Unsere Großeltern mussten noch in den Krieg ziehen, wir müssen nur zu Hause bleiben. Doch selbst das schaffen einige nicht einmal. Und eigentlich muss man sagen: Zum Glück nur Corona und kein Krieg.

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Was erwarten Sie in den nächsten Wochen?

Ich hoffe, dass unsere Rückreise ohne Probleme abläuft. Momentan darf hier nur einer im Taxi fahren, wir bräuchten also vier Taxen zum Flughafen. Und obwohl wir hier seit März in Quarantäne und alle gesund sind, müssen wir in Deutschland auch nochmal zwei Wochen in häusliche Quarantäne, weil wir aus Spanien einreisen. Das ist halt so. Ich mache mir aber auch Gedanken, was mit der Casa passiert, wenn ich (irgendwann!) wieder nach Mallorca kann. Ist der Garten dann zugewuchert oder sind Hausbesetzer in der Finca? Ich mache mir schon Gedanken. Und persönlich hoffe ich, dass in Zukunft die wirklich systemrelevanten Kräfte wie Krankenschwestern, Pflegedienste, Busfahrer oder Kassiererinnen nicht weiter am unteren Ende der Gehaltslisten stehen. Die müssten alle viel besser bezahlt werden.